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Die Philosophie der Freiheit - 10. Folge Videokurs von Jac Hielema
Stand 28. Juni 2023: Eva hat mit viel Fleiß und Gefühl die Transkriptionen vom Videokurs mit Jac erledigt. Vielen Dank, Eva, ganz toll! Wir kommen dem Buchprojekt somit einen ganz großen Schritt näher! Mit dem nächsten Schritt werden Glossare (nicht nur Stichworte, sondern auch kurze Ausführungen von den Begriffen) für jeden Vortrag von Jac erstellt und die einzelnen Glossare werden in ein Gesamtglossar münden. BITTE MELDEN, wenn du bei dieser Arbeit MitTun möchtest. Übrigens, die Glossararbeit steht auch an für die Apokalypsevorträge von Wolfgang und für die Vorträge von Christoph Bolleßen. ... Für Weiteres bitte bei François melden. Danke! |
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«... Die Philosophie der Freiheit hat mich gerettet, hat es mir ermöglicht, mein Leben und meine seelische Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen, hat meinem Leben einen Sinn und eine Kohärenz gegeben. ...»[1]
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Transkription von der 10. Folge vom Videokurs
Intro 0:00:00
Liebe Menschen, heute erarbeiten wir uns schon Modul zehn und schließen den ersten Teil der Philosophie der Freiheit ab.
Einleitung 0:00:07
In diesem Modul werden wir das siebte Kapitel besprechen „Gibt es Grenzen des Erkennens?“ Ich werde ein paar Zitate vorlesen und ein bisschen erzählen, worum es eigentlich geht. Die Texte sprechen für sich. Ich habe heute die Texte noch mal gelesen und sie sind sehr schön. Ich habe noch mal gespürt, wie dankbar ich bin, dass Rudolf Steiner die Philosophie der Freiheit geschrieben hat.
Steiners Weltanschauung, eine Art Wiederholung 0:01:25
„Gibt es Grenzen des Erkennens?“ Ich gebe vielleicht besser gleich die Antwort. Es gibt keine Grenze. Die Grenzen, die man sich selber stellt, das sind eigene Grenzen. „Also, was macht Steiner in diesem Kapitel?“ Zunächst beschreibt er seine eigene Weltanschauung. Es ist eine Art Wiederholung. Das ist natürlich nicht seine eigene, sondern das ist Goethes Weltanschauung.
Zitat: Nennen wir die Weise, in der uns die Welt entgegentritt, bevor sie durch das Erkennen ihre rechte Gestalt gewonnen hat, die Welt der Erscheinung im Gegensatz zu der aus Wahrnehmung und Begriff einheitlich zusammengesetzten Wesenheit. Dann können wir sagen; Die Welt ist uns als Zweiheit (dualistisch) gegeben, und das Erkennen verarbeitet sie zur Einheit (monistisch).
Ich habe diese Weltanschauung dann auch relativen Dualismus genannt, weil er fängt ja dualistisch an, ich sehe mich der Welt gegenübergestellt, und wenn ich verarbeite, was ich wahrnehme, wenn ich mit Gedanken denkend die Wirklichkeit verarbeite, dann erst wird das eine Einheit, im Gegensatz zum absoluten Dualismus. Immanuel Kant hat sich diesen absoluten Dualismus ja eigentlich erdacht, entwickelt in seinen Büchern, in seiner Philosophie. Steiner versuchte damals als 14-jähriger zu verstehen, seine eigene Hellsichtigkeit, seine eigene Wahrnehmung der Welt. In Kant hat er keine befriedigende Antwort gefunden.
Goethes Weltanschauung 0:03:45
Später, als junger Mann, bekam er den Auftrag, Goethes wissenschaftliche Arbeit zu verarbeiten. Er ging nach Weimar, wo Goethe gelebt hat. Der war damals 50 Jahre tot. Weil Goethe sehr berühmt war, war sein Haus nie aufgelöst worden. Als Steiner als junger Mann nach Weimar kam und das Haus Goethes besuchte, war es noch genauso, wie als Goethe starb. Vor allem seine wissenschaftliche Arbeit. Niemand hat sich die wissenschaftliche Arbeit von Goethe angeguckt. Steiner war der Erste, der - das stelle ich mir mal so vor, ob es so ist, weiß ich nicht wirklich - aber er war der Erste, der in den Arbeitsraum von Goethe hinein ging, und alles war noch so, wie Goethe es zum letzten Mal hinterlassen hat. Steiner fing dann einfach an zu lesen, was Goethe in seinen Tagebüchern geschrieben hat. Und er öffnete die Schubladen und hat geguckt, was da drin war, und hat gelesen, was er da geschrieben hat. Er hat vielleicht sogar im Müll geguckt, was da noch lag.
Goethes naturwissenschaftliche Arbeit 0:05:12
Also Steiner hat alle wissenschaftliche Arbeit von Goethe verarbeitet und kommentiert. Das sind sieben oder - das weiß ich nicht genau - ich glaube, fünf Bücher geworden. Das ist die GA 1, also das erste Werk Steiners. Wenn er nur dieses Werk in seinem Leben geschrieben hätte, das ist schon für die meisten Leute ein Lebenswerk. Für Steiner war es nur Jugendarbeit. Also das war seine erste Arbeit. Goethe hatte ja eine spezielle Weltanschauung.
Goethes Art und Weise der Naturforschung 0:05:56
Niemand hat eigentlich, so wie Goethe die Natur erforscht und niemand hat sich klar gemacht, wie Goethe das getan hat. Steiner hat es sich klar gemacht und hat dann dieses Büchlein geschrieben „Grundlinien einer Erkenntnistheorie der goetheschen Weltanschauung“, GA 2, das zweite Werk Steiners. Und in diesem kleinen Werk steht beschrieben, wie Goethe sich die Welt angeschaut hat.
In Kürze ist das eigentlich, was wir in den Modulen bis jetzt besprochen haben. Goethe war ein unbefangener, offenherziger Forscher der Natur. Und so muss man ihn sich vorstellen, dass er immer offen war, immer neugierig, dass er sich als Teil der Wirklichkeit fühlte, sich Fragen stellte und sich dann spielerisch Experimente ausdachte und diese in die Tat umsetzte, um so wieder neue Erkenntnisse, neue Antworten zu erhalten. Steiner hat dann dieses Büchlein geschrieben. Aber die ganze Kultur bis auf den heutigen Tag, ist nicht durch Goethes Weltanschauung geprägt worden, sondern durch die Weltanschauung von Immanuel Kant.
Goethes Weltanschauung versus Kants Weltanschauung 0:07:50
Steiner war Doktor - man sagte immer „der Doktor Steiner hat gesagt“, - hat eine Doktorarbeit geschrieben mit dem Untertitel „Vorspiel einer Philosophie der Freiheit“, Haupttitel „Wahrheit und Wissenschaft“. Das ist seine Doktorarbeit. Und diese Doktorarbeit fängt an mit den Worten
Zitat: Die Philosophie der Gegenwart leidet an einem ungesunden Kantglauben. Die vorliegende Schrift soll ein Beitrag zu seiner Überwindung sein.
Diese GA3 ist das dritte Werk Steiners. Diese Schrift versucht also, Kant zu widerlegen. Und warum sage ich das? Weil Kapitel sieben in der Philosophie der Freiheit auch eine Widerlegung von Kants Dualismus ist.
Ich habe später versucht, spielerisch mit diesem Kapitel umzugehen und habe mir vorgestellt, wie Goethe und Kant zusammen Billard spielen. Ich habe mich hineingelebt in Goethes Weltanschauung und in Kants Weltanschauung und mir dann vorgestellt - wenn sie zusammen Billard spielen - was für Dialoge entstehen würden? Wir können das vielleicht manchmal mal spielen, wie das wäre, weil ich glaube, es ist sehr wichtig, sich nicht nur in die Goethe´sche Weltanschauung hinein zu leben und zu fühlen, wie frei man dadurch eigentlich wird und mit wie viel Liebe man die Welt dann entgegentreten kann, sondern man sollte sich auch hineinleben in die Kant´sche Weltanschauung, weil man dann bemerkt, wie unsere heutige Kultur immer noch ganz durch Kant geprägt ist.
Und nur wenn man auf bestimmte Weise Liebe für Kants Weltanschauung aufbringen kann, macht es möglich, dass man damit spielen und sie überwinden kann. Immer wieder sieht man das - auch bei sich selbst - wie man die Neigung hat, die Welt als etwas Fix und Fertiges zu sehen und die eigenen Ideen über die Welt als etwas nur Subjektives. Das ist ein Kant Glauben. Wenn man versucht sich hineinzuleben in Goethes Weltanschauung, - man sollte dann eigentlich immer, wenn man durch die Landschaft geht, sich vorstellen - das ist die Wirklichkeit und die Wirklichkeit, die nehme ich auf der einen Seite wahr und auf der anderen Seite, verstehe ich durch mein Denken die Verhältnisse in dieser Landschaft. Das sind Bäume, da fließt Wasser, da ist die Luft und sind die Wolken und ich bin Teil dieses Ganzen.
Ich gehe jetzt durch die Landschaft, weil ich das so bewusst wie möglich mache, wird die Landschaft sich in mir abdrucken oder hinein fließen. „Ich in der Landschaft, die Landschaft in mir.“ So werde ich eins mit dem Ganzen. Wo Kant immer sagt: „ich bin in der Landschaft, die ich eigentlich nicht kennen kann mit meinen subjektiven Vorstellungen von der Landschaft, die nur subjektive Vorstellungen sind. Das sind zwei verschiedene Anschauungen! Steiner versucht - versucht nicht nur - er widerlegt in diesem Kapitel die Kant´sche Weltanschauung. Er sagt zum Beispiel:
Zitat: Jede Art des Seins, das außerhalb des Gebietes von Wahrnehmung und Begriff angenommen wird, ist in die Sphäre der unberechtigten Hypothesen zu verweisen.
Das ist also eine Aufforderung! Auch für dich selbst! Was weiß ich durch eigene Wahrnehmung und eigenes Denken? Und was glaube ich? Oder was stelle ich mir vor, von dem was hinter dem steckt, was ich wahrnehmen und denken kann? Das ist eine ständige Übung, das zu machen!
Der Unbegriff 0:13:21
Steiner spricht hier: Man kann natürlich mit dem Denken, was eine schaffende Tätigkeit ist, nicht nur fruchtbare, wahre Begriffe erzeugen. Man kann auch Unbegriffe erzeugen, einen inhaltsleeren Begriff, also einen Begriff, den man nicht auf eine Wahrnehmung beziehen kann, also „die Idee der Welt an sich“ oder „das Ding an sich“. Das ist ja ein Begriff, den Kant erzeugt hat. Er hat keinen Inhalt, man kann ihn nicht beziehen auf etwas, was man wahrnehmen kann. Steiner nennt das einen Unbegriff, der nur die Form des Begriffes hat.
Reinigung von Unbegriffen 0:14:12
Versuche mal zu erforschen bei dir selbst, wie viele Unbegriffe in dir walten. Also Kapitel sieben ist wirklich auch eine Aufforderung, dich selbst innerlich zu reinigen, so dass man sich bewusst wird, was ist ein Begriff, ein wirklicher Begriff und einen wirklichen Begriff kann man immer auf Wahrnehmungen beziehen und er klärt Wahrnehmungen auf. Also er zeigt, wie bestimmte Wahrnehmungen sich im Ganzen verhalten und mit wie vielen Unbegriffen man lebt, die man nicht beziehen kann auf irgendeine Wahrnehmung, sondern die abstrakten Unfug walten lassen. Und stelle dir mal vor, wie unsere Gesellschaft oder unser Alltag, unsere Wissenschaft aufgebaut ist auf diese Unbegriffe, die man nicht beziehen kann, auf wirkliche Wahrnehmungen. Zum Beispiel diese unsichtbare Hand.
Dieses siebte Kapitel hat eine reinigende Wirkung, wenn man es studiert. Nicht nur dieses Kapitel, das ganze Buch, Die Philosophie der Freiheit, aber vor allem dieses siebte Kapitel.
Es gibt nur Individuen, Menschen wie Du und ich! 0:16:07
Zitat: Der Anhänger einer monistischen Weltanschauung (man kann auch denken Goethe oder ich) weiß, daß alles, was er zur Erklärung einer ihm gegebenen Erscheinung der Welt braucht, im Bereiche der letztern liegen müsse. Was ihn hindert, dazu zu gelangen, können nur zufällige zeitliche oder räumliche Schranken oder Mängel seiner Organisation sein. Und zwar nicht der menschlichen Organisation im allgemeinen, sondern nur seiner besonderen individuellen.
Also, was steht da eigentlich? Da steht, dass es eigentlich nur Besonderheiten gibt. Es gibt überhaupt keine Allgemeinheiten. Es gibt nur Individuen, Menschen, du und ich. Und wir versuchen, unser Leben möglichst sinnvoll zu leben. Und wir haben besondere Fragen. Und wenn man dann die Philosophie der Freiheit studiert und sich zu eigen macht, wenn man wie Goethe durch das Leben geht, dann weiß man, dass man mit diesen besonderen Fragen leben kann und dass das Leben auch die Antworten geben wird.
Ich lese weiter.
Es gibt keine Grenzen 0:17:58
Zitat: Es folgt aus dem Begriffe des Erkennens, wie wir ihn bestimmt haben, daß von Erkenntnisgrenzen nicht gesprochen werden kann. Das Erkennen ist keine allgemeine Weltangelegenheit, sondern ein Geschäft, das der Mensch mit sich selbst abzumachen hat.
Also ein Geschäft, das ich mit mir selbst abzumachen habe.
Zitat: Die Dinge verlangen keine Erklärung. Sie existieren und wirken aufeinander nach den Gesetzen, die durch das Denken auffindbar sind. Sie existieren in unzertrennlicher Einheit mit diesen Gesetzen. Da tritt ihnen unsere Ichheit gegenüber und erfaßt von ihnen zunächst nur das, was wir als Wahrnehmung bezeichnet haben. Aber in dem Innern dieser Ichheit findet sich die Kraft, um auch den andern Teil der Wirklichkeit zu finden. Erst wenn die Ichheit die beiden Elemente der Wirklichkeit, die in der Welt unzertrennlich verbunden sind, auch für sich vereinigt hat, dann ist die Erkenntnisbefriedigung eingetreten: das Ich ist wieder bei der Wirklichkeit angelangt.
Also hier in diesem Absatz sieben dieses Kapitels wird dann noch geschildert, was ich in Modul neun auch geschildert habe. Dass, wenn wir durch die Landschaft gehen, wir dann Teil einer Wirklichkeit sind, dass die Wirklichkeit sich zeigt durch die Wahrnehmung und dass ich dann denkend die richtigen Begriffe auf diese Wahrnehmungen beziehe und dass ich dann glücklich bin.
Das ist natürlich ein ständiger Prozess, er geht immer weiter. Er hört nie auf. Die Wirklichkeit entwickelt sich immer weiter. Es geht darum, dass man als Mensch an dieser Wirklichkeit teilnimmt und sich aktiv mit der Wirklichkeit verbindet.
Ein "Begriff" oder "Unbegriff", woran erkenne ich das? 0:20:46
Nochmals, ich werde nicht dieses ganze Kapitel vorlesen. Es wird genau gezeigt, was Kant sagen würde oder wie Kant denken würde, wie man sich dann die Wirklichkeit denkt. Steiner zeigt dann genau, welche Unbegriffe dann im Wege stehen, um eine gute Beziehung zur Wirklichkeit zu bekommen. Eigentlich kann man auf diese Art und Weise - wie er das in diesem Kapitel macht - üben, auch bei sich selbst immer gucken: Habe ich hier mit einem Unbegriff oder einem Begriff zu tun?
Und woher weiß man, ob man mit einem Begriff zu tun hat? Kann man eine Erfahrung schaffen und/oder kann man diese in der Erinnerung aufrufen oder - was Goethe immer macht - neue Experimente machen, so dass er wieder neue Erfahrungen hatte, damit man die Begriffe auf diese Erfahrungen beziehen kann oder Erfahrungen auf die Begriffe beziehen kann. Geht das nicht, dann weiß man, dass man mit einem Unbegriff zu tun hat.
Eine Anekdote 0:22:09
Ich bin jahrelang Waldorflehrer gewesen und - ich glaube, das ist in Deutschland auch so - wir fangen immer mit dem Spruch an „Ich sehe in der Welt,.. ich weiß jetzt nicht die deutsche Übersetzung, ich habe es ja nur auf Holländisch getan - aber dieser Waldorfspruch hat Begriffe, zum Beispiel Weltenweiten, Seelentiefen, … solche Begriffe. Überhaupt, wenn man anthroposophische Sprüche liest, da sind ja Wörter, bei denen man eigentlich keine Ahnung hat, was für Wörter das eigentlich sind. Also noch vor ein paar Monaten, als ich eine zwölfte Klasse hatte, habe ich die Schüler gefragt: „Wisst ihr eigentlich, was Weltenweiten sind? Und ihr sprecht von Seelentiefen.
Wisst ihr eigentlich, was das ist? Habt ihr ein Bild davon? Ihre Antwort war: Nein, wir haben kein Bild, das muss man sich mal vorstellen in der zwölften Klasse. Sie sind 18 Jahre alt und seit acht Jahren - ich weiß nicht mehr, wann das anfängt - jeden Tag diesen Spruch und sie haben kein Bild von dem, was sie sagen. Also das finde ich auch für die Waldorflehrer als einen Punkt für Kritik. Was ich dann gemacht habe, ist, Erfahrungen zu schaffen, damit sie diese Begriffe auf etwas beziehen konnten. Also wir haben - statt morgens aufzustehen um den Spruch aufzusagen - uns hingesetzt, die Augen geschlossen und wir haben uns „Weltenweiten“ vorgestellt, wir sind in die Seelentiefen hineingegangen. Damit haben wir Erfahrungen geschaffen, wodurch die Begriffe erst Inhalt bekommen haben.
Wie stelle ich fest, ob es sich um einen „Begriff“ oder „Unbegriff“ handelt? 0:24:26
Das ist sehr wichtig, dass man das immer macht und eigentlich muss man die ganze Philosophie der Freiheit und viele Sprüche, die Steiner gegeben hat so bearbeiten. Da muss man - wie Goethe - ein Experiment erzeugen, indem man die Erfahrungen schafft, die Inhalt für diese Begriffe geben. Oft öffnet sich dann eine neue Welt.
Umgekehrt, wenn man Kant liest - die meisten Leuten werden das heutzutage nicht mehr machen - oder wenn man einen Artikel in der Zeitung liest oder einen wissenschaftlichen Artikel oder ein intellektuelles Buch und man da auf Begriffe stößt und sie nicht auf eine Wahrnehmung beziehen kann, halte an und suche nach Möglichkeiten - entweder eine Wahrnehmung zu schaffen oder gehe im Text noch mal zurück und schaue, worum es hier eigentlich geht. Oft entdeckt man, dass es ein Unbegriff ist und dann weiß man eigentlich, dass dieses Buch inhaltsleer ist. Das kann man auch bemerken, wenn man einen abstrakten Artikel liest, er bleibt ein bisschen leer. Man versteht eigentlich nicht, was man damit tun soll.
Zusammenfassung und Schlusswort 0:26:08
Ja, liebe Leute, ich schließe jetzt nicht nur Modul zehn ab, sondern auch diese erste Reihe von Modulen, worin wir den ersten Teil der Philosophie der Freiheit besprochen haben. In diesem letzten Modul „Gibt es Grenzen des Erkennens“, will ich noch mal betonen: „Worum geht es denn eigentlich?“ Es geht darum, dass man sich selbst auf eine gesunde Weise in die Wirklichkeit stellt, indem man sich bewusst wird, dass man immer Fragen stellen kann und dass das Leben die Antworten geben wird, wenn man aus dem Leben heraus sich Fragen stellt. Konkrete Fragen, praktische Fragen, dann kann man auch vertrauen darauf, dass die Antworten kommen.
Übung - Selbsterforschung - Begriff - Unbegriff 0:27:20
Ich schließe immer mit Übungen ab. Die Übung, die aus diesem Kapitel folgt, ist, dass man bei sich selbst erforscht, aber auch was man im Alltag so in Artikel lesen kann oder in den Medien hören kann, dass man unterscheidet zwischen Begriffen und was Steiner hier Unbegriffe nennt.
Also ein Begriff klärt auf. Einen Begriff kann man immer auf eine Erfahrung oder eine Wahrnehmung beziehen oder umgekehrt. Eine Erfahrung oder Wahrnehmung kann man auf einen Begriff beziehen. Und dann entstehen Vorstellungen, Bilder, innerliche Bilder, mit denen man leben kann.
Aber Unbegriffe - in den letzten 200 Jahren oder vielleicht länger schon - haben wir viele Unbegriffe gebildet und Unbegriffe, die wirken, die walten auch, die schaffen auch Wirklichkeit. Man könnte vielleicht sagen die schaffen Unwirklichkeit.
Beispiele von "Unbegriffen" 0:28:43
Zum Beispiel die Idee der Atome, dass die ganze Welt, die Substanz der Welt aus Elementarteilchen - eben „Atome“ besteht. Niemand hat bis jetzt Atome wahrgenommen. Man hat nur gedacht, die Welt muss irgendwie aus den Elementarteilchen aufgebaut werden. Und das haben die Leute Atome genannt. Wir sind damit in der Schule erzogen worden. Unsere Kultur denkt, wir sind aus Atomen gemacht.
Man kann natürlich Techniken entwickeln aufgrund dieser Modelle. Die Techniken, die da rauskommen, Atomkraft, Atombomben, die sind immer destruktiv. Steiner hat von Unternatur gesprochen. Wenn wir aufgrund von Unbegriffen Wirklichkeit schaffen, schaffen wir Unternatur, was dann unmenschlich wird. Es wird Unternatur, Unwirklichkeit.
Ein anderes Beispiel in der Physik ist schwarze Materie. Die Wissenschaftler behaupten, dass 97 % unseres Universums aus schwarzer Materie besteht. Und das haben sie sich gedacht, weil sie eine Formel hatten mit einem Fehler, und dann haben sie gedacht, wenn wir jetzt schwarze Materie da rein denken, dann stimmt sie wieder, diese Formel. Und seitdem werden Millionen in Maschinen gesteckt, welche irgendwie beweisen sollen, dass es schwarze Materie gibt. Es ist aber ein Unbegriff!
Als Aufgabe möchte ich geben, dass man sich immer klar macht: „Habe ich hier mit Begriffen oder mit Unbegriffen zu tun? Kann ich diesen Begriff auf eine Wahrnehmung beziehen und so persönliche Vorstellungen erzeugen oder nicht?“ Man wird bemerken, dass, wenn man mit Begriffen zu tun hat - also Vorstellungen erzeugt - dass man wächst, dass man als Mensch immer mehr auf sich selbst vertrauend, sein Leben leben kann.
Wenn man sich Unbegriffen hingibt, kann man bemerken, dass man in Unsicherheit bleibt, sogar in Angst leben kann, weil man ja immer Autoritäten braucht, die sagen: „Ja, das ist wahr“. Und man hat kein Gefühl, dass es da irgendwie Wahrheit gibt.
Schlusswort 0:32:11
Ja, liebe Menschen, ich danke euch für eure Aufmerksamkeit fürs Mitmachen und ich verspreche euch, dass wir auch den zweiten Teil machen werden. Bis dann.
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Einzelnachweise
- ↑ Ausschnitt aus einem Zitat von Jac Hielema vom 25. März 2023, welches als Testimonial zur GA 4 gemeint war