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Grundlagen Anthroposophie Teil 1 von Christoph Bolleßen
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«Mit dieser Vortragsreihe möchte Christoph in ruhiger und freier Rede, interessierten Menschen einige Leitgedanken der Anthroposophie Rudolf Steiners anschaulich darstellen und zugänglich machen. Zur weiteren Vertiefung in die Thematik empfehlen sich unter anderem die Schriften "Theosophie" (GA 9) und "Die Geheimwissenschaft im Umriss" (GA 13).»
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Transkription der Grundlagen Anthroposophie Teil 1 [Einleitung]
In eigener Sache 0:00:24
Hallo und herzlich willkommen hier auf dem Kanal Kulturepochen zu diesem ersten Video. Ich möchte in diesem Beitrag versuchen, ein paar grundlegende Dinge zum Thema Anthroposophie darzustellen. Und ich möchte vorab darum bitten, dass dies hier auf keinen Fall vollständig und umfassend geschehen kann, sondern ich möchte an dieser Stelle gerne sagen, dass das Werk Rudolf Steiners so umfassend und reichhaltig ist, dass man sich immer nur bemühen kann, bescheidene kleine Schritte zu unternehmen, um Auszüge wiederzugeben oder herauszuheben. Daher bitte ich um Nachsicht, dass ich hier nur meinen kleinen Teil darstellen kann und dass es mit Sicherheit sehr viele Dinge und Details geben wird, die ich nicht erwähne. Aber ich möchte wie gesagt versuchen, nicht nur mit diesem Video, sondern vielleicht auch in einer kleinen Reihe, einige anthroposophische Inhalte ins Auge zu fassen und zu besprechen.
Der Begriff "Anthroposophie" 0:01:50
Beginnen würde ich gerne mit dem Begriff “Anthroposophie”. Anthroposophie bedeutet sinngemäß: “Die Weisheit vom Entgegengewendeten”. Der “Anthropos” ist “Der Entgegengewendete”. Dies bezieht sich auf den Menschen und die Sophia ist bekanntermaßen die Weisheit. Warum also der Entgegengewendete? Warum sind wir Menschen die Entgegengewendeten? Hier können wir ein bedeutendes Werk der griechischen Antike des Philosophen Platon zu Hilfe nehmen.
Platons Höhlengleichnis 0:02:43
Platon war ein Schüler des Philosophen Sokrates und hat einige Werke verfasst, in denen sein Lehrer Sokrates über bestimmte Dinge spricht. Tiefe Gespräche zwischen Lehrer und Schüler, vor allem über philosophische Themen, über das Leben, den Menschen, den Staat, die Politik oder die Religion, gehörten in der griechischen Antike zur guten Sitte. Und so erscheint in einem Werke Platons das sogenannte “Höhlengleichnis”. In dieser Erzählung geht es um Menschen, die in einer finsteren Höhle gefesselt am Boden sitzen und durch diese Fesselung gezwungen sind, permanent in eine Blickrichtung zu schauen. Und in der Richtung, in die sie schauen, befindet sich eine erleuchtete Fläche an der Höhlenwand. Über diese erleuchtete Fläche huschen bewegte Schatten. Diese Schattenspiele bilden die Wahrnehmungswelt der gefesselten Menschen, die sie sich erschließen, bzw. die sie mitverfolgen als ihre Realität. Allerdings ist ihr Bild der Welt natürlich nicht vollständig.
Wir als Außenstehende, als Beobachter, wissen, dass Licht und Schatten, welche die gefesselten Menschen sehen, natürlich eine Ursache haben. Und so geht die Erzählung weiter, indem Platon sagt: Dieses Licht und diese Schatten entstammen aus dem Bereich, der hinter den Menschen liegt, den sie nicht schauen können. Schließlich kommen einzelne der Menschen eines Tages an den Punkt, wo sie diesem Sachverhalt auf die Spur kommen. Sie sagen sich: Dadurch, dass wir nur nach vorne schauen, sehen wir immer nur die Schatten. Aber wo kommen denn diese Schatten her? Und ebenso das Licht? Das können wir nur herausfinden, wenn wir uns umwenden, indem wir uns dem Licht entgegenwenden.
Verbindung zur Anthroposophie 0:05:56
Dieses Bild hilft uns dabei, vielleicht ein wenig zu verstehen, worum es in der Anthroposophie geht. Die Grundaufgabe, die wir als geistig strebende Menschen haben, ist dass wir anstreben, wirkliche Erkenntnisse über den Geist zu gewinnen. Und damit kommen wir zur vollständigen Bezeichnung Rudolf Steiners der Anthroposophie als “anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft”. Ein sehr hoher Anspruch, von einer “Wissenschaft” vom Geistigen zu sprechen – das ist etwas völlig Neues. Das ist revolutionär in der Menschheitsgeschichte.
Denn bisher war es so, dass geistige Dinge, religiöse Dinge, an den Menschen herangetragen wurden durch Autoritäten. Zunächst durch natürliche Autoritäten. Man denke nur bei den Naturvölkern an die Medizinmänner, an die Schamanen. Dies waren Menschen, die von den Stammesgenossen, den Mitmenschen in ihre Positionen erhoben wurden, weil sie bestimmte mediale Fähigkeiten hatten. Und eine Zeit lang war es tatsächlich so, dass nur noch wenige Menschen die Möglichkeit hatten, in die geistige Welt hineinzuschauen. Und es wurden immer weniger – was auch mit der Menschheitsentwicklung zu tun hat, wie wir von Rudolf Steiner wissen.
Das Neue ist eben, dass wir heute in einer Zeit leben, in der es jedem Menschen wieder möglich ist, die Fähigkeiten in sich zu erwecken, selbst in der geistigen Welt Erkenntnisse zu sammeln und nicht mehr darauf angewiesen ist, dass Geistiges durch Autoritäten an ihn herangetragen wird und er dann sozusagen nur noch “Glauben schenken” soll. Das ist natürlich eine ganz schöne “Ansage”, wie man heute so schön sagt, aber wen es neugierig macht, der kann in der Anthroposophie ungemein Wertvolles finden.
Der Entwicklungsgedanke 0:09:01
Ein Kernbegriff, welcher von Rudolf Steiner immer wieder verwendet wird, ist “Entwicklung”. Dass sich also der Mensch und auch die Welt gemeinsam entwickeln. Und man entgegen der heutzutage meistverwendeten Darstellung nicht davon ausgehen kann, dass die Menschen und die Welt immer schon gleich waren. Sondern dass sich gewaltige Dinge verändert haben. Das werden wir in den kommenden Videos noch einmal näher beleuchten. Warum ist das so wichtig für uns, dies mit einzubeziehen? Zunächst einmal weckt es in uns ein ganz anderes Verständnis für das, was in der Vergangenheit passiert ist. Wenn wir also davon ausgehen: Die Menschen damals haben ihre Entscheidungen aus ganz anderen Beweggründen getroffen als wir heute, dann kann uns dieser Gedanke befrieden.
So ging es mir in der Beschäftigung mit den Vorträgen Rudolf Steiners. Es wird ein Gefühl des Friedens, der Versöhnung erzeugt. Denn ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass wenn ich mich früher mit geschichtlichen Sachverhalten beschäftigt habe, wenn bestimmte Ereignisse geschildert wurden, dass ich oft den Gedanken hatte: Ja, was waren denn das für seltsame Menschen damals, die solche Entscheidungen getroffen haben? Aber wenn man berücksichtigt, dass sich diese Menschen in einer ganz anderen Entwicklungsphase befanden, dann kann man auf diese vergangenen Zeiten zurückblicken und vielleicht wie ein Vater oder eine Mutter wohlwollend auf die eigenen Kinder schauen und auf die unverständlichen Taten, die man teilweise vielleicht auch selber in der eigenen Pubertät begangen hat. Verständnis für sich entwickelnde Menschen aufbringen, indem man sagt: In dieser Lebensphase sieht man die Dinge einfach noch nicht so klar!
Wenn wir so mit unseren Vorfahren umgehen bzw. mit der Menschheitsentwicklung, dass wir Verständnis dafür aufbringen, dass jemand, der in der Antike oder im Römischen Reich gelebt hat, noch nicht das gleiche Bewusstsein haben konnte wie wir heute, dann zieht sich aus meiner Sicht ein besänftigender Frieden durch die Seele und man kann die Dinge ganz anders bewerten. Das heißt also: sich stets bemühen, Entwicklung zu denken, sich Entwicklung immer wieder vor Augen führen. Wir finden diesen Entwicklungsgedanken teilweise bereits in der Naturwissenschaft dargestellt, z. B. durch die Evolutionstheorie. Bestimmte Abläufe in der Biologie verändern sich im Laufe der Zeit und mit ihnen auch die Lebewesen auf der Erde.
Der Prozess des "Umwendens" 0:13:23
Dieser Entwicklungsgedanke spielt auch in Platons Höhlengleichnis schon eine Rolle. Dort wird gesagt: Wenn sich nun einer dieser gefesselten Menschen aufmacht, sich umzuwenden, dann bleibt das natürlich nicht ohne Konsequenzen. Und dieses Umwenden ist auch nicht so einfach und schnell vollziehbar, sondern wenn wir bei dem Bild mit dem gleißenden Licht aus dem Hintergrund bleiben, kann man sich vorstellen, dass in dem Moment des Umwendens die eigenen Augen erst einmal nicht in der Lage sind, dieses Licht zu ertragen. Das heißt, das Umwenden muss langsam, behutsam und kontinuierlich geschehen. Es ist nicht ratsam, zu sagen: So, ich stehe jetzt auf, wende mich um und so sieht es dort aus; sondern unser ganzes Wesen, unsere ganze Körperlichkeit muss sich zunächst einmal darauf einstellen, mit diesem neuen Blickwinkel mit diesen neuen Eindrücken, umzugehen. Und das beschreibt Platon, dass man sich langsam umwenden muss. Und er sagt weiterhin etwas ganz Entscheidendes, dass in Verbindung mit der Anthroposophie sehr erheblich ist, nämlich dass dieses Umwenden aus Freiheit heraus geschehen muss.
Man sollte demnach nicht andere gefesselte Menschen, die noch nicht das Bedürfnis verspüren, sich umzuwenden, dazu zwingen. Und damit haben wir einen weiteren entscheidenden Punkt, der von Rudolf Steiner mit einem seiner bekanntesten Werke dargestellt wird, mit der “Philosophie der Freiheit”. Wir haben es also mit einem sich entwickelnden Menschen zu tun, der sich aus freien Stücken heraus entscheiden möge, sich umzuwenden, um nach der Quelle des geistigen Lichtes hinter ihm zu schauen. Dieses Umwenden muss jedoch ein absoluter Akt der Freiheit sein.
Die Bildung neuer Wahrnehmungsorgane 0:16:36
Denn was ist aus anthroposophischer Sicht mit diesem Umwenden verbunden? Damit ist verbunden, dass sich unsere Leiblichkeit nicht nur auf das Licht einstellt, sondern es geht noch einen Schritt weiter, indem Rudolf Steiner sagt: Wenn wir uns umwenden, müssen wir uns völlig neue Wahrnehmungsorgane ausbilden, damit wir in der Lage sind, in dieser Welt des Geistigen angemessen wahrnehmen zu können.
Es geht somit um eine “Involution”, unser Inneres so umzugestalten, dass wir Wahrnehmungsorgane entwickeln, um in der geistigen Welt wahrnehmend zu werden. Ich möchte an dieser Stelle nicht sagen “sehend” werden, obwohl es ja oft “Hellsehen” oder “Hellsichtigkeit” heißt. Aber dieses Wahrnehmen in der Geistigen Welt hat mit dem physischen Sehen nicht viel zu tun. Sondern es geht vielmehr um ein “geistiges Wahrnehmen”. Und dieses Wahrnehmen vollzieht sich in der menschlichen Seele. Die Seele ist unser Bewusstsein. In der Seele werden uns die Dinge bewusst. Also Wahrnehmungsorgane entwickeln, um selbst im Geistigen Erkenntnisse und Eindrücke zu sammeln. Das ist das, was Rudolf Steiner uns verspricht, wenn wir uns mit den anthroposophischen Inhalten auseinandersetzen. Das heißt also keine Gläubigkeit mehr so wie es früher war, geistiges Wissen vermittelt von Autoritäten, wir nehmen es zur Kenntnis und sagen: “Daran glaube ich!” Sondern von nun an soll es in eine Richtung gehen, in der jeder Mensch durch innere Arbeit Schritt für Schritt in die Lage versetzt wird, selbst in der geistigen Welt zu forschen. Und das ist wirklich sehr spannend und ich kann nur sagen, es lohnt sich, diesen Weg zu gehen. Und damit möchte ich das erste Video beenden und sage Danke fürs Dabeisein und bis zum nächsten Mal!
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