Eine freie Initiative von Menschen bei anthrowiki.at, anthro.world, biodyn.wiki und steiner.wiki mit online Lesekreisen, Übungsgruppen, Vorträgen ... |
Use Google Translate for a raw translation of our pages into more than 100 languages. Please note that some mistranslations can occur due to machine translation. |
Geistiger Aufbruch in Zeiten des Umbruchs - Ein Vortrag von Dr. Wolfgang Peter
alle Vorträge von Wolfgang Peter ◁ |
Videodokuanthro.wiki |
ThemenschwerpunktDer von Dr. Wolfgang Peter an Michaeli 2022 in Linz (Österreich) gehaltene Vortrag stellt mit dem Titel "Geistiger Aufbruch in Zeiten des Umbruchs" den Themenschwerpunkt bereits trefflich in den Fokus unserer Aufmerksamkeit. Beginnend und abschließend mit dem 26. Wochenspruch des Anthroposophischen Seelenkalenders zu Michaeli führt er uns in das rhythmische Gefüge des von der Natur vorgegebenen und in unserem Seelenleben fühlend-reflektierten Jahreslaufs: sich scheinbar wiederholend und doch in jedem Jahr neu und unwiederholbar in seiner Wirk-lichkeit. Von uns als ganz besonderen geistigen Wesen wird jetzt in unserem Bewusstseinsseelenzeitalter, das noch bis etwa zum Jahr 2230 unter der Regentschaft Michaels steht, zwingend gefordert, dass wir im Sinne der uns von der geistigen Welt geschenkten einzigartigen Handlungsoptionen mit der Mut-Kraft Michaels, hinter der wir die unerschöpfliche Christus-Kraft finden und in unserem Ich erwecken können, aus der Freiheit heraus die bewusste Gestaltung und gelingende Weiterentwicklung der Welt verantwortungsvoll in unsere Hände nehmen. Dabei ist unsere Auseinandersetzung mit dem "Bösen" in der Welt unumgänglich, da nur in der bewussten Wahl für das "Gute" der Weg in die Freiheit möglich wird; durch bewusste Wahl des "Bösen" allerdings auch der Weg in die Unfreiheit, auf den uns die immer machtvoller wirkenden Widersacherkräfte im Dienste Sorats locken wollen, um uns so aus der regulären siebenstufigen kosmischen Entwicklung unserer Erde heraus in ihr Reich zu ziehen und uns so letztlich unserer welt-schöpferischen Kräfte zu berauben. Uns wird aufgezeigt, wie wir mit kleinen Schritten in unserem Alltag im bewussten und mutigen Wahrnehmen nicht nur karmische Verfehlungen der Vergangenheit ins Nichts auflösen, sondern aus dem Nichts heraus Neues schaffen können - ohne uns im Dschungel der Versuchungen zu verirren. Für die Arbeit an uns selbst hat uns Rudolf Steiner die sogenannten sechs Nebenübungen gegeben: Mit den ersten drei Übungen können wir lernen, unsere Gedanken, unseren Willen und unser Gemüt zu kontrollieren und so einen Weg zu ebnen zu einer friedvolleren und von Liebe getragenen Begegnung mit uns selbst, mit unserem Gegenüber und mit allen Wesen. |
Transkription des Vortrags (von Susanne und Ghislaine am 26.11.2022)
Begrüßung und Wochenspruch zu Michaeli 0:00:03
Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich wirklich, wieder mal hier sein zu dürfen, nachdem wir diese lange Pause eigentlich hatten. Zwischendurch waren wir mal im Loidholdhof, da ging's - ein bissel außerhalb. Aber jetzt hier - ich glaube, es ist jetzt schon über zwei Jahre her, dass ich da war. Zweieinhalb Jahre, glaube ich…
Aus dem Zuhörerkreis: "Wo? Im Loidholdhof?"
Na, hier, hier, hier, wegen Corona war nichts. Und das zeigt schon, dass wir in schwierigen Zeiten leben oder gelebt haben, aber ich glaube noch weiter leben. Also drum: "Geistiger Aufbruch in Zeiten des Umbruchs". Ich denke, es ist wirklich eine Zeit des Umbruchs, aber das hat durchaus seine auch sehr positive Seite. Aber was mir sonst noch aufgefallen ist… eigentlich haben wir das gar nicht so bewusst bedacht: Es ist heute Michaeli, der 29. (September). Und ich habe mir gedacht, ich leite das heute mit dem Michaelsspruch ein - aus den Wochensprüchen von Rudolf Steiner, weil da schon sehr viel drinnen steht, was die Charakteristik unserer Zeit ist; wir stehen in einem Michael-Zeitalter.
Es ist nämlich der 26. Wochenspruch. Also für die, die die Wochensprüche nicht kennen: Rudolf Steiner hat für jede Woche des Jahres einen bestimmten Spruch gegeben, der ausdrückt die Stimmung, die die Natur zu dieser Zeit hat, und welche Wirkung das auf uns hat. Das ändert sich im Laufe des Jahres. Es ist zum Beispiel in der Sommerzeit - Sie werden das sicher selber erleben - ist man mehr mit der Seele draußen, in der Natur, in der Sinneswelt draußen. Je mehr es dann in den Herbst geht, wenn es kalt wird, zu regnen beginnt, vielleicht zu schneien beginnt, dann zieht man sich mehr in sich selbst zurück, auch in die Häuser zurück, ist also mehr bei sich selbst. Und diesen Rhythmus machen wir im Jahreslauf durch. Aber wir machen ihn auch im ganz Kleinen, mit jedem Atemzug zum Beispiel, durch.
Unterbrechung: Kommen Sie nur herein, Sie haben noch nichts versäumt. Das ist erst die Einleitung.... Macht nichts. Na, wir brauchen das für die Kamera. Ja, genau. Ja. Nein, ich bleib da stehen. So... So, geht's so?… Passt .... Macht nix. Macht nix. Bewegung ist gut, wenn Bewegung drinnen ist.
Also, es ist heute Michaeli. Und es kommt der Wochenspruch. Und dann werde ich gleich an das ein bisschen anknüpfen. Es ist also der 26. Wochenspruch. Die Wochensprüche beginnen mit dem Ostersonntag. Dann sind wir mal hinausgeflogen in die Natur, in die sonnige Welt im Sommer. Und jetzt zieht's sich langsam wieder ins Innere zurück. Das heißt, wir kommen zu uns, wachbewusst zu uns, hoffentlich, mehr oder weniger wachbewusst zu uns, und haben aber viele Früchte aus der Sommerzeit - Frühjahrs- und Sommerzeit - mitgenommen. Und jetzt sollen wir sie zum Leuchten bringen. Und so nimmt sich das aus in den Worten Rudolf Steiners:
Natur, dein mütterliches Sein,
Ich trage es in meinem Willenswesen;
Und meines Willens Feuermacht,
Sie stählet meines Geistes Triebe,
Dass sie gebären Selbstgefühl,
Zu tragen mich in mir.
Also etwas, wo wir ganz zu uns kommen sollen. Das ist, glaube ich, was ganz, ganz Wichtiges. Wir stehen heute in einer Zeit des Umbruchs, die uns aber auch die große Chance gibt, einen ziemlichen Sprung in Richtung geistigen Aufbruch zu machen. Das ist das Interessante, dass große Entwicklungen eigentlich immer sich anknüpfen an große Umbruchsituationen und Schwierigkeiten auch. Da ermöglicht sich es, dass etwas Neues wachsen, etwas entstehen kann. Und wir Menschen sind eigentlich prädestiniert dazu, Neues in die Welt hineinzustellen, denn wir sind als geistige Wesen etwas ganz Besonderes: Wir haben die Möglichkeit zur Freiheit - ich habe jetzt kurz gezögert, weil es nicht immer so schon verwirklicht ist -, aber wir haben die Möglichkeit, aus Freiheit heraus zu gestalten, zu entscheiden, die Welt weiterzubringen - in einer guten Art, manchmal auch in einer schlechten Art. Und damit, mit dieser Freiheit des Menschen - mit der Möglichkeit zur Freiheit - hängen die großen Dinge zusammen, die wir erreichen können, aber genauso auch die großen Schwierigkeiten, durch die wir gehen müssen dazu.
Das Böse in der Welt: Der hohe Preis dafür, dass der Mensch ein freies Wesen werden soll 0:05:49
Man kann sich ja fragen: Warum gibt es das Böse in der Welt? Warum gibt es so viel Unheil in der Welt? Man braucht ja nur hinausschauen, was alles war. Die Corona Krise haben wir gerade hinter uns gebracht, aber wir haben schon x andere Krisen, sei es im Wirtschaftssystem, im Finanzsystem… da kriselt's eigentlich schon die letzten zwanzig, dreißig Jahre vor sich hin - und das spitzt sich immer mehr zu. Wir haben die Kriegssituation nicht nur in der Ukraine. Wir haben in Wahrheit an so vielen Stellen der Welt Kriegssituation - und wo viele, viele Menschen leiden darunter. Und manchmal, und das haben sich schon viele Leute gefragt: "Ja, hätte es der liebe Gott nicht besser einrichten können, dass die Welt friedlicher wäre, harmonischer geordnet? Müsste Ihm doch möglich gewesen sein." Theoretisch ja. Aber nicht, wenn der Mensch ein freies Wesen sein sollte. Und das ist das Große, was mit dem Menschsein verbunden ist, dass er ein freies, schöpferisches Wesen sein kann. Das heißt, er kann eigentlich im Grunde aus dem Nichts, aus sich heraus, aus seinem Ich heraus, neue Einfälle, neue Ideen bringen, neue Gestaltungen in die Welt schaffen. Und gerade diese Einfälle, diese kreative Tätigkeit, die kommt aus dem Tun.
Über den Verstand hinaus: Kreativität und Lebendigkeit beginnen mit der kleinen Abweichung, in der das Ich des Menschen wirkt 0:07:20
Kreativität kommt nie bloß aus dem abstrakten Verstand. Der Verstand hat aber die große Aufgabe, uns bewusst zu machen, was da herauskommt. Also ein Künstler, der nur aus dem Kopf heraus schafft - verzeihen Sie, wenn ich das dezidiert sage - ist kein Künstler. Er ist ein Konstrukteur, das mag er perfekt sein, aber in der Kunst setze ich mir zwar ein bestimmtes Ziel, aber wie ich das dann erreiche, da muss ich bei jedem Handgriff, den ich tue, schauen, wie das geht. Und da kann in jedem Moment was Neues entstehen. Ein Musiker, der ein komponiertes Stück vorträgt: Da ist alles scheinbar vorgegeben. Und doch, die kleinen Nuancen, die er ganz individuell hineinbringt, die machen es aus, die machen das Werk erst fertig. Und Sie werden sehen: Begabte Künstler, jeder wird ein Werk - weiß ich nicht, vom Bach oder von sonst wem -, jeder wird es anders spielen. Es wird kleine Unterschiede geben. Und wenn man hinhört, hört man es. Und da hört man das Ich des Menschen. Dort wird es hörbar, dort wird es greifbar. Und wir machen es in Wahrheit, ohne dass es uns bewusst ist, den ganzen Tag. Wir können gar nicht anders, weil wir Menschen sind. Wir sind nicht Maschinen, die nach einem fertigen Plan funktionieren und arbeiten - vorherberechenbar. Damit könnte ich eine wunderbare Ordnung machen, aber sie wäre vollkommen tot. Keine Entwicklungen; wie man sich ja in der Vergangenheit manchmal auch den Kosmos vorgestellt hat: als großes Räderwerk, wie ein großes Uhrwerk, wo alles eins ins andere greift und alles letztlich von Anfang bis zum Ende vorherbestimmt ist. Das heißt, es gibt eigentlich nichts Neues drinnen - und es läuft ewig, ewig weiter in der Art. Wir Menschen sind in Wahrheit ganz anders. Wir haben natürlich auch das.
Es gibt viele Regelmäßigkeiten in der Natur, aber das Entscheidende ist dort, wo Sie immer um einen Strich danebenliegen, ein Stück abweichen. Man muss, wenn man ein Musikstück spielt, im Takt bleiben. Man muss den Rhythmus halten, aber bissel länger, bissel kürzer manchmal. Die Zeit ist beweglich drinnen. Es ist nicht der starre Metronom. Dann bin ich im Maschinentakt drinnen. Sie können heute wunderbar das komplexeste Musikstück vom Computer vorspielen lassen; der kann die Noten lesen und kann das runterspielen, aber es ist immer der starre Takt. Und selbst wenn man jetzt noch raffinierter ist - Programmierer machen das -, dass sie Abweichungen hineinbauen, weil man schon gemerkt hat: "Ach, wenn's immer ganz auf eine Zehntelsekunde gleich ist, wirkt es tot irgendwie." Man muss einmal selber versuchen, es zu hören. Wenn Sie die Gelegenheit haben, so ein Programm zu hören: Es klingt tot! Irgendwie klingt es tot. Das ist exakt, es ist die Ordnung, eine strenge mathematische Ordnung drin - und trotzdem ist es tot. Es fehlt diese kleine Abweichung, diese kleine Nuance, die es jedes Mal anders macht. Jedes Mal anders.
Und darin wirkt das Ich des Menschen. Das ist nicht bloß Zufall. Da wirkt die ganze Seelenstimmung, die ich drinnen habe. Wenn ich vielleicht jetzt gerade in einer melancholischen Stimmung drinnen bin und dem Werk begegne, wird es anders sein, als wenn ich gerade in einer heiteren Stimmung herangehe. Und das ist gut, dass man das merkt, weil der Vortragende ist nicht nur ein Werkzeug des Komponisten, sondern er ist jemand, der das Werk als Basis nimmt und weitergestaltet und etwas Eigenes macht. Und das heißt, das können wir auch machen. Jeder kann das machen im Kleinen. Es kommt nicht darauf an, ob man jetzt vielleicht gut genug ist, dass man in die Staatsoper geht oder sonst wo oder den Musikvereinssaal füllt. Das muss es nicht sein. Es kann im ganz Kleinen sein. Dort tun wir es. Und "Geistiger Aufbruch" heißt, sich dessen bewusst zu werden. Auch bewusst zu werden bei den anderen Menschen, denen man begegnet, zu sehen: "Was geht in dem vor? Was ist da heute los?" Nur so eine kleine Ahnung. Man muss jetzt nicht eine psychologische Studie machen, aber wach sein, mitbekommen: "Wie geht's dir eigentlich?" Man muss es gar nicht einmal aussprechen. Das geht selbst bei Begegnungen, die ganz flüchtig sind. Man wechselt vielleicht gar kein Wort, man begegnet der Kassiererin im Supermarkt, oder was. Und es ist ein kurzer Blickkontakt, ein Lächeln oder Nicht-Lächeln; wenn man genauer hinschaut, spürt man: Wie geht's dir? Das sind Begegnungen. Und die Welt besteht eigentlich in Wahrheit aus der Begegnung geistiger Wesen. Das ist die eigentliche Realität. Das, wo ich drauf klopfen kann, nennen wir Realität.
Woraus besteht die Wirklichkeit? 0:12:34
Die Wirklichkeit besteht aber nur aus geistigen Wesen. Die Naturwissenschaft ahnt das bereits. Weil, wenn ich da jetzt hineinbohre und mich vertiefe in die Materie, dann komme ich als Physiker heute drauf: Ja, Materie ist eigentlich ein Unbegriff. Ich greife eigentlich ins Leere. Die kleinen Dinge, Atome, Elementarteilchen sind im Grunde nichts anderes als ein abstraktes Konzept. Aber Dinge sind dort drunten nicht. Gesetzmäßigkeiten wirken, Kräfte wirken in einer gesetzmäßigen Form, aber das ist alles. Also das heißt, diese harten Dinge sind nur Erscheinungen. Wenn viele solcher Kräfte zusammenwirken, dann erscheint das, und dann ist es der Boden, der mich sogar trägt. Aber in Wahrheit, was ist es? Rudolf Steiner sagt: "Kraft ist die einseitig räumliche Erscheinung des Geistes." "Die einseitig räumliche Erscheinung des Geistes." Das heißt, überall, wo Kräfte tätig sind… und selbst im härtesten Stoff, der sich nicht rührt, sind ununterbrochen Kräfte tätig. In Wahrheit ist eine immense Bewegung drinnen in dem Tisch: Wärmebewegungen, alles Mögliche, was sich dadrin tut, rasende Bewegungen eigentlich drinnen. Und nur nach außen hin erzeugt es den Eindruck der Festigkeit.
Es gibt so ein ganz nettes Experiment, dass man sogar wirklich machen kann: Man nehme eine Gabel - also, weiß ich nicht, wie eine Heugabel oder was - und hängt sie an einen Elektromotor und lässt sie sich drehen. Wenn sie sich schneller dreht, werden Sie sehen, dass das langsam dann ausschaut wie ein Becher, weil, man sieht nicht mehr die einzelne Gabel, sondern durch die schnelle Drehung schaut es wie ein Becher aus. Und der Witz an der Sache ist: In diesen Becher kann ich auch wirklich Wasser einfüllen - und es rinnt nicht durch, obwohl es eigentlich nur eine Gabel ist. Das müssen Sie nur schnell genug drehen! Also, je mehr Bewegung, je schneller, desto weniger Stoff brauche ich, sozusagen. Und in Wahrheit ist alles rasende Bewegung! Und die bringt nach außen hin die Erscheinung des Festen. Das heißt, dahinter steckt Geist.
"Gottes Plan": Den Menschen als einzigartiges freies geistiges Wesen zu schaffen, das sich für die Freiheit von allen guten Geistern verlassen fühlen muss 0:14:54
Und wir haben ihn in anderer Art: Wir können ihn in unserem Bewusstsein zum Erwachen bringen, das Geistige. Und erkennen drinnen die Schöpferkraft, die drinnen steckt. Das ist es. Ich meine, ich will jetzt mich nicht erfrechen, den Gottesplan zu interpretieren, aber doch: Meine Kurzformel dafür, für Gottes Plan ist: Er wollte ein freies geistiges Wesen schaffen mit dem Menschen - und das gab es noch nie. Das gab es vorher noch nie. Selbst wenn man jetzt in der Religion oder sonstwo von Engeln, von anderen geistigen Wesenheiten spricht, auch in der Kirche, die Gott dienen: Sie sind viel, viel höher, viel, viel geistiger in gewisser Weise als der Mensch, aber eines sind sie nicht: Sie sind nicht frei. Sie sind nicht frei. Sie empfangen aus den größten Höhen, was die Gottheit herunterfließen läßt, und damit erfüllen sie ihr Inneres und aus dem heraus werden sie tätig. Bei uns Menschen hätte es auch so sein können, dann wären wir halt der kleinste Engel oder irgend so was, die unterste Stufe. Aber nein, wir sind aus dem Paradies, das heißt aus der himmlischen Welt, hinausgeworfen worden. Ja, weil da die Eva dem Adam den Apfel gegeben hat und selber reingebissen hat; wie auch immer, ist ja nur ein Bild. Aber was ist das Großartige dran? Wir sind in eine Welt versetzt worden, wo wir, ja, von allen guten Geistern - zeitweise zumindest - verlassen sind. Und daraus entstehen die ganzen Schwierigkeiten, die wir in der Welt haben. Alles Leid, Tod, Kriege, Unglück, alles das entsteht aus dem heraus, weil wir eben nicht diese perfekte Harmonie haben, wo alles von Haus aus zusammenwirkt und zusammenstimmt, sodass es immer in Ordnung ist.
Über unser Ego hinaus: Wir mit unserem winzig kleinen Ich haben die Chance bekommen, die Welt der Zukunft zu bauen 0:16:59
Man nehme nur unseren Organismus: Er ist so wunderbar gebaut, dass er doch einen Großteil des Lebens funktioniert und ein Wunderwerk eigentlich ist. Also, auch unser ganzer physischer Körper ist ein Wunderbau: Wie das alles zusammenwirkt und was der alles aushält, in Wahrheit. Und trotzdem kann es dann da und dort Schwierigkeiten geben: Damit wir die Freiheit erwerben. Damit wir die Freiheit erwerben. Das ist das Große. Damit ist eigentlich nichts anderes ausgedrückt, als dass dem Menschen mit seinem winzig kleinen Ich die Chance gegeben werden soll, unmittelbar dieselbe schöpferische Kraft - halt im Kleinen - rege zu machen, wie sie die höchste Gottheit hat. Und aus Freiheit. Und die Gottheit sagt noch mehr; sie sagt: "Ja, das bestimmt die Zukunft. Ihr baut die Welt der Zukunft. Nicht ich, der liebe Gott und meine Engel, bauen euch eine fertige Welt, in die ihr euch hineinsetzt, sondern ich habe euch eine Basis gegeben, ich habe euch die Grundlage gegeben, aber wo es weiter geht, bestimmt ihr." Das ist das Große drinnen. Und das heißt, es geht in unserer Zeit drum, wirklich dieses Bewusstsein für unser Ich zu entwickeln. Und da gibt es eine große Hürde dabei: Weil, was wir meistens verwechseln mit unserem Ich, ist unser Ego. Das ist noch was anderes. Das Ego ist: "Ich muss das für mich haben. Ich muss möglichst viel Geld haben. Ich muss ein möglichst großes Haus haben. Ich muss ein möglichst großes Auto haben. Aber nur für mich. Für niemand anderen. Nur zu meiner eigenen Befriedigung." Das haben wir im Kleinen und im Großen alle. Wir müssen es sogar haben. Ich meine, wir müssen schon ein Stück Brot zumindest oder irgendwas zu essen haben für uns. Und das herzuschenken und selbst zu verhungern, ist schon sehr schwierig. Es zu teilen irgendwo, ja, aber wenn es für zwei nicht reicht, wird's ein Problem. Also, wir müssen auf Erden dieses Ego auch haben.
Im Verschenken die Welt neu entstehen lassen: Mit der Kraft der Liebe wird Schöpferisches unerschöpflich 0:19:21
Aber Ego ist genau das Gegenteil des Ich. Das Ich ist etwas, was im Grunde aus dem Nichts heraus etwas erschafft; aus einer rein geistigen Kraft heraus etwas erschafft, einen Impuls gibt der Welt, der nur durch dieses Ich hereinkommen kann, wenn es will - und das aber zu verschenken an die Welt - so wie die Gottheit selbst. Die Gottheit verschenkt sich eigentlich - und dadurch entsteht die Welt. Also das heißt, schöpferisch geistig tätig sein, heißt sich verschenken - und interessanterweise gerade dadurch, geistig immer reicher zu werden. Denn mit alledem, was ich verschenke - geistig - wachsen meine Fähigkeiten. Wachsen meine Fähigkeiten. Und das heißt, was ist diese geistige Tätigkeit? Es ist die Kraft der Liebe. Rudolf Steiner gebraucht einmal ein wunderschönes Bild, oder öfter sogar, für die Liebe: ein Glas, das man ausgießt und das dadurch immer voller wird. Im Physischen funktioniert das nicht. Im Geistigen ist genau das das Prinzip. Je mehr die Quelle sprudelt und sich verschenkt, umso reicher wird sie, umso mehr sprudelt heraus. Also, genau das Gegenteil, wie es im Physischen ist - und das steigert sich immer mehr.
Wenn man mal drinnen ist, merkt man, wie das passiert. Ein Künstler, wenn er drinnen ist und die Werke herauswirft geradezu aus sich, wenn er in einer guten Phase drinnen ist, merkt das. Mit jedem schöpferischen Akt wachsen seine Kräfte. Und im Grunde geht es das ganze Leben durch, dass sie wachsen, diese Kräfte. Also, Schöpferisches ist unerschöpflich, in Wahrheit, unerschöpflich. Und es schafft ja im Grunde aus dem Nichts. Das heißt, nicht aus irgendeinem Vorwissen heraus, nicht: "Ich muss mir jetzt ein Buch kaufen, wie male ich ein gutes Bild." Das kann ich mir schon kaufen, aber da wird der schöpferische Impuls nicht rauskommen. Was herauskommt, ist vielleicht die Maltechniken, die es gibt; das kann ich alles studieren. Aber die Maltechniken allein machen noch nicht wirklich ein Kunstwerk aus, sondern zum Schluss kann ich alle diese Techniken - und jetzt stehe ich vor der leeren Leinwand. Was mache ich jetzt? Wie tue ich? Das ist geradezu der magische Moment, diese Leinwand vor sich zu haben, und: Wie fange ich an? Und heute kann ich ganz kreativ sein, es wird ja heute sehr viel gemacht. Wir sind ja schon ziemlich in der Malerei weg über die gegenständliche Malerei, es kann ganz abstrakt auch werden. Ich kann vielleicht wirklich nur eine Farbe nehmen und drüberschütten. Und auch da macht's aus, wie ich's tue. Ist ein Impuls dahinter oder nicht? Ich meine, jeder kann irgendwie einen Kübel Farbe wo drüberschütten. Aber gewusst wie! Wenn ich wirklich etwas erlebe dabei, dann wird das in dem Bild drinnen sein, trotzdem. Es ist halt schwer zu lesen dann; eröffnet halt Tür und Tor für alle mögliche Scharlatanerie, weil, wer kann das schon unterscheiden so schnell? Da in dem einen Bild sind Farbflecken: rot, blau, grün. Und in dem anderen sind auch Farbflecken: rot, blau, grün. Das eine kann ein Meisterwerk sein, und das andere ist gar nichts. Es ist a bissel hingepatzte Farbe. Es hängt ganz stark ab davon, was der Mensch im Schaffen wirklich erlebt. Wenn er nur erlebt: "Na, das werde ich aber jetzt teuer verkaufen, weil das ist gerade 'in', das kauft man jetzt", dann wird nichts drinnen sein - oder nur halt sein Ego ein bisschen drinnen leben. Wenn er es aus einem tiefen Impuls heraus macht, kann ganz, ganz viel darin liegen.
Weil, das große Rätsel ist ja überhaupt: "Wie kann ich ein rein geistig Erlebtes in die Sinneswelt tragen?" Wie erlebe ich ein Geistiges? Das ist das große Rätsel! Die Sinnesqualitäten oder so sind es schon nicht mehr. Wenn ich sage: "Ich erlebe die Aura eines Menschen; ich sehe Farben", ja, aber keine sinnlichen Farben. Wer drauf wartet jetzt, dass die Neonlamperln leuchten, sozusagen, rundherum, wird lange warten und sich denken: "Fix, warum werde ich nicht hellsichtig?" Er ist es vielleicht schon längst - und hat es nur noch nicht mitgekriegt. Wir sind's nämlich in Wahrheit alle. Nur kriegen wir's nicht mit. Das ist das Problem.
"Kraft ist die einseitig räumliche Offenbarung des Geistes": Zum Rätsel von Materie und Bewusstsein 0:24:33
Es ist eigentlich so ganz, ganz nahe, das alles, weil, in der Welt herum, in Wahrheit, besteht alles letztlich aus Geistigem, selbst der Stoff, wie ich das erzählt habe: "Kraft ist die einseitig räumliche Offenbarung des Geistes." Eigentlich gibt's nichts anderes. Und es ist halt für uns, für unser Bewusstsein, aber sehr verschleiert, dass es so ist. Wir kriegen's nicht mit. Wir sehen also nur die äußere Schale, nicht den Prozess des Werdens. Der schöpferische Moment ist es eigentlich und die immer wieder schöpferische Erneuerung. In der Welt des Kleinen passiert das ununterbrochen. Die Bausteine der Materie sind eigentlich ununterbrochen in Bewegung, im Sinne von: Sie verschwinden, entstehen und verschwinden, entstehen... Es brodelt eigentlich geradezu. Das Nichts kocht, sozusagen, da kocht immer wieder was heraus - und in etwas hinein verschwindet es. Also, ganz interessant, die materialistische Physik kommt dorthin, eigentlich letztlich zu sagen: "Ja, der Materialismus, ja, als Wort nehmen wir es natürlich. Also, wir wollen aber nicht, dass jetzt der liebe Gott uns sagt, wie das sein soll." Und sie haben recht damit, weil, wenn ich statt Naturgesetze zu suchen, sage: "Ja, der liebe Gott hat's gemacht", dann verstehe ich gar nichts.
Ich kann natürlich eine weitere Stufe gehen, dann kann ich versuchen zu verfolgen: "Ja, wie ist denn das wirklich aus dem Geistigen heruntergekommen?" Aber das ist jetzt nicht primär die Aufgabe der Physiker. Aber dass sie sagen: "Bitte, kommt mir nicht mit irgendwelchen Phantastereien, wo ihr nicht weiter wisst und dann immer sagt, der liebe Gott hat's gemacht." Das führt uns nicht weiter. Und darum ist es gut, dass wir heute auch in einer Zeit des Materialismus leben, dass wir alles das erforschen, was wir eigentlich nicht sind als geistiges Wesen. Und dann (allerdings) zu erkennen: Dahinter, hinter der Erscheinung, steckt aber auch Geistiges. Und dort kommen wir jetzt hin. Ich meine, die Hirnforscher rätseln drum: Wie entsteht das Bewusstsein? Man weiß mittlerweile sehr gut, wie - wie soll ich jetzt sagen - Rechenvorgänge oder sonstwas im Gehirn passieren, wie das Gehirn Muster erkennt - ich sage jetzt bewusst "das Gehirn". Nur das hat alles mit Bewusstsein nichts zu tun. Von dem kriegen wir alles nichts mit. Aber wie entsteht das Bewusstsein? Und bis jetzt sind sie auf noch nichts wirklich Definitives gekommen. Ich meine, sie vermuten zwar, wo sehr viele Nervenzellen gerade zusammen blitzen und leuchten und elektrisch tätig sind, dort könnte mehr Bewusstsein vielleicht sein. Aber was Bewusstsein ist, wie es durch das Blitzen und Leuchten von einem bissl Elektrizität im Hirn passieren soll, weiß kein Mensch noch auf naturforscherischem Wege.
Bewusstes und Unbewusstes - Prozesse des Zerstörens und des Aufbaus: Im Alter können wir immer bewusster werden 0:27:36
Also, in Wahrheit entsteht das Bewusstsein ganz, ganz anders. Das Bewusstsein hängt, interessanterweise, zusammen mit Abbauprozessen, mit Zerstörungsprozessen eigentlich. Im Gehirn wird ununterbrochen… wenn nur ein Nervenimpuls durchgeht, wird der Nerv zumindest für ganz kurze Zeit so blockiert dadurch, so zerstört, dass er jetzt für ein paar Millisekunden nicht mehr reagieren kann. Dann muss er sich erst regenerieren - und dann geht's. Am Unbewusstesten sind die Prozesse, die reine aufbauende Lebensprozesse sind. Da kriegt man gar nichts mit. Das Hirn da oben, der Kopfbereich, man könnte sagen, das ist der Tdespol. Der da oben (Wolfgang zeigt auf seinen Kopf), aber der macht uns wach. Dort, wo wir sterben, werden wir wach. Und daher ist auch eine gute Chance: Je älter wir werden, desto mehr Bewusstsein könnten wir erwerben. Es hängt aber an der Freiheit des Menschen, wieviel er das nützt, was von Natur aus einmal als eine Basis gegeben ist, dass eben Abbauprozesse und dergleichen mit dem Alter zunehmen. Das ist eine Chance, immer bewußter zu werden. Also, Sie sehen auch, da sind die… Wir sagen doch immer, "Zerstörung" ist ja eigentlich was Negatives. Ja, aber denken Sie einmal nach: Wenn nicht ununterbrochen etwas zerstört würde, könnte auch nichts Neues aufgebaut werden. In der Natur passiert das auch ununterbrochen. Dass die Natur aufblüht, ist dem zu verdanken, dass auch vieles stirbt und dass dieser Kreislauf, die Bewegung, da ist und immer wieder, mit jedem Durchgang, ermöglicht, etwas Neues, etwas noch Schöneres, etwas noch Besseres, etwas noch Größeres in die Welt zu stellen. Also, nicht bleiben bei dem: "Ja, das ist eh schön und damit bleiben wir die nächsten Millionen Jahre", sondern immer wieder: "Noch ein Anlauf, noch ein Anlauf…" Und mit jedem Anlauf wächst das schöpferische Geistige. Man probiert aus, sozusagen.
Realität und Wirklichkeit: Die erstorbene Vergangenheit und die ganz offene Zukunft 0:30:00
Es ist nicht nach einem fertigen Plan. Nicht einmal der liebe Gott könnte das vorhersehen, weil er es gar nicht will, weil, sonst wäre die Freiheit schon wieder weg. Also, der liebe Gott ist nicht jemand, der irgendwo ein Büro hat und da hat er eine Schublade und da liegt der große Plan, nach dem die Welt gestrickt ist. Ich meine, die Physiker suchen nach so einem Plan im Grunde, sie sagen zwar nicht, dass es Gottes Plan ist, aber sie denken halt, es gibt so einen Plan, der berechenbar ist, der genau überschaubar ist. Und das zeichnet sich schon immer deutlicher ab, dass sie den nie finden werden, wo sich alles ausgeht.
Es gibt vieles, was berechenbar ist, was vorhersehbar ist, aber das ist im Grunde die erstorbene Vergangenheit. Und wir haben, da die Welt schon ziemlich lange existiert, sehr viel erstorbene Vergangenheit. Das ist das, was wir auch "Realität" nennen. Aber Realität: Re-alität. "Res" ist das Ding, die Sache. Aber das ist genau das Erstorbene. Das ist in Wahrheit nicht das, was in die Zukunft wirkt, sondern es ist das, was als Schlacke aus der Vergangenheit bleibt. Das heißt, es ist in Wahrheit nicht Wirklichkeit. Realität und Wirklichkeit sind zwei verschiedene Dinge. Wirklich ist das, was die Zukunft schafft, was noch nicht da ist, auf das hingeht, was noch nicht da ist, den neuen Impuls bringt, die Kraft rege macht, etwas Neues zu tun, über das Alte hinauszugehen. Das Alte als Humus zu nehmen, aus dem ich was Neues wachsen lasse. Und ich bestimme die Richtung. Versuchen Sie, das einmal durchzudenken. Da wird heute mancher sagen: "Der spinnt ja! Realität und Wirklichkeit sind doch zwei Worte für ein und dasselbe." Nein! Das eine ist die erstorbene Vergangenheit, und das andere ist die ganz offene Zukunft. Und die hängt von jedem einzelnen Menschen ab. Und jeder kann einen kleinen Beitrag dazu leisten.
Und die Probleme, die wir heute massiv in der Welt haben, liegen an dem erstorbenen Alten, das sich immer mehr anhäuft. Ich meine, das äußere Bild dafür ist das Müllproblem, das wir überall haben - vom Atommüll bis zum Hausmüll. Alles. Ein Riesenproblem, aber ein Problem, das auch gelöst werden kann. Müll wird auf der anderen Seite das Gold der Zukunft. Das ahnen schon findige Leute, dass man mit Müll auch Riesengeschäfte machen kann, weil, das ist eine Rohstoffquelle sondergleichen - wenn Menschen sie ergreifen und was daraus machen. Wenn man es nur irgendwo hinwirft, dann wird es schädlich, dann ist es Gift, das zerstört und zersetzt. Aber wenn ich es ergreife, was Neues draus mache, dann ist es die Zukunft, die ich gestalte damit. Ich meine, was wird heute alles weggeworfen. Kriege werden geführt um Rohstoffe, die im Müll zu Hauf drinnen sind. Und heute sind wir in großen Abhängigkeiten, weiß ich nicht, Lithium für Batterien; überall braucht man Batterien heute, Akkus oder was. Ich meine, die ganzen Krisen - in Afghanistan zum Beispiel - hängen sehr stark damit zusammen. Der große Streit immer, der dort ging: Weil, die sind sehr reich, zum Beispiel, an Lithium. Und in Wahrheit ging's um das, um sich dort irgendwelche Rechte zu sichern. Und dafür lässt man das Land untergehen, das ist einem ganz wurscht, Hauptsache man hat dort den Zugriff auf die Bodenschätze. So laufen die Dinge.
Die Elite kann jeder sein: Aber welche? Und welche Gesinnung steckt dahinter? 0:34:08
Wir haben die Macht aus der Freiheit heraus zu gestalten. Aber wir müssen uns dann auseinandersetzen mit all den Kräften in uns - vor allem auch in uns - die uns davon abhalten wollen. Das Ego zum Beispiel ist so was, was, wenn es das Übergewicht bekommt, uns sehr abhält davon, etwas Positives zu tun. Dann sagt es zum Beispiel: "Na, geh, warum soll ich jetzt das bisschen Kunst machen oder das bisschen Zulächeln, was bringt denn das? Gar nichts. Was hast du denn davon?" Ja, Geld kriegst keins dafür. Anerkennung vielleicht auch nicht. Wenn ich etwas verschenke, geistig verschenke, mit der Motivation: "Aber warte, was kriege ich denn dafür?", dann ist es kein Verschenken mehr. Da macht die innere Gesinnung, die innere Haltung, sehr viel aus. Das heißt, das ist das Prinzip des Geistigen. Wir brauchen das andere Prinzip auch. Wir brauchen das Prinzip des Wirtschaftens. Da geht's schon drum, dass jedes Ding seinen Wert hat, und da spielt das Geld eine ganz große Rolle, aber im Geistesleben, im wirklichen Geistesleben, eigentlich nicht. Da ist es Geschenk und - von mir aus - Gegengeschenk. Also, Geistesleben lebt von Schenkungen auch. Weil, wenn man was in die Welt setzten will, was aufbauen will, eine Institution aufbauen will wie eine Waldorfschule oder so was, braucht man Geld, natürlich. Aber ich kann die Kunst der Pädagogik in Wahrheit nicht verkaufen. Das heißt, eigentlich ist es Schenkgeld, das gebraucht wird.
Und ganz schlecht ist es, wenn ich es jetzt mache so wie eine Eliteschule, wo also nur die Reichen, die viel Geld haben, die können sich diese Eliteausbildung leisten. Und die anderen, ja, haben halt Pech gehabt. Das ist unsozial. Gibt's in der Welt genug: enges Eliteprinzip, Auswahl; aber die Elite kann jeder sein, in Wahrheit - die wirkliche, die geistige Elite. Nicht die äußere. Das sind Gegensätze. Das sind Gegensätze. Also, es ist halt heute schon so, dass es den sehr egoistischen Block gibt von Menschen, die denken, sie müssten die ganze Welt bestimmen und sich bereichern. Gar nicht so zu ihrem eigenen Vergnügen, aber um die Macht zu haben, alles so zu gestalten in der Welt, wie sie es wollen. Wie sie. Und was die anderen wollen, interessiert sie eigentlich nicht. Hauptsache, sie kaufen das, was ich ihnen vorsetze - oder es gelingt mir ihnen das einzureden. Ist heute ein Riesenproblem, dass in der Art, wie die Wirtschaft und das Finanzwesen laufen… da sieht man ja, dass sich immer mehr Geld in immer weniger Händen sammelt und die breite Masse im Grunde immer ärmer wird - und abhängig wird. Das heißt, abhängig wird von dem, was von oben, sozusagen, geboten wird, von den wenigen, die ihre Gaben ausstreuen. Sie wollen natürlich ihre Waren loswerden. Man denke an "Bedingungsloses Grundeinkommen", sonst was: Das kommt von der Seite vielfach auch. Sie wollen Leute, die das kaufen. Es geht gar nicht drum... Eigentlich läuft das Geld ja dann im Kreis herum. Sie nehmen Geld ein, aber sie sponsern auch so was, dass es dann "Bedingungsloses Grundeinkommen" gibt. Aber was wirklich bezweckt wird ist, dass die Leute sich nach dem richten, was die paar wenigen da oben wollen: Eine Welt gestalten, wie sie es sich eben vorstellen. Und da sollen alle mitziehen. Das ist ein starker Zug, der drinnen ist, und zwar vielfach mit einem sehr idealistischen Gedanken: "weil wir das durchschaut haben, wie die Welt am besten funktioniert, so ziehen wir das durch. Die Masse weiß es noch nicht, aber wir werden's ihnen geben, wir verkaufen's ihnen.
Schenken nicht ganz; aber eigentlich schenken, wenn ich sage: Grundeinkommen wird gegeben, weil, es wird immer mehr Menschen geben, die nicht mitkönnen mit der heutigen Wirtschaftswelt. Das ist absehbar, weil, die Wirtschaftswelt fordert heute teilweise sehr einseitige Tätigkeiten; fordert aber auch ein paar kreative Menschen, natürlich. Aber eine breite Masse, das sieht man heute schon, droht so unter die Räder zu kommen, dass sie keine sinnvolle Lebensbetätigung in Form von Arbeit mehr bekommt. Und ja, viele werden jetzt sagen: "Ja, Gott sei Dank, dann brauche ich nichts mehr tun, ist eh so anstrengend." Aber mit "Arbeit" sollte ja eigentlich ein Lebensinhalt verbunden sein, um das ginge es ja eigentlich. Nicht nur drum, wieviel kriege ich raus. Natürlich, es sollte das rauskommen, dass ich mein Leben gut erhalten kann davon, aber darüber hinaus ist die wesentliche Forderung, dass ich etwas tue, in dem ich wirklich einen Sinn auch sehe. Und das ist immer weniger der Fall - oder nur in sehr engen Bereichen der Fall.
Kreative Fähigkeiten leben im Alltag: Michaelisch handeln in der Begegnung mit dem anderen Menschen überwindet alle Nationalitätenprinzipien und bringt uns unser wirkliches Ich zu Bewusstsein 0:39:24
Und das sind Dinge eben, wo in Wahrheit nämlich die kreative Fähigkeit des Menschen gefordert wird - auch im Kleinsten. Auch, weiß ich nicht, wenn ich ein Verkäufer in einem Geschäft bin oder was: Wie ich dem Menschen begegne, das macht einen Unterschied. Es macht einen Unterschied. Bei, weiß ich nicht, Zehnen, ist man froh, dass man wieder draußen ist - und eine Person ist da, von der spürt man: Die will dir das Beste geben, das, was zu dir passt. Sie schaut dich an, und es ist ein Kontakt da. Und das sind scheinbar so kleine, bescheidene Dinge, aber wenn wir auf dem Weg zu einer Menschengemeinschaft sind, sind das die notwendigen Schritte. Wenn das nicht im alltäglichen Leben funktioniert, brauchen wir nicht von Anthroposophie oder Kirche oder Christentum oder was auch immer sprechen. Wenn ich dann nur noch am Sonntag bete und dann gehe ich wieder nach Hause und es ist vorbei, dann bringt es gar nichts. Es bewährt sich, wenn, dann im Alltag, im kleinen Alltag. Und das kann jeder tun. Jeder. Dazu brauche ich nicht besonders viel Geld und sonst irgendwas, sondern ich muss nur den Willen dazu aufbringen. Das ist michaelisch. Das ist Mut eigentlich. Nicht einfach dahintrotten in der Lebensgewohnheit, sondern aufwachen und sagen: "Pah! Da ist eine Aufgabe. Morgen, wenn ich ins Geschäft gehe, habe ich eine Aufgabe. Ich schaue mal die Person wirklich bewusst an. Verbinde mich für einen Moment damit." Das schafft Menschengemeinschaften. Und wir sind längst auf dem Weg, ja eigentlich eine Menschheit zu werden. Und das Nationalitätenprinzip oder gar Stammesprinzip oder was sinkt eigentlich immer mehr ab, in Wahrheit, und wird mehr absinken.
Wenn wir glauben, dass die Welt so bleiben wird, dass lauter Nationalstaaten irgendwo nebeneinander sind und "Ja, und das sind jetzt Dunkelhäutige und das sind Gegner, schrecklich." Nein, es wird sich alles vermischen. Es wird nicht mehr die Möglichkeit geben zu erkennen, von wo stammt der Mensch eigentlich. Weil, woher stammt er denn wirklich?
Aus dem Zuhörerkreis antwortet jemand: "Vom Geistigen!"
Vom Geistigen. Ganz genau. Und zwar von seinem individuellen Geistigen letztlich. Das ist ja die große Sache, die Rudolf Steiner sich auch vorgenommen hat: Die Lehre oder die Anschauung der Reinkarnation in die Welt zu tragen, ein Bewusstsein dafür, dass wir nicht nur einmal auf Erden sind, sondern dass wir diese Entwicklung, von der ich jetzt spreche, dass die schon lange, lange Zeit geht und noch einige Zeit vor sich hat, weil, in Wahrheit, wer wollte sich erfrechen zu sagen: "In einem Leben bringe ich das hin, wirklich alles ausgeschöpft zu haben, was menschenmöglich ist." Es bleibt doch immer das meiste noch offen, auch wenn man auf viele Fähigkeiten und Talente zurückblickt; aber wenn man ganz ehrlich ist, sieht man: "Ja, aber so und so viel habe noch gar nicht, da ist noch eine große Aufgabe."
In Wahrheit können wir das nur erfüllen, wenn wir immer wieder zur Erde heruntersteigen, hierher, sozusagen, in dieses Reich der Geistferne, denn, da lauern halt auch die ganzen, ja, man könnte sie "Widersacherkräfte" nennen, die uns davon abhalten, zum Bewusstsein dessen zu kommen, was wir eigentlich sind. Es gibt so einen schönen Ausspruch in der "Apokalypse des Johannes", wo der Christus eigentlich spricht und er spricht das zur Gemeinde von Thyatira. Also, am Anfang der Apokalypse ist von Sendschreiben an sieben Gemeinden die Rede und in dem Sendschreiben an die Gemeinde von Thyatira steht folgendes drinnen; das sagt der Christus über uns Menschen: "Die gleiche Vollmacht des Ich soll ihm ermöglicht werden, die ich von meinem Vater empfangen habe." Das heißt aber nichts anderes, da der Christus und Gottvater und der Heilige Geist im Grunde als Trinität aber doch eins sind: Die göttliche Kraft ist im Ich. "Die gleiche, dieselbe geistige Kraft in seinem Ich soll dem Menschen zuteil werden, die auch ich von meinem Vater empfangen habe", so heißt es eigentlich wörtlich ins Deutsche übertragen. Das ist der Sinn jedenfalls dessen. Das heißt, wir haben in unserem Ich einen Funken der höchsten nur denkbaren Schöpferkraft. Aber hier im Erdenreich, während unseres Erdenlebens, vergessen wir das immer wieder, weil hier, ja, man könnte eben sagen, die Widersacherkräfte wirken, die uns das Bewusstsein dafür trüben. Die uns das Bewusstsein dafür trüben: Die Widersachermächte - und die sind jetzt in unserer Zeit sehr stark.
Das Wirken der Widersacherkräfte in unserer Zeit: Segen und Fluch… 0:45:40
Rudolf Steiner beschreibt verschiedenste Widersacherkräfte, aber ich glaube, jeder kennt sie in sich auch, egal wie man sie nennt: Das eine ist mehr dieses Luziferische, das der Schönheit zugetan ist, den Idealen zugetan ist, aber ein bissl zu luftig ist, um sie auch zu verwirklichen, sondern mehr drin zu schweben, zu schwelgen drinnen, zu träumen von der Welt der Engel - aber eigentlich nichts tun. Den nächsten, der neben mir vielleicht in der Gosse liegt, den übersehe ich. Na, im Gegenteil: "Er riecht nicht gut, da gehe ich vorbei. Das stört mich dabei, von meiner Engelwelt zu träumen." Dann hat mich das Luziferprinzip erfasst. Wir haben das alle. Es hat auch seine guten Seiten. Ich meine, der Luzifer ist eben der, der für die Schönheit, für das Licht auch zuständig ist. Jeder Künstler braucht ihn auch irgendwo. Nur, es ist halt sehr leicht eine Einseitigkeit - und dann hat es nicht die Substanz, wirklich die Welt zu verändern, sondern: "Ich leucht halt a bissl drauf", aber das war's dann auch schon.
Naja, und das andere, was heute noch stärker geworden ist, das ist dieses, wie soll ich sagen, dieses seelenlose Verstandesprinzip, dieses technokratische Denken, dieses maschinenhafte Denken geradezu: Was Rudolf Steiner das ahrimanische Prinzip nennt. Ahriman das war eine Figur aus der persischen Mythologie, da gab's also den Ormuzd und den Ahriman und die große Auseinandersetzung zwischen dem lichten Gott und dem finsteren unterirdischen Gott. Aber da ist erstmals die Aufgabe angegangen: Ja, aber da muss eine Auseinandersetzung auch mit dem Finsteren da unten sein. Und je weiter die Menschheitsentwicklung gediehen ist, umso mehr sind wir in den Bereich auch dieser finsteren Mächte gekommen. Heute wirken sie sehr stark. Ich meine, sie wirken... Und damit sage ich aber gar nichts Negatives, aber sie wirken zum Beispiel in Form der ganzen Technik - überall. Es sind alles eigentlich dunkle Zerstörungskräfte - das meiste davon; wenn Sie denken an Elektrizität, Magnetismus. Von dem sind wir heute überall verfolgt. Damit sage ich nicht: "Äähh, bitte, schafft die Elektrizität ab, schafft alle Funkmasten ab und dieses und jenes ab." Es wird nicht funktionieren. Es ist halt unsere Zeit so, dass wir durch diese Prüfung durch müssen. Und es ist überall.
Selbst wenn man die Maste abschafft irgendwo, man braucht sich nur die Stromkabel anschauen, die durch die Erde gehen, die die Häuser versorgen. Also, unlängst, im vorigen Sommer, haben sie bei uns das Umspannhäusl - das ist vor dem Garten, irgendwo draußen steht es - aufgegraben, da drunter, und da habe ich mir die Kabeln angesehen, die nur in dieser kleinen Sackgasse, dort wo ich wohne, sind. Es sind Dutzende solche armdicke Kabel, durch die Starkstrom durchfließt, also 10.000 Volt oder so was in der Größenordnung. Da sind die kleinen Antennen von den Handys noch eine Kleinigkeit dagegen. Wir sind also verstrahlt, weil, das alles sendet elektromagnetische Wellen aus. Das sendet. Das sind alles Sender in bestimmten Frequenzbereichen. Also, wir haben das ganze Spektrum durch - und das sind letztlich Zerstörungskräfte; bringt unseren Organismus durcheinander, bringt das Nervensystem durcheinander. Und es bleibt uns heute, ob wir wollen oder nicht, gar nichts anderes übrig, als uns so zu stärken, dass wir damit fertig werden. Das ist eine der Herausforderungen unserer Zeit.
Ich meine, sicher, jeder einzelne Mensch kann entscheiden: Ich gehe irgendwo in die unberührte Natur - einmal die Frage ist: wo finde ich sie überhaupt noch? - und baue mir dort irgendeine Hütte oder gehe ich in eine Höhle. Das kann natürlich jeder machen. Aber eine Lösung für die Menschheit ist das sicher nicht, weil, als Menschheit entkommen wir diesen Problemen nicht. Die sind da, um von uns gelöst zu werden - und dass wir ihnen etwas Positives entgegensetzen, etwas, was das aufwiegt. Rudolf Steiner sagt: Es ist geradezu die untersinnliche Welt; also die Elektrizität, der Magnetismus, die Kernkraft. Alles, was in diese Richtung geht, das sind untersinnliche Kräfte. Untersinnlich in dem Sinne: Hat schon jemand Elektrizität gesehen? Ja, die Wirkung, ja, das Licht, aber das Licht ist nicht die Elektrizität. Der Strom, der im Draht fließt, oder die elektromagnetischen Wellen, die da durch die Luft gehen oder auch durch den luftleeren Raum gehen, die sehen wir nicht. Aber ihre Wirkungen sind da. Also das heißt "untersinnliche" Kräfte, im Gegensatz halt zum "Übersinnlichen", wo ich etwas Seelisches wahrnehme, zum Beispiel, wo ich Lebenskräfte wahrnehme. Ja, jede Pflanze, alles, was lebt. Jedes Tier natürlich auch.
Lebenskräfte und das ordnende Prinzip von kosmischen Gesetzmäßigkeiten und Zeitrhythmen 0:51:06
Aber schon in jeder Pflanze, in jedem kleinsten Gewächs sind Lebenskräfte drinnen. Und das sind nicht nur die biochemischen Prozesse, die sich abspielen dadrinnen. Da wird die Naturwissenschaft auch noch drauf kommen. Sie ist auf dem Wege dazu, darauf zu kommen, je mehr man bohrt: Dass es allein mit einer biochemischen Erklärung nicht ausreicht, das Leben zu verstehen, wie es sich entwickelt. Da ist etwas mehr. Da ist etwas Ordnendes drinnen, das sich aus den Teilen nicht erklären läßt, sondern aus dem, wie das Ganze zusammenspielt - mit letztlich dem ganzen Kosmos. Wo sich kosmische Gesetzmäßigkeiten widerspiegeln, in dem Bau der Pflanzen beispielsweise.
Und es gibt heute schon hochinteressante Forschungen auf dem Gebiet der Chronobiologie, wie man es nennt. Es ist ein wissenschaftlich anerkanntes und sehr geschätztes Forschungsgebiet. Das zeigt, wie zeitliche Rhythmen im Organismus eine wesentliche Rolle spielen, und wenn diese Rhythmen gestört sind, dann kann es zu Problemen kommen, dann wird das Leben beeinträchtigt. Also, der klassische Rhythmus ist der Tag- und Nachtrhythmus; der ist sehr stark. Dann ist mittlerweile auch deutlich klar, dass der Mondrhythmus eine Rolle spielt. Bei vielen Tieren ist das ganz deutlich so, dass sie auch ihr Paarungsverhalten und alles mögliche nach den Mondrhythmen richten. Leben hat also was mit der Ordnung der Zeit zu tun: Wie die Dinge zusammenwirken, in welchem Rhythmus; wie auch etwas, was ganz am Anfang steht, mit dem, was ganz am Ende kommt, zusammenhängt.
Es ist ganz interessant, so einmal das Leben zu überschauen. Wenn man schon ein bisschen älter geworden ist, kann man das schon ein bisschen besser: zu schauen, wie sich Dinge, die vielleicht in früher Jugend passiert sind, wie die mit Dingen zusammenhängen, die jetzt im Alter, in reiferen Jahren, eine Rolle spielen. Da gibt’s immer wieder Zusammenhänge. Leben ist so viel mehr ein Zeitorganismus als ein Raumorganismus. Zeitorganismus im Sinne, dass Früheres und Späteres in sehr komplexer Weise zusammenhängt. Damit kommt man dem näher, was Rudolf Steiner dann genannt hat: den Ätherleib des Menschen. Eine leibliche Kraft im Grunde, die aber jetzt nicht in dem Sinn räumlich ist - oder gar stofflich wie unser physischer Körper -, sondern die besteht in einem harmonischen System - oder mehr oder weniger harmonischen System - von Zeitrhythmen, die zusammenwirken und die eine Rolle spielen bei der Gestaltung des Leibes. Und das passiert auch. Und dem nähert sich die Naturwissenschaft auch, dem Verständnis dessen, dass da zeitliche Vorgänge bei der Entwicklung eine ganz wichtige Rolle spielen und dass diese Rhythmen aber auch niemals exakt gleich sich wiederholen: kein starrer Takt sind, sondern es sind immer leichte Abweichungen drinnen.
Der bewegliche Rhythmus ist Leben - der starre Takt pflanzt den Tod in uns ein 0:54:42
Rudolf Steiner hat das zum Beispiel sehr, sehr unterstrichen mit den Lebensjahrsiebenten, wo immer wieder gewisse Entwicklungsschritte im Menschen drinnen sind: Wo zuerst einmal ausreifen muss - oder die Grundlage finden muss - der physische Leib; dass auch wirklich alles da ist, dass das Gehirn sich ausbildet, dass die Knochen richtig gewachsen sind. Das Erste ist der physische Leib. Und dann geht's ab dem siebten Lebensjahr darum, gerade dieses Rhythmische, diese Lebenskräfte eigentlich, zu harmonisieren. Das ist die Zeit, wo wir in die Schule kommen, wo die Kinder in die Schule kommen. Das heißt, Schule sollte was sein, um diese Gesundheitskräfte - sind nämlich auch die Gesundheitskräfte - um die, wie soll ich sagen, richtig zu trainieren, um dem Kind eine Chance zu geben, das richtig zu trainieren. Da geht’s nicht einfach nur drum, Wissen hineinzustopfen ins Hirn. Ja, unsere Denkkraft benutzt auch diese Kräfte. Wir müssen nur aufpassen, dass wir nicht da gerade das machen, was wir machen, wenn wir zu sehr den Verstand - und den zu früh - rege machen: Dann töten wir diese Kräfte eigentlich ab. Wir machen sie starr.
Wir machen eben gerade aus dem beweglichen Rhythmus, wo manchmal was zusammenklingen kann - dann wieder mal nicht, und einmal länger, einmal kürzer - etwas, das immer exakt gleich, exakt gleich, exakt gleich, exakt gleich ist (Wolfgang immitiert dabei mit den Händen einen starren Takt). Dann wird's mechanisch. Dann wird's tot. Dann pflanzen wir uns wirklich den Tod ein. Je mehr das drinnen ist, dieser strenge Rhythmus, desto mehr greift das auch unseren Organismus an. Ärzte wissen das heute. Sie wissen, das Herz ist gesund, wenn der Herzschlag variiert. "Heart Rate Variability" ist ein Gesundheitszeichen, also Herzschlag-Variabilität. Wenn das Herz sehr streng, in einem fast steifen Takt läuft, dann wird es gefährlich, dann ist es problematisch. Ein Herzschrittmacher kann nichts anderes, als so einen Takt vorgeben, aber immerhin besser, als dass gar kein Rhythmus mehr da ist. Dann kriegt’s halt die Impulse. Und modernere Ausprägungen der Herzschrittmacher haben schon eine gewisse Beweglichkeit drinnen, die allerdings nicht beseelt ist. Das ist das Problem. Das ist halt wieder mehr oder weniger eine zufällige Schwankung, die drinnen ist, aber nicht eine, in der sich das Seelische des Menschen ausdrückt. Das ist es nämlich, was wieder die Varietät hineinbringt: Dass die Seele was anderes erlebt. Und wenn's dasselbe Musikstück morgen spielt, erlebt's sich ein bisschen anders. Es wird das meiste gleich sein, weil das liegt im Stück selber drinnen, aber wie ich damit umgehe, wie ich mich fühle dabei, ist trotzdem jeden Tag neu. Wenn ich es nur automatisch herunterspiele, dann ist es gar nicht mehr beseelt. Das macht den großen Unterschied aus.
"Die Zusammenschmelzung des Menschen mit dem Maschinenwesen": Werden wir eine belebende Technik schaffen können, die sogar Besseeltes aufnehmen kann? 0:58:00
Und wir brauchen zum Beispiel eine - wir bräuchten - eine Technik, die belebend wirkt, die auch mit dem Leben umgehen kann, die sogar was Beseeltes aufnehmen könnte. Eine Technik, die wir noch nicht haben. Oder teilweise nur die Karikatur davon haben. Ich meine, man versucht halt viel mit der Elektronik zu machen, die sich an den Menschen anpassen soll und sonst was, aber es ist nur die Karikatur dessen, was einmal kommen könnte. Rudolf Steiner spricht auch davon sehr deutlich, dass eine Zeit kommen wird, wo es Maschinen geben wird, die nur dann funktionieren, wenn der Mensch mit der richtigen Gesinnung an die Maschine herangeht, weil sie letztlich angetrieben wird von dem, was der Mensch dabei erlebt - und darauf wird sie reagieren. Wie gesagt, wir haben die Karikatur davon schon heute. Es gibt viele Sachen eben mit… heute muss alles verschlüsselt und sonst was werden, und das geht bis dahin, wo Menschen also bestimmte seelische Erregungen tatsächlich machen müssen, um die Sache äußerlich anzustoßen. Aber das ist immer erst die Karikatur. Es wird noch viel inniger sein. Und was jetzt wie eine Horrorvision klingen könnte auf den ersten Blick… Rudolf Steiner sagt aber, was kommen wird: "Die Zusammenschmelzung des Menschen mit dem Maschinenwesen." Ist halt nur die Frage: Wie? Und was bedeuten die Maschinen dann? Da müssen sie was ganz was anderes werden. Was heute angestrebt wird, namentlich von Seiten Amerikas aus sehr, sehr stark, also die Philosophie des Transhumanismus, die ganz darauf abzielt zu sagen: "Naja, gut, der Mensch ist eigentlich so ein hinfälliges Ding: Erstens ist er sterblich, viel zu früh. Kann man da nicht was verbessern? Mit der Intelligenz ist es auch teilweise nicht so weit her; manche Aufgaben kann heut künstliche Intelligenz in Millisekunden, wo der Mensch zehn Tage braucht dazu. Kann man das nicht irgendwie verstärken, indem man den Menschen anschließt an die Technik?" Naja, das ist nicht das, was Rudolf Steiner meint, sondern er meint: die Erhöhung, in gewisser Weise, einer Maschinenwelt, einer toten Welt, die aber durch den Menschen belebt wird und dadurch erst in Tätigkeit kommen kann.
Das kristalline Element ist das festeste und toteste Element, aber es ermöglicht die stärkste Individualisierung: Der Kristall ist das äußere Bild für die Ich-Kraft 1:00:50
Das heißt… Weil, wie soll ich sagen, dieses feste, tote Element, das ist das Charakteristische für unsere Erdenwelt, das Mineralische irgendwo, das Kristalline auch. Das wächst nicht von selbst. Ja, Kristalle, ist ja interessant, Kristalle wachsen auch, aber irgendwann sind sie fertig - und das ist das Endprodukt. Dann ist es gestorben. Aber eigentlich kommt der Kristall auch aus einem Lebensprozess, aber er stirbt in eine ganz strenge Form hinein, die interessanterweise aber trotzdem etwas Individuelles hat, weil, kein Kristall gleicht dem anderen aufs Haar. Jeder Quarzkristall hat irgendwie das Sechseck-Prinzip drinnen. Das ist bei jedem drinnen. Und auf den ersten, zweiten, dritten Blick sag ich: "Naja, die schaun eh alle so ähnlich aus." Wenn man es sich genau anschaut, sieht man: Jeder ist einzigartig. Der kommt niemals wieder so vor; selbst bei den Schneekristallen ist es so. Jeder Schneekristall ist anders. Gerade das kristalline Element, das festeste Element, das toteste Element, ermöglicht am stärksten die Individualisierung. Ein Wassertropfen, der ist schwer zu individualisieren. Ein Wassertropfen, ja, vielleicht ist das Wasser einmal ein bisschen kalkhaltiger, einmal weniger, je nachdem ändert sich was, aber eigentlich gleicht ein Tropfen dem anderen. Da ist also dieses Individualisierungsprinzip noch nicht so stark drinnen wie in dem Kristall. Die kristallbildenden Kräfte sind was ganz Interessantes.
Es ist interessant, dass man schon zur Zeit der Griechen, anfänglich, aber im Mittelalter vom sogenannten "Kristallhimmel" gesprochen hat. Kristallhimmel ist der größte, fernste, höchste Himmel. Dahinter erst, hinter dem Kristallhimmel, wohnt die Gottheit irgendwo - und von dort kommen die höchsten Kräfte, die Kräfte, die sogar bis in dieses feste kristalline Element hinein gestalten können. Die haben was mit unserem Ich zu tun. Die haben etwas mit unserem Ich zu tun. Der Kristall ist eigentlich das äußere Bild für die Kräfte, die Gestaltungskräfte, die wir in unserem Ich drinnen haben, um ganz individuell und doch zugleich ganz gesetzmäßig zu gestalten. Dafür ist der Kristall ein Musterbeispiel: Da ist nichts einfach freie Willkür, irgendwie Phantasie; eine gewisse strenge Ordnung, aber ganz individuell trotzdem - beides drinnen.
Das Bild für das "Neue Jerusalem" ist der Würfel - die Grundform aller Kristalle 1:03:48
Und drum ist etwa in der Apokalypse des Johannes die Zielvorstellung, das Zielbild, das sogenannte "Neue Jerusalem", das in der Form eines Würfels dargestellt wird, der idealste Kristall, sozusagen, der grundlegendste, aus dem sich praktisch alles andere ableiten lässt. Ich kann Ecken abschneiden, sonst irgendwas, dann kriege ich alle möglichen anderen Figuren noch daraus heraus. Aber das ist sozusagen die Grundstruktur. Und die hängt mit der Ich-Kraft zusammen, mit der individualisierenden Kraft, mit der Kraft des Einzigartig-Seins: jedes einzigartig - und eine Welt zu bauen, die aus lauter solchen Einzigartigkeiten besteht, das ist der Weg, wo es hingeht. Das wird dann in der Apokalypse angedeutet damit, dass da bei diesem "Neuen Jerusalem" auch zwölf Edelsteine eine große Rolle spielen; wieder Kristalle eigentlich, kristalline Edelsteine, die eine Rolle spielen. Da steckt - will ich jetzt heute nicht verbreitern, das ist ein Riesenthema -, aber da steckt die ganze Menschheitsentwicklung drinnen hin zur Individualität. Das steckt da drinnen in diesen Dingen. Und vor allem: Es steckt in jedem von uns. Es steckt in jedem von uns. Diese Kräfte haben wir zur Verfügung.
Die Welt wird sich für uns sehr stark ändern: Mit seinem Ich kann jeder lernen, individuell die Herausforderungen zu meistern und Mitarbeiter Gottes werden - nicht Diener 1:05:21
Und das ist das, was uns Mut machen kann. Mut machen sollte. Weil, ich denke, wir werden nicht entkommen dem, dass - ich sage es einmal vorsichtig - Herausforderungen in der näheren Zukunft auf uns zukommen. Es wird vieles nicht so bleiben können, wie wir es jetzt über viele, viele Jahrzehnte gewohnt waren. Es wird nicht mehr so funktionieren. Es wird sich die Welt sehr stark ändern. Sie hat sich zum Teil auch schon geändert. Nur man merkt nicht alles schon an der Oberfläche, aber es ist in einem sehr großen Tempo. Und wir werden das aber gut nur dann verkraften können, wenn wir eben individuell lernen umzugehen mit dem. Es wird eine Herausforderung für uns sein. Und ich denke, unser Zeitalter ist dazu angetan, uns anzuspornen, gerade auch durch die Schwierigkeiten, durch die wir durchgehen, diese Kraft endlich in uns zu entdecken. Und - wie soll ich sagen - das dreht alles um: Zu erkennen, dass eigentlich das schöpferisch-göttlich-geistige Zentrum, dass ich das auch in mir trage. Und die Gottheit wartet darauf - wenn ich das so sagen darf - dass wir das rege machen. Nicht, dass wir da sitzen und warten, dass es von oben kommt und nicht merken, dass die Gottheit eigentlich in Form des Christus hier auf die Erde gestiegen ist, damit wir hier die göttliche Kraft in uns rege machen. Ja, hier (Wolfgang zeigt auf seine Herzgegend), weiß ich nicht, wo, je nachdem, es gibt ein paar Stellen (Wolfgang zeigt auf verschiedene Stellen seines Körpers), wo es wirkt - eigentlich in unserem ganzen Wesen. Ja, eigentlich überall da draußen ist unser wirkliches Ich. Es ist oft die Frage: Wo ist denn dieses Ich? Ja, mit einem Mikroskop oder irgend so was wird man es nicht finden. Und man kann schauen, ob's da im Hirn drinnen ist? Nein, im Hirn ist’s nicht. Ist es im Herzen drin? Nein, eigentlich auch nicht. Ist es in der Verdauung drinnen? Eigentlich auch nicht. Oder doch? Wir kriegen es jedenfalls nicht mit.
Das Ich ist ja überhaupt so eine spezielle... "Ich" sagt jeder. Ich, ich ich… Ich will das. Ich will das. Ich brauche das. Ich muss das haben. Ich muss das haben. Also, das Wort "ich" wird sehr häufig gebraucht oder missbraucht, weiß ich nicht. "Missbraucht" sage ich jetzt deswegen, weil, es ist eigentlich ein wunderschönes Wort. ICH. Es sind in Wahrheit, in der lateinischen Schreibweise, die Initialen des Jesus Christus; wenn man es lateinisch schreibt: Das "J" als "I" geschrieben. ICH. Gibt's nur in der deutschen Sprache in dieser deutlichen Form, dass das zusammenhängt. Und der Christus sagt es selber: "Die gleiche Vollmacht des Ich soll ihm" - dem Menschen - "eigen sein, die ich von meinem Vater empfangen habe." Und das ist ganz ernst zu nehmen. In seiner vollen Stärke: die gleiche Vollmacht. In jeder Tat, die wir setzen. Der Christus macht halt viel mehr. Und die Gottheit hat vorher viel mehr Taten gemacht. Aber es ist eigentlich, ja, dieses Besondere des Christus-Ereignisses, was das Christentum eigentlich zu etwas macht, was mehr ist als eine Religion. Es ist etwas, was die Welt verändert hat, dieses Erdenleben des Christus, egal was jetzt davon in der Bibel drinnen steht - aber, dass sich diese göttliche Kraft in einem Menschen einmal konzentriert hat, sozusagen, inkarniert hat, verkörpert hat und damit das vorgelebt hat, was im Kleinen aber bei jedem von uns passieren wird, passieren soll, wenn wir unser Menschsein wirklich erfüllen. Wenn wir unser Menschsein ergreifen. Dann sind wir eben nicht nur Diener von irgendwem, Gottheit, sonst wem. Die Gottheit will keine Diener in uns. Sie will Mitarbeiter. Und sie schafft die Zukunft eigentlich durch uns. Durch uns. Und sie wartet auf unseren Beitrag. Und es wird keine Lösung sein von irgendwo außen her: "Macht Ihr, Ihr seid höher, Ihr könnt das besser." Denn dieses Wirken aus der Freiheit heraus, so dass jedes einzelne Wesen, jedes einzelne Menschenwesen, diese Freiheit, diese schöpferische Freiheit entfalten kann einmal im Kleinen - natürlich im ganz Kleinen. Aber das ist der Schöpfungsplan. Das ist der eigentliche Schöpfungsplan.
Unser Schicksal annehmen, bedeutet aus unseren Fehlern lernen und uns den Aufgaben stellen, die wir uns selbst gegeben haben: Damit stehen wir meist im Widerspruch zu unserem Ego 1:10:41
Und wenn man das begreift, dann muss einem der Mut wachsen, sage ich geradezu. Da gehört dazu - wie soll ich das sagen - dann auch wirklich dieses Geistvertrauen zu sagen: "Es wird geschehen, was geschehen soll, zu der Zeit, wo es geschehen soll. Aus meinem Ich werde ich zu einem bestimmten Zeitpunkt das Richtige tun können." Ich werde auch hundert falsche Dinge tun können. Egal dann. Das sind Fehler, aus denen ich lerne. Der Mensch in seiner Freiheit, versetzt in das Reich der Widersacherkräfte, der macht ununterbrochen Fehler, keine Frage, um aus ihnen zu lernen. Aus jedem Fehler kann man lernen. Und wenn wir wirklich ernst nehmen den Gedanken der Reinkarnation und zurückschauen in die Vergangenheit, dann, sage ich sehr deutlich: Wir haben alle schon schreckliche Fehler begangen. Zuhauf! Zuhauf! Und aus jedem können wir etwas lernen, indem wir dessen Folgen - die Nachwirkungen davon -, in uns lernen zu überwinden. Weil, es wirkt nach. Das ist das Schicksalsgesetz dann, sozusagen, das, was die östliche Weisheit auch als Karma bezeichnet. Das ist nicht die Strafe Gottes oder von irgendwem. Es ist einfach nur die Aufgabe, die sich uns stellt, wenn wir was schlecht gemacht haben, wenn wir wo daneben gelegen haben, dann sind wir eigentlich geistig schwächer geworden dadurch, schwächer geworden, als es hätte sein müssen. Und dann entsteht in uns selbst eigentlich der Impuls, das auszugleichen. Das Ich hat diesen Willen. Und wenn wir uns dem verweigern, dann ist es das Ego, das natürlich sagt: "Na, das ist aber zu anstrengend. Das will ich nicht. Nein, das könnte weh tun. Das mag ich nicht. Muss ich das wirklich machen?" Ja, aber so stehen Ich und Ego immer ein bisschen im Widerspruch. Das Ich ist eigentlich das, das sagt: "Ja, natürlich! Und in die nächste Inkarnation hinein! Du hast eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs Sachen mal zu lernen aus der Vergangenheit und möglichst noch ein paar neue dazu zu machen." Also, das ist, wie soll ich sagen… Wir treten uns eigentlich selbst aus der Seligkeit, aus der seligen himmlischen Welt heraus: "Nichts da, geh runter und tue was." Es passiert eh die ganze Zeit. Ich meine, wir können jammern drüber oder sonst was, ich meine, wir tun's. Wir tun's ohnehin. Und es geht eigentlich darum, sich dessen, jetzt, in unserer Zeit, bewusst zu werden. Dann kann man auch mit vielen Schwierigkeiten, denke ich, viel, viel besser umgehen.
Wovor haben wir eigentlich Angst? In uns wohnt eine weltschöpferische Kraft! 1:13:41
Wenn ich immer der Angst verfalle vor dem, was kommen könnte… Ich glaube, wir sind uns einig, dass in unserer Zeit viele Ängste geschürt werden geradezu. Jetzt sind die Menschen eh schon von Haus aus ein bisschen ängstlich, aber jetzt wird noch alles dazu getan, dass sie ganz besonders ängstlich werden. Und zwar vor, ja, vor was eigentlich? So genau weiß man das nicht. Einmal war's das Virus. Dann ist es, weiß ich nicht, der nächste Blackout, der kommt am Soundsovielten, da wird auch noch das genaue Datum angegeben; wenn es dann nicht eintrifft, vergisst man's gleich wieder. Und ich weiß nicht, was nicht noch alles kommen wird. Das sind die Kräfte, die uns abhalten wollen - ununterbrochen -, aus unserem Ich tätig zu werden. Ich sage lieber: "Ähhh, am besten Augen zu, ich will von all dem nichts wissen." Ja, dann versäumen wir es, uns als geistige Wesen zu betätigen. Aber wenn ich sage: "Pfff! Aus meinem Ich heraus!", einer Kraft - "die gleiche Vollmacht des Ich, die ich von meinem Vater empfangen habe" - das heißt letztlich, einer weltenschöpferischen Kraft! Na, bitte, nicht gleich morgen; wir werden nicht gleich morgen einen ganzen Kosmos bauen, aber unseren kleinen Kosmos wenigstens. Das heißt, unsere nähere Umgebung, da können wir mal beginnen und üben. Da können wir was tun. Und dann brauchen wir uns nicht beschweren, und in dem Moment, wo ich sage: "Mir geht es zwar hundeelend, es ist alles schlecht, es ist alles furchtbar, alles ist kaputt. Aber gut, jetzt fangen wir neu an. Es ist auch eine Chance." Es ist auch eine Chance. Und wir müssen heute auch ein viel dynamischeres Gleichgewicht finden, denke ich, zwischen dem, was das Gewordene ist, die Realität, die Vergangenheit, die - weiß ich nicht - Tradition, wie man's halt so vor hundert Jahren schon gemacht hat, oder sonst was. Das genügt nicht mehr. Das ist schon was Gutes. Es trägt uns. Aber was noch mehr jetzt dazukommen muss: Dynamisch weiterentwickeln - und da das richtige Gleichgewicht. Natürlich, wenn ich zu sehr nur immer neu, neu, neu, neu und nicht reifen lasse, dann wird es keine wirkliche Kraft haben. Es gehört beides zusammen. Es gehört Altes verwandelt, langsam weiterentwickelt, schneller, langsamer, je nachdem; jedes nach seinem ihm eigenen Tempo: zu erkennen, wie schnell kann was gehen.
Der Mensch ist der, der sich aufgerichtet hat und mit den Händen tätig wird: Unsere Hände zeugen von unseren Lebensschicksalen der Vergangenheit 1:16:21
Manche wollen ja auch gleich in einem Tag alles sich erworben haben und sagen: "Ich bin der große Künstler", oder sonst was. Das wird nicht funktionieren. Vielleicht brauche ich zehn Jahre dazu. Und da muss ich mal üben, üben, üben und tun, ausprobieren, Fehler machen, Fehler machen, Fehler machen, Fehler machen - bis ich endlich kapiert habe, wie das funktioniert. Dass mein ganzes Wesen, mein ganzer Organismus fähig wird, das zu tun, das braucht ein Training. Also, es gibt da keine kurzen Patentrezepte: "Wart, ein Lebensberatungsbuch, ein Handbüchlein, was muss ich tun? Ah, ich lese das. Na toll. Das ist so toll, was da drinnen steht." Ja, kann durchaus sein! Aber wenn es funktionieren soll, dann muss ich es wirklich mit Ausdauer, mit Kraft, mit Willen vielleicht zehn Jahre lang machen. Dann fängt es an zu wirken. Dann fängt es an zu wirken. Nur dadurch, dass ich sage: "Aha! Ich weiß jetzt, wie's geht", ohne es zu machen, wirklich anzugehen, wird nichts passieren. Und das heißt, regelmäßig: wieder, wieder, wieder - wie das kleine Kind.
Das kleine Kind, wenn es gehen lernt, egal wie oft es auf die Nase fällt oder auf die Knie oder sonst was, es will weiter. Es will wieder hoch und den nächsten Schritt probieren. Das ist nämlich Ich-Kraft, Aufrichtekraft gegen die Kraft, die uns nach unten ziehen will: Wir stehen uns entgegen. Wir sind der Anthropos, der Aufgerichtete, ja, der Entgegen-Gerichtete. Der Aufständige sogar. Das liegt im Wort "Mensch" drinnen, im griechischen Wort; also "anthropos", das liegt drinnen. Oder, wenn wir schon das Wort "Mensch" nehmen: "Mensch" hat was zu tun, ist verwandt mit dem lateinischen Wort "manus", die Hand. Der Mensch ist der, der mit den Händen tätig wird, formend wird, gestaltend wirkt da drinnen. Und tatsächlich liegt so viel von unserem ganzen Lebensschicksal, von unseren Lebensschicksalen der Vergangenheit, in der Bewegung der Hände drinnen - ohne dass wir es mitkriegen. Die Feinheit dessen, was wir da können oder nicht können; ob wir mehr fest zupacken können, kraftvoll - oder ganz zart und leise nur was tun: jedes seine Berechtigung, jedes eine gute Nuance. Es liegt das ganze Schicksal drinnen, das ganze Bild der Vergangenheit. Viel weniger in dem, was da oben ist (Wolfgang deutet auf seine Stirn). Das ist das, was wir im Leben halt aufgehäuft haben an Wissen, an den paar Erfahrungen, die wir haben, aber da (Wolfgang bewegt, dreht, wendet seine rechte Hand), da liegen ganze Leben drinnen, wie wir damit umgehen. Aber dessen kann man sich bewusst werden. Das kann man üben.
Das ist etwas, was ein zentrales Anliegen der Anthroposophie ist, sich dessen - ohne Spekulation von oben - sich dessen bewusst zu werden: "Wo komme ich eigentlich her, wo kommt der andere her?" Ich meine, man muss das jetzt nicht genau mit Datum und einer genauen Landkarte und gleich den Namen auch noch dazu... Auf das kommt's nicht an, aber zu sehen: In welcher Umgebung hast du gelebt, unter welchen Bedingungen? Welche Erfahrungen hast du gemacht? Das liegt da drinnen (in den Händen). Mit dem Spekulieren von da oben (wiederholtes Deuten auf den Kopf) wird man nie drauf kommen. Also, wer sich jetzt mit Reinkarnation beschäftigt: Am besten bitte alles sein lassen zu grübeln: "Ach, wer war ich denn?" Dann kommt man meistens auf irgendeine historische Person natürlich, weil, die anderen kennt man ja gar nicht, da gibt es dann, weiß ich nicht, zehn Julius Cäsar oder zwanzig... und ein paar Kleopatras - ist schon klar, aber das sind Hirngespinste. Da (Wolfgang macht erneut durch Bewegungen auf seine Hände aufmerksam) müssen wir schauen, was wir mit den Händen tun, die Hände denken das Schicksal - ununterbrochen. Der Kopf denkt's nicht. Die Hände denken es, neben anderem. Das heißt, da drinnen liegt die Frucht der Vergangenheit, im Guten wie im Bösen. Also das heißt, auch die Fehler natürlich, die wir gemacht haben, liegen drinnen, aber gerade als Aufgabe, die wir jetzt bewältigen können, wo wir die Chance haben, jetzt aus dem zu lernen.
Unsere Versäumnisse - nicht nur aus diesem Leben - lassen uns nicht zur Ruhe kommen… 1:21:02
Wir können unheimlich viel aus unseren Fehlern lernen und eben nicht nur aus diesem einen Leben, sondern in Wahrheit aus dem, was noch aus der Vergangenheit kommt. Das sind die Dinge, die uns halt so tief im Inneren - tief drinnen - sitzen und uns eh in Wahrheit immer wieder Anstöße geben. Oder wir stoßen uns selbst hin. Ich weiß nicht, wenn Sie Ihr Leben beobachten, es gibt bestimmte Dinge, die man immer wieder erlebt, bestimmte Probleme, auf die man immer wieder stößt. Jetzt habe ich im Büro eine Kollegin, mit der kann ich irgendwie nicht, ich weiß nicht wieso. Es ist immer dieselbe Schwierigkeit. So, jetzt kündige ich endlich einmal, ich hab genug, jetzt geh ich woanders hin. Alles wunderbar. Nach einem Jahr, dasselbe Problem wieder; dasselbe Problem wieder, weil ich magisch genau die Stellen und die Personen anziehe, wo ich das lernen kann, was ich brauche. Weil, dass ich mit der Situation nicht umgehen kann, mit dem anderen Menschen nicht umgehen kann, das liegt eben einfach an irgendeinem Versäumnis aus der Vergangenheit, irgendetwas: Eine Aufgabe, die sich mir stellt, wo ich vielleicht entspannter mit umgehen muss.
Es gibt Menschen, die "Rrhh", die immer bei demselben Problem, "Rrhh"; sie gehen in die Höhe und kriegen einen Zorn und können gar nicht anders. Und dann sind sie fix und fertig und ausgelaugt; sitzen dann da, ärgern sich über den anderen, über sich selbst und über die Welt - und alles ist schlecht. Wenn sie nur schaffen würden, wenn da jetzt wieder so eine Person auf sie zukommt, ganz ruhig zu bleiben und freundlich zu schauen, wenn der dann sagt: "Was hast du denn da schon wieder für einen Blödsinn gemacht?", und ich schaue einmal nur freundlich. Dann wird vielleicht der andere zerspringen, weiß ich nicht. Aber wir haben immer die Chance, an uns selbst zu arbeiten. Wir wollen immer so gerne die anderen ändern: "Na, du musst das anders machen. Das passt mir überhaupt nicht, wie du mir immer entgegenkommst." Das können wir alles nicht verlangen; funktionieren wird es meistens nicht. Bei sich selbst kann man anfangen: In der Art, wie ich damit umgehe. Damit meine ich nicht, dass man sich alles gefallen lässt, gar nicht. Es kann manchmal durchaus notwendig sein, sehr scharf auf etwas zu reagieren. Also, es heißt nicht immer: "Na, ich bin der Friedliche, ich lasse mir halt alles gefallen." Ja, schon, schlägt er dich auf die eine Wange, halt noch die andere hin. Ja, schon. Aber nicht zulassen, dass jetzt ein Unheil passiert vielleicht dadurch, dass irgendwer, der sich total daneben benimmt, einfach nicht gebremst wird. Manchmal muss man auch die Grenze ziehen. Aber dann - ich habe das bei mir selber bemerkt - mit viel Training ist es mir mit der Zeit gelungen, dass, wenn ich sehe, jetzt reicht's da aber wirklich, jetzt ist eine Grenze erreicht, dann scheppern schon mal die Wände. Dann sind meistens die Leute "so" (Wolfgang deutet ein winzig Kleines mit den Fingern an und schlüpft in die Rolle eines "irritiert geknickten" Gegenübers) und schauen einmal. Aber da bin ich innerlich völlig ruhig; innerlich eigentlich vollkommen ruhig und vollkommen - "nicht zornig"; nicht wirklich zornig in dem Sinne nämlich, dass die Emotion mich antreibt, sondern umgekehrt: Ich ergreife die Emotion als Werkzeug. Das ist der Unterschied. Meistens, wenn wir einen Wutanfall oder was kriegen, was heißt das? Das Ego übernimmt - und das Ich kann nur von oben zuschauen, was da unten passiert. Es sagt eigentlich da oben: "Bitte, lass den Blödsinn. Lass dich nicht so ärgern von dem, das hast du gar nicht notwendig." Nein, aber das Ego muss! Aber man kann schon den Spieß umdrehen, aber das braucht Arbeit. Das braucht Arbeit. Konsequente Arbeit.
Für die Arbeit an uns selbst hat uns Rudolf Steiner die 6 Nebenübungen gegeben: Mir den ersten drei Nebenübungen lernen wir, unsere Gedanken, unseren Willen und unser Gemüt zu kontrollieren 1:25:14
Also etwas, was Rudolf Steiner gegeben hat dazu - was ich genial finde - sind die sogenannten Nebenübungen. Ich weiß nicht, ob Sie schon was davon gehört haben. (Erheiterung bei einigen Zuhörern…) Ja… manche sehr viel, keine Frage. Wir beschäftigen uns in Online-Kursen sehr, sehr oft damit, sie gemeinsam zu machen - regelmäßig. Sie sind eigentlich ganz einfach. (Die Erheiterung wächst…) Meistens werden sie nach 14 Tagen wieder fallen gelassen... "Ja, ja, natürlich, es gibt die Nebenübungen, ja, ja, kenne ich, ja." Und dann ist schon wieder Schweigen. Es ist ganz einfach: Gedankenkontrolle. Man nehme sich einen Gegenstand, irgendeinen möglichst langweiligen - damit macht man's sich besonders schwer - und bleibe jetzt eine gewisse Zeit in seinem Denken ganz bei dem Gegenstand. Dann merkt man eh, was passiert: Die Nase kitzelt mich; an der Tür läutet's; niesen muss ich; alles bringt mich ins… und jesses, das hab ich auch noch erledigen müssen…" Fünf Minuten!!! Zwei Minuten - von mir aus - dabei bleiben. Ist doch ganz einfach, oder? Es ist schwierig. Es ist schwierig. Die zweite (Nebenübung): Wähle dir ganz frei eine einfache Handlung und führe sie zu einer bestimmten Zeit durch. Weiß ich nicht: Nehm ich die Taschentücher und steck sie dahinten rein - zu einer bestimmten Zeit. (Wolfgang holt ein Taschentuch aus der einen Hosentasche und steckt es in die andere.) Auch ganz einfach. Am ersten Tag funktioniert's, am zweiten vielleicht auch noch… Jetzt habe ich es vergessen, ich habe so viel zu tun gehabt, an das habe ich nicht gedacht, das hätte ich um 12:00 mittags machen sollen. Ich komme erst kurz vorm Schlafengehen drauf: "Jesses, da sind noch immer die Taschentücher drinnen, die sollten ja eigentlich jetzt dorthin gewandert sein!" Sich zu disziplinieren, das wirklich durchzumachen! Aber man scheitert, man scheitert, man scheitert, man scheitert daran. Wenn man dranbleibt, lernt man an dem das Scheitern. Das ist ganz interessant.
Die dritte Übung ist Gemütskontrolle. Also, das heißt, wenn der Zorn in mir kommt, dann schaffe ich es zumindest, dass das nicht mein ganzes Wesen ergreift und ich gleich ins brüllen komme, sondern ich beobachte sehr wohl, wie das in mir hochsteigt, und sage: "Nee, du gehst mir jetzt nicht nach draußen. Nach draußen hin werde ich jetzt lächeln, weil, mein Ich sagt, es ist besser in der Situation, dass du einfach freundlich und trocken schaust", und, ja, eben nicht emotional schaust. Ich habe das erlebt mit einer Schauspielkollegin, einer entfernten, wir spielen ja die Mysteriendramen von Rudolf Steiner, und die Dame sagte mir, es war eine Niederländerin: "Also, ich hab euch gesehen, wie ihr das in Hamburg gespielt habt, so wie ihr das macht, so kann man das nicht machen." Hab ich gesagt: "Das finde ich schön, dass du mir das offen sagst." Sie hat mich angeschaut... "Meinst du das jetzt ernst?" "Ja, ich meine es ernst. Weil, ich bin überzeugt, dass es x Arten gibt, so was zu machen - und 'so kann man das nicht machen', heißt nur, Sie wollen es anders machen, und das ist Ihr gutes Recht. Aber das Recht nehme ich mir genauso heraus." Es gibt keinen, der entscheiden könnte, was besser ist oder was schlechter ist.
In der Fülle die Individualität finden und leben: Mit Mut und Willenskraft dem michaelischen Gedanken folgen 1:29:15
Selber muss man es entscheiden können. Wenn man sich ehrlich damit verbindet, findet man einen Weg, der aus der Sache heraus gestaltet ist. Egal, ob es vorher schon irgendeiner so gemacht hat oder nicht. Aber da muss man Mut aufbringen. Wenn ich es so mache: "Na, warten Sie, wir haben die Tradition, es ist immer so gemacht worden, weil Rudolf Steiner hat ja gesagt…" Und da mache ich es immer gleich, immer gleich, und da müssen alle stehen und müssen immer sehr ernst schauen… (Wolfgang weckt durch seine Körpersprache zustimmend-erkennende, belustigte Reaktionen im Teilnehmerkreis). Kann sein, dass das eine gute Art ist, das rüberzubringen - keine Frage. Aber es geht vielleicht anders auch. Es geht vielleicht anders auch, sodass sich andere Menschen auch angesprochen fühlen dadurch. Also, es gibt viele Arten den Geist einer Sache zum Ausdruck zu bringen. Und wir müssen überall wegkommen von dieser, wie soll ich sagen, Autoritätssucht: "Ah, da hat wer gesagt, so ist es zu machen." Das gibt höchstens einmal einen Rahmen für irgendwas, aber da müssen wir schauen, was tun wir damit: Selber weitergestalten. Überall selber weitergestalten. Ist in allem so.
In anthroposophischer Architektur: So und so muß es sein. Ja, aber wenn ich immer nur die Kopie davon mache, lebt es nicht, dann stirbt es - und dann hat es keine Bedeutung in der Welt, in Wahrheit. Dann ist es der Tisch (Wolfgang deutet auf den neben ihm stehenden Tisch) -, aber tot geworden. Lebendig gestalten, heißt, der nächste muss schon noch irgendwas, ein äußeres Element, hineinbekommen - und ein ganz individuelles Element eben, das durch den Künstler, durch den Gestalter, hineinkommt. Und trotzdem wird man merken, dass die Sachen alle, obwohl sie so unterschiedlich sind, dass ein gewisser gemeinsamer Geist trotzdem durchgeht. Die Natur lebt uns das vor.
Ich meine, wie viele Pflanzenarten, Tierarten gibt es? Die Fülle, der Reichtum - und auch bei den Tieren oder so. Wenn es jetzt lauter Hasen sind, nicht ein Hase gleicht genau dem anderen. Oder bei den Haustieren ist es ganz deutlich: Eine Katze gleicht nicht der anderen; ein Hund gleicht nicht dem anderen, auch wenn's jetzt alle Schäferhunde sind, aber jeder hat was Eigenes. Er ist zwar nicht sich seiner Individualität, sozusagen, bewusst, das unterscheidet ihn vom Menschen. Der Schäferhund weiß nicht: "Ich bin der Schäferhund sowieso", aber er hat in seiner ganzen Gestalt, in seiner Leiblichkeit, in seinen Instinkten, in seinen Trieben, auch in seiner Weisheit, die er hat, eine individuelle Note - und gleicht nicht dem anderen. Und in Wahrheit, ist es selbst bei den Regenwürmern so; da ist's schon sehr schwer zu unterscheiden, ob ob's jetzt der Maxi oder der Moritz ist. Aber trotzdem, es ist überall diese Fülle drinnen - und das ist nur in einem Kosmos möglich, in dem die Freiheit herrscht. Und das ist unsere Welt! Das ist unsere Welt. Also Mut! Mut! Das ist der Michaels Gedanke. Mut! Michael ist immer der, der dem Christus vorangeht, irgendwo; das Antlitz des Christus, der Vorbote des Christus in gewisser Weise, der der ihn begleitet. Und er ist der, der also dieses Mutprinzip hat - und Mut ist eine Willenskraft; das heißt, das Geistige, das Gestaltende kommt aus dem Willen. Man muss was anpacken. Und dann kommen einem die Ideen - im Tun.
Auch wenn wir aus dem Geistigen heraus gestalten wollen: Am Anfang steht die praktische Erfahrung, denn aus dem Abstrakten heraus finden wir nur tote Lösungen 1:33:24
Es ist oft das große Problem, dass man denkt: "Ja, wir wollen jetzt aus dem Geistigen heraus etwas gestalten." Jetzt setzt man sich zusammen und grübelt einmal, wie das gehen könnte. Damit sage ich jetzt nichts gegen das Denken, aber, man muss zuerst einmal anfangen, praktische Erfahrungen zu sammeln, praktisch was zu tun, zu arbeiten mit anderen Menschen, künstlerisch was zu gestalten, was auch immer. Und aus dem zu lernen und sich das immer mehr zu Bewusstsein zu machen. Dann wird man gute Lösungen finden. Aus dem Abstrakten heraus findet man immer nur die toten Lösungen. Die klingen rein gedanklich gesehen ganz ideal, aber sie entsprechen der Wirklichkeit nicht, nämlich diesem Lebendigen, Beweglichen, wo immer wieder ein schöpferisches Neues hineinkommt, mit dem ich rechnen muss und für das Raum sein muss. Wenn Sie Zahnräder in einer Maschine schöpferisch verändern, kriegen wir ein Problem, dann wird die Maschine nicht mehr funktionieren, weil, wenn Sie denken: "Naja, ich will jetzt mal die Zacke etwas verschieben", dann wird die ganze Maschine kaputt sein. Aber dort, wo aus dem Lebendigen gestaltet wird, passiert genau das. Da passiert genau das, dass immer variiert wird, darin besteht Leben: Gestaltung und Umgestaltung, ununterbrochen... "Des ewigen Geistes uralte Unterhaltung", oder so ähnlich; der Mephisto sagt das im Faust irgendwo und lästert damit a bissel der Gottheit… "Hmm, was ist da drinnen?" Aber genau das ist drinnen. Immer wieder, immer wieder. Immer wieder umgestalten. Ja... Und was müssen wir tun oder was können wir tun, um wirklich in diese Regsamkeit hineinzukommen? Oder was gehört dazu auch? Also, es genügt nicht zu warten, dass irgendwo ohne unser Zutun von oben oder sonst wo - eher dann von unten wahrscheinlich - der Impuls einfach kommt. Aber wenn ich in die Welt gehe, wenn ich tätig bin in der Welt und man etwas aufmerksam ist, wird man bemerken, es gibt besondere Begegnungen, besondere Erlebnisse, die das Leben verändern können - wenn wir wachsam genug sind. An denen man aber auch achtlos vorbeigehen kann! Und dann nicht! Weil, ich habe das schon angedeutet, unser Ich kommt uns eigentlich auch von außen zu - in den Begegnungen. Ich treffe einen bestimmten Menschen, der sagt mir vielleicht nur ein paar Worte. Ich gehe gar keine nähere Beziehung mit ihm ein, aber er hat irgendwas gesagt, was mich nicht mehr loslässt. Vielleicht vergesse ich es einmal für fünf Jahre wieder, aber dann taucht es wieder auf. Vielleicht, weil ich gerade mit meinem Leben nicht so zufrieden bin, irgendwie läuft’s… ich habe das Gefühl, ich bin noch nicht auf der richtigen Spur. Dann fällt mir das wieder ein, was mir der erzählt hat. Dadurch finde ich meinen Weg.
Mut haben, die Weichen neu zu stellen oder sogar ein neues Gleis zu legen - auch wenn das Ego protestiert 1:36:48
Das ist vielleicht ganz was anderes, als ich jetzt beruflich gelernt habe, ich verändere vielleicht mein ganzes Leben, ich bringe den Mut auf zu sagen: "Gut, ich fange komplett neu an!" Ich schnappe meine Familie und gehe jetzt nach Australien oder sonstwo, weil ich weiß, dort will ich jetzt biodynamischer Bauer werden, zum Beispiel. Da war ich Banker in Österreich und dort gehe ich hin und dort will ich Riesenfelder bearbeiten, Quadratkilometer groß, weil ich weiß, ich kann das. Ja. Wie auch immer. Ich meine, es muss ja nicht gleich so groß sein. Das ist jetzt ein sehr großes Beispiel. Aber, sozusagen, den Mut haben einmal, die Weichen zu stellen und nicht zu sagen: "Das Gleis liegt fest und den Zug muss ich halt bis zum bitteren Ende durchfahren." Es gibt überall Abzweigungen und wenn es keine gibt, bauen wir halt ein neues Gleis. Das ist das Wesen des Menschen. Und das haben wir immer.
Selbst wenn man in der ärgsten Beschränkung ist, gibt es immer noch etwas, was man tun kann. Ich meine, selbst wenn ich jetzt, angenommen, durch irgend einen Unfall oder eine Krankheit oder was ans Bett gefesselt bin und ich mich gar nicht mehr rühren kann: Dann kann ich geistig immer noch was tun. Irgendwelche Möglichkeiten gibt es immer. Man kann von außen sagen, das ist ein schreckliches Schicksal, was dem widerfahren ist. Vielleicht ist es das größte Glück, das ihm begegnet ist, weil er jetzt endlich das gefunden hat, was Seines ist. Ich gebrauche jetzt bewusst so ein krasses Beispiel; in der Regel wird es nicht so ein krasses Beispiel sein. Aber manches mag für andere draußen als Unglück aussehen, ist aber in Wahrheit genau das, was mich einen Schritt weiterbringt. Und, wie soll ich sagen, man kann das dann schon wirklich spüren. Also das Lebensgefühl ist dadurch ein anderes. Zu wissen: Das ist jetzt meines. Ich habe das gefunden. Und dort kommt man aber eigentlich nicht hin durch das, was man gelernt hat in seinem ganzen Leben, in der Schule oder sonst wo, im Beruf oder so. Das mag ein nützliches Werkzeug dazu sein, aber dadurch findet man den Impuls nicht. Das ist fast immer etwas, was von außen hereinschneit und den Finger dort drauflegt, um was es bei mir wirklich geht. Ich meine, wir selber sind einfach… Ja, in Wahrheit ist unser Ich da (Wolfgang weist von sich weg), unser Ich nimmt in der Umgebung die Gelegenheiten wahr, uns aufmerksam zu machen. Unser Ego nämlich, es ist unser Ego, das nämlich schläft dafür! Und unser Ich steht irgendwo drüber (Wolfgang weist über seinen Kopf hinweg nach oben). Und das Ego will nicht, folgt nicht. Da ist die Verbindung noch nicht da. Vor dem Problem stehen wir heute, dass da ein sehr kräftiges Ich eigentlich da ist, das aber unten oft mit einem Ego zu kämpfen hat, das ganz was anderes im Sinn hat - das von dem allen oben nichts weiß und auch nichts wissen will. Und die zwei sind ein bisschen im Konflikt. Der Nestroy hat das so schön geschrieben, unser Volksdichter Nestroy: "Jetzt möchte ich's wissen, wer stärker ist, i oder I?" Diesen Weg zu gehen… Geht uns allen so!
Eine Forderung unserer Zeit ist, sich dem Doppelgänger (gegenüber) zu stellen: Auch dazu gehört Willenskraft! 1:40:45
Nur heute, sage ich mal, verschärft sich das. Verschärft sich das insofern, als wir fast durch die Zeitsituation - und zwar, das geht schon durch das 20. Jahrhundert durch, da gab’s schon genug Gelegenheiten, und es wird jetzt auf andere Art im 21. nicht weniger, sondern eher stärker sein -, dass wir gestoßen werden, uns immer bewusster zu werden all der, naja, ich sage einmal, "Mängel", die wir noch in uns haben. Es ist die Begegnung, die Rudolf Steiner oder andere auch nennen: die Begegnung mit dem Doppelgänger. Da ist wer in mir, der drängt mich immer zu einer bestimmten Sache hin oder in eine bestimmte Richtung hin. Und meistens identifiziert man sich fast damit, aber es kommt der Moment, wo man sich geistig diesem anderen ich, diesem Alter Ego, gegenüberstellen kann und dann in voller Nüchternheit einmal sagt: "Du bildest dir ganz schön viel ein, aber das meiste davon stimmt einfach nicht. Du machst dir etwas vor." Und wo man sich zur Aufgabe macht: "Bursche, ich erziehe dich, dass du wirklich die reine Gestalt kriegst, die meinem Ich entspricht." Angenehm ist das nicht, diese Begegnung! Die kann sehr stark sein, so eine Begegnung mit dem Doppelgänger. Sie müssen jetzt nicht denken, dass Sie irgendwo eine große Vision sehen müssen. Es kann mit einem sehr starken Erlebnis verbunden sein, dann ist es wirklich dramatisch. Es kann aber ganz leise sein, dass man eigentlich immer wieder merkt - und zwar aber ohne sich jetzt klein zu machen dadurch - so merkt: "Gut, da fehlt's noch, dort fehlt's noch. Da habe ich wieder einen Blödsinn gemacht." Und dabei aber zugleich zu sagen: "Gut, mach’s das nächste Mal besser. Schau dir's an, ohne Reue, ohne Bitterkeit. Nimm zur Kenntnis, weiter bist du noch nicht, den Fehler machst du halt regelmäßig, immer wieder, okay. Ich versuche es zu ändern." Es gelingt die nächsten zehn Mal auch noch nicht. Vielleicht beim elften Mal. Aber dass ich mir selber einen Lebensübungsweg daraus mache. Das liegt in unserer Kraft. Das ist aber mindestens so schwer wie die Nebenwirkungen, von denen wir vorhin so teilweise gesprochen haben. Man vergisst's immer wieder. Irgendwann dann, zu Weihnachten, kommen wir wieder kurz für einen Tag: "Aber fürs nächste Jahr nehme ich mir das vor!" Und dann macht man es auch wirklich ein, zwei Mal - und dann ist es schon wieder weg. Dazu gehört Wille, dran zu bleiben. Das ist Wille. Der Kopf, der Verstand nutzt mir nichts. Vom Kopf her weiß ich eh, dass ich es eigentlich tun sollte und dass es mir gut täte. Und wenn es einmal funktioniert, spürt man das, wie gut einem das tut. Es war zwar anstrengend, aber: "Pahh, ich habe etwas an Freiheit, an Kraft gewonnen, die ich nicht nur für mich zur Verfügung habe, sondern mit der ich anderen auch was geben kann." Wo plötzlich das, was vorher nur in bestimmten Situationen ein Wutausbruch war, plötzlich eine ganz starke Kraft sein kann, die sogar den anderen motiviert, obwohl er mir vielleicht komplett unsympathisch ist. Wo ich unterscheiden kann. Ego unterscheidet nach Sympathie und Antipathie. Ja, mach nur, aber da stehe Ich, das wirkliche Ich drüber und sagt, wie weit du gehen darfst und wie weit nicht. Weil, antipathisch sind uns oft Menschen deswegen, weil sie halt anders sind als wir - und das passt uns nicht. Der eine ist halt ein Frühaufsteher, und der andere ist ein Morgenmuffel. Ja, wenn die miteinander leben wollen, dann müssen sie schauen, dass sie zurande kommen. Dann muss man das lieben lernen. Und wenn man es tut, ist es ein Gewinn für beide Seiten. Dann ist es wirklich ein Gewinn für beide Seiten.
"Und so kann jeder seine eigene Wahrheit haben - und es ist doch immer dieselbige" 1:45:18
Das ist das Schöne des schöpferischen Tuns, dass jeder Mensch neue Aspekte hereinbringen kann und dass das eine Bereicherung ist. Heute sagt man so oft: "Na, das stimmt mit meiner Meinung nicht überein", also folglich abzulehnen, anstatt zu sagen: "Du, das ist eigentlich spannend. Ich habe zwar eine ganz andere Meinung, aber erzähl, erzähl. Wie ist es? Das kenne ich ja gar nicht, so wie du die Welt siehst." Und dann komme ich drauf, dass das genauso ein interessanter Aspekt sein kann, der vielleicht für mich persönlich jetzt nicht so in Frage kommt, aber wo ich sehe, es gibt noch andere Perspektiven. Beweglich werden. Beweglich werden. Die Wahrheit ist nicht schwarz-weiß. Wahrheit kann so viele Facetten annehmen. Goethe sagt das so schön, er sagt: "Kenne ich mein Verhältnis zu mir selbst und zur Außenwelt" - mein Verhältnis zu mir selbst und zur Außenwelt -, "so heiß ich's Wahrheit. Und so kann jeder seine eigene Wahrheit haben und es ist doch immer dieselbige." Es ist einfach aus einer bestimmten Perspektive betrachtet.
Tatsächlich können wir einmal zunächst nichts anderes tun, als aus unserer Perspektive, aus unserer individuellen Perspektive, die Welt zu betrachten und wer anderer - jetzt bin ich sicher aus der Kamera draus (Wolfgang bewegt sich großräumig durchs Bild) - betrachtet sie von da. Ich kann rundherum gehen, alles zeigt mir verschiedene Facetten - und alle sind wahr. Wahrheit entsteht dort, wenn ich das, dem ich mich gegenüber stelle, aus meiner Perspektive richtig erfasse. Wenn ich sage: Na, das ist ein Wildschwein (Wolfgang zeigt auf die Kamera), wird vielleicht ein Irrtum drin sein. Es ist eher eine Kamera, es ist kein Wildschwein. Aber ob sie genauso aussehen muss, wie ich sie von da sehe? (Wolfgang bewegt sich vor der Kamera in verschiedene Richtungen.) Von der Seite sieht sie anders aus. Aber sie verfolgt mich… vielleicht doch ein Wildschwein?… Also Vorsicht! Um die Dinge herumgehen! Und dann wird man auch duldsamer, eigentlich zu sagen: "Gut, der ist nicht meiner Meinung, der ist besonders interessant." Weil, dass ich meine Meinung jetzt von allen anderen auch noch einmal höre, das ist eigentlich gähnend langweilig, in Wahrheit. Da kommt ja nichts Neues. In Bewegung kommt was, wenn eine andere… vielleicht ist's ja eh nur ein paar Nuancen daneben, dann geht's ja schon irgendwie. Eine Herausforderung wird's, wenn’s gerade diametral entgegengesetzt ist: Der eine sagt rot, der andere schwarz, aber auch das sind mögliche Extreme. Also, zu jeder Wahrheit aus einer Perspektive gibt's genau die gegenteilige von der anderen auch. Ich muss nur beweglicher werden, dann kann ich damit leben lernen. Ich kann dann trotzdem sagen: "Mein Aufgabenbereich liegt mehr in dem Bereich und deiner liegt in dem Bereich und deiner in dem Bereich." Ist ja in Ordnung, sind wir froh, dass wir einander ergänzen, weil wir auch unterschiedliche Fähigkeiten haben.
In den Menschengemeinschaften der (fernen?) Zukunft werden wir Gesundungskräfte finden können 1:48:42
Das werden Menschengemeinschaften der Zukunft, im Kleinen einmal, wo man sich nicht einschwört: "Wir sind alle der gleichen Meinung." Das ist Parteipolitik - und auch dort funktioniert es bekanntlich ja nicht. Aber man versucht's wenigstens, alle müssen das Gleiche sagen. Nein. Individuen, die gemeinsam was beitragen zu einem größeren Ganzen. Das bereitet in unserer Zeit schon die fernere Zukunft vor. Aber sonst… Es wird nicht irgendwie Friede oder Ding auf der Welt sein, wenn wir es nicht so vorbereiten. Es liegt nur an dem, an diesem Kleinen. Politik und so: Spielt sicher alles eine Rolle, aber nur, wenn sie von Menschen gemacht wird, die so etwas an sich erlebt haben und die so etwas in die Welt tragen können. Und da haben wir noch viel zu tun. Aber es ist eine lohnende Aufgabe, denke ich. Und eben wirklich: Immer wieder die interessante Erfahrung ist, wenn es einem ab und zu einmal ein bissl wo gelingt. Man spürt, wie wohltuend es den Menschen rundherum ist - aber auch einem selber. Wie gesundend das eigentlich ist! Das sind wirklich Gesundungskräfte.
Wie wir mit unserem eigenen Seelischen umgehen: Ursache für Krankheit und Gesundheit 1:50:04
Ich meine, in Wahrheit, möchte ich sagen, erkranken wir an den ungesunden seelischen Dingen, die wir in uns drin… an den Fehlern, die noch in uns rumoren, denn praktisch alle physischen Erkrankungen haben ihre Ursache irgendwo im Seelischen. Selbst wenn es Verletzungen sind, ziehen wir sie uns oft durch irgendeine seelische Ungeschicklichkeit an. Dann greife ich halt in die Sägemaschine rein oder sowas, weil ich seelisch nicht ganz dabei bin. Aber im Organismus ist es genauso. Es ist im Übrigen... wusste man im Mittelalter auch schon: Thomas von Aquin hat es so schön gesagt: "Die Seele ist die Form des Körpers." Das heißt, nach dem, wie die Seele ist, formt sich eigentlich der Körper. Und wenn in der Seele was nicht stimmt, dann manifestiert's sich zuletzt auch im Körperlichen. Ja, und wo hat die Seele ihre Kraft und ihre Form her? Aus dem Geistigen, aus dem Schöpferisch-Geistigen. Also das heißt, aus dem Geistigen - und in dem Fall: Aus unserem individuellen Geistigen formt sich unser Seelisches und das formt bis in den belebten Leib hinein. Und das heißt, wir haben sogar Gesundheit und Krankheit in gewisser Weise in der Hand. Nur geht es halt nicht so mit "Schnipp". Es ist ein Weg dorthin - und es wird ein langer Weg sein noch, aber erste Anfänge werden sich bald zeigen: dass man sieht, dass sehr wesentlich für Gesundheit und Krankheit ist, wie man mit seinem eigenen Seelischen umgeht, wie man es erzieht, wie man arbeitet daran. Das wird vor allem wichtig sein als Vorbeugung gegen Krankheiten. Es ist nicht so ein Zufall - und es sind nicht immer nur die Gene, von denen man heut… na, das ist zum Gähnen mit den Genen… Ich meine, weiß man eh heute: Völlig identische Genanlage - und dann kommt ganz was anderes heraus; hat man ja alles schon versucht. Also, an den Genen allein liegt’s eben nicht. Sie sind sicher wichtig dafür, aber sie sind ein Teil in der ganzen Geschichte. Die Frage ist: Was tue ich damit? Das ist so, wie wenn man ein Buch nimmt: Jeder Mensch, der das Buch liest, nimmt sich andere Dinge draus mit. Keiner genau dasselbe. Jeder das, was er braucht. Und so sind die Gene; sie sind auch so ein großes Buch, aus dem man alles Mögliche nimmt, was für einen selber paßt - bis ins Körperliche hinein.
Die dritte Nebenübung: Gelassenheit praktizieren für die eigene Gesundheit und ein friedvolles Miteinander 1:52:52
Und das heißt, Pflege, bewußte Pflege des eigenen Seelenlebens, wachwerden dafür: "Was geht denn da in mir vor?", sich selbst zu beobachten. Dritte Nebenübung: Der Zorn steigt in mir hoch, Gleichmut des Gefühls. Ja, ich spüre, es steigt, es steigt, aber… aber (Wolfgang zeigt, wie er dabei ganz ruhig bleibt) - und ohne unehrlich zu sein! Ohne unehrlich zu sein! In mir selber spüre ich den Zorn, ich kann von mir aus sagen: "Eigentlich schäume ich vor Zorn, aber ich versuche jetzt, dir ruhig zu begegnen." Dann wird der andere schauen, wenn er das merkt, nämlich. Er erwartet vielleicht: "Ja, wenn ich so komme, wirst du ja gleich genauso wild zurückkommen." Nein, bewusst jetzt nicht! Eigentlich will ich es schon, aber ich bleibe ruhig, freundlich und sage: "Sprich, erzähl mir, wie du die Welt siehst." Und unter Garantie, in den meisten Fällen wird die andere Person einmal schlucken und schauen und überlegen: "Was ist jetzt los?" Und der ganzen Situation ist ihre Schärfe genommen. Während, wenn ich jetzt gleich zurückschieße, bevor der andere noch geschossen hat: Lieber gleich, vorsichtig, zuerst schießen, nicht wahr. Zuerst schießen, dann reden. Cowboy-Manier. Dann wird's halt sehr schnell sich hochschaukeln und es wird einfach immer Kampf und Auseinandersetzung geben. Und wenn wir es nicht im Kleinen trainieren, werden wir es im Großen nicht schaffen in der Welt. Also, Gelegenheiten gibt es en masse. Dritte Nebenübung allein, da steckt der ganzen Weltfriede drin, wenn die funktionieren würde.
Die vierte Nebenübung ist die Positivitätsübung: Aus dem schwarzen Loch in der Wand heraus kann das Licht zu leuchten beginnen 1:54:49
Oder Positivität. Positivität. "Alles ist schlecht, alles, der halbe Weltuntergang!" Was heißt der halbe, der dreiviertel, alles eine Katastrophe." Jetzt such das eine Positive drinnen! Such die Stecknadel im Heuhaufen. Warum? Weil, aus dem kannst du die Zukunft gestalten. Aus dem, was alles schon krank ist und zerfallend ist und negativ ist, aus dem wirst du es nicht gestalten können. Das kann vielleicht der Humus, der Baustoff werden, aber du brauchst einen neuen Funken. Und der ist am Anfang immer ganz klein - so wie das Ich: Es ist ein Punktl, sage ich mal, zunächst. Das Ich ist was ganz Unscheinbares. Wir wissen ja gar nicht, was unser Ich ist - meistens. Ja, ich habe's oft verglichen mit einem schwarzen Loch in der Wand. Man sieht nicht, was es ist, nur dadurch, dass die Wand dort ein Loch hat, sehe ich: Da ist etwas. Aber was das Ich ist, sehe ich eigentlich nicht. Ich nehme es nicht wahr. Aber es ist doch der Mittelpunkt unseres Wesens - und es ist etwas, wo etwas heraussprudeln kann. Wenn ich dann aber merke: "Ah, da aus dem schwarzen Loch fängt das Licht zu leuchten an", und das erhellt mir plötzlich den ganzen Raum, dann kriege ich was mit von der Kraft des Ich, die drinnen ist; jetzt als Bild einfach versucht, das darzustellen. Aber das haben wir alle. Alle. Sonst wären wir keine Menschen. Und ich glaube, das ist der Michaelgedanke.
Abschluss und Ausklang mit dem Wochenspruch zu Michaeli 1:56:25
Ich schaue einmal, wie die Zeit fortgeschritten ist. Ich glaube… ah, da hab ich's doch richtig. Wir sind so ziemlich bei meinen üblichen zwei Stunden. Ich schließe ab - noch einmal mit dem Michaelspruch. Ich glaube, das passt ganz gut:
Natur, dein mütterliches Sein,
Ich trage es in meinem Willenswesen;
Und meines Willens Feuermacht,
Sie stählet meines Geistes Triebe,
Dass sie gebären Selbstgefühl,
Zu tragen mich in mir.
Das Ich, das eigentlich überall draußen ist, in mir wach bewusst zu erleben! Ich kann mein Ich überall finden, wenn ich die Sonne anschaue, ist mein Ich bei der Sonne in Wahrheit. Und blöd ist die Ansicht: "Da ist ein glühender Feuerball, der schickt seine Informationen da hinein" - und da drin säße irgendwo das Ich. Mein Ich ist in Wahrheit dort in der Sonne, es ist am Baum draußen, es ist bei dem Vogel, der zwitschert. Ich muss nur mein Ich dort erleben können. Dann verliere ich jede Angst auch vor dem Tod, weil, ich bin so groß wie die Welt. Und wenn das weg ist, ist es weg (Wolfgang zeigt dabei auf seinen Körper). Ich bin in der ganzen Welt da draußen. Das sollte uns Mut machen. Danke für heute. Wenn Sie noch Fragen haben, dann nachher gerne.
alle Vorträge von Wolfgang Peter ◁ |
Themenbezogene Anregungen
Vortrag von Dr. Wolfgang Peter über Transhumanismus
Wolfgang liest die Apokalypse des Johannes aus:
Das Neue Testament, in der Übersetzung von Emil Bock, herausgegeben von der Christengemeinschaft in der Deutschen Demokratischen Republik, 1988 (nach unserer Kenntnis nur mehr antiquarisch erhältlich)
Rudolf Steiner: "Die Apokalypse des Johannes" (13 Vorträge, gehalten in Nürnberg im Juni 1908; GA 104)
Rudolf Steiner: "Die Sendung Michaels" (12 Vorträge, gehalten in Dornach im November und Dezember 1919; GA 194)
Rudolf Steiner: Die Michael-Briefe in "Anthroposophische Leitsätze: Der Erkenntnisweg der Anthroposophie. Michael-Mysterium" (Dornach, 1924/25; GA 26)
Literaturangaben
Rudolf Steiner: "Anthroposophischer Seelenkalender" (Rudolf Steiner Verlag)
Rudolf Steiner: "Erster Naturwissenschaftlicher Kurs: Licht, Farbe, Ton - Masse, Elektrizität, Magnetismus. Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwicklung der Physik, Band I" (10 Vorträge, gehalten in Stuttgart im Dezember 1919 und Januar 2020, sowie 14 Fragenbeantwortungen, 1905-1921; GA 320; S. 191: zu "Kraft ist die einseitig räumliche Offenbarung des Geistes")
Rudolf Steiner: "Die Nebenübungen: Sechs Schritte zur Selbsterziehung" (ausgewählt und herausgegeben von Ateş Baydur, Rudolf Steiner Verlag, 2019, ISBN 978-3-7274-5295-6)
Rudolf Steiner: "Die sechs Nebenübungen" (Rudolf Steiner Ausgaben, 2021, ISBN 978-3-86772-238-4)