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Anregungen für ein Lebendiges Denken
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Am 24. Oktober 2019 hielt Dr. Wolfgang Peter in Brunn am Gebirge, Österreich, den Vortrag: "Anregungen für ein Lebendiges Denken", wovon eine Audioaufnahme verfügbar ist.
Audiodoku |
Themenschwerpunkt
Ein Vortrag, gehalten in der Rudolf Steiner-Gedenkstätte in Brunn am Gebirge bei Wien. So wie wir Menschen heute denken, ist nicht vergleichbar mit dem Denken aus früheren Zeiten. Das Denken hat sich im Laufe der Menschheitsevolution erst entwickeln müssen. Goethes Farbenlehre, die Scholastiker, Platon, Thomas von Aquin, imaginatives Wahrnehmen: Wie hängt alles zusammen? Ein großer Bogen durch die Entwicklung des Denkens durch die Jahrtausende wird hier gespannt. Das Denken unserer Zeit ist geprägt von Intellektualismus und erfasst das Wesen der Dinge nicht. Es dient hervorragend zum äußerlichen Beschreiben und Systematisieren von Dingen, aber es vermag nicht ins Geistige dahinter vorzudringen. Wie aber kommen wir wieder in ein innerlich-lebendiges Denken?
Ausgehended von Goethes Beobachtung von Naturphänomenen und Pflanzen überträgt Rudolf Steiner diese Herangehensweise auf das menschliche Denken. Warum nicht das Denken selbst voll bewusst zum Gegenstand der Beobachtung machen, um zu einem lebendigen Denken, zu Imaginationen zu kommen? alle Vorträge von Wolfgang Peter ◁
Transkription "Anregungen für ein Lebendiges Denken" von Candida, Ghislaine und Elke (25.11.2022)
Begrüßung 0:00:37
Liebe Freunde - sage ich jetzt - wir sind so im intimen Kreis, ich begrüße Sie sehr herzlich, dass wir uns ein bisschen über Rudolf Steiner unterhalten können und was sein Denken, seine Geisteswissenschaft für unsere Zeit heute bedeutet. Und wie wir eine Brücke finden, vielleicht finden können, zwischen dem Denken unserer Zeit und dem, was Rudolf Steiner eigentlich daraus weiter entwickelt hat.
Eine Brücke vom abstrakten zum weiterentwickelten Denken finden 0:01:08
Es ist ja so, dass Rudolf Steiner´s, seine erste Schrift waren die Einleitungen zu Goethes naturwissenschaftlichen Schriften, also er hat begonnen, sich mit Goethe zu beschäftigen, mit den naturwissenschaftlichen Arbeiten von Goethe. Und Goethe´s naturwissenschaftliche Arbeiten haben einen etwas anderen Charakter als die herkömmliche Naturwissenschaft, schon zu seiner Zeit auch hatte, weil Goethe eben viel weniger als die herkömmliche Natur- Wissenschaft vom abstrakten Denken ausgegangen ist, sondern sehr stark auf die Beobachtung der einzelnen Phänomene gegangen ist. Und er wollte eigentlich nicht die eine Wissenschaft haben, die die Phänomene mit allen möglichen Theorien durchsetzt, sondern er hat gemeint, die Phänomene selber müssen sich aussprechen. Ich muss halt schauen, dass ich von komplizierten Erscheinungen, die ich in der Natur finde, zu einfacheren Erscheinungen komme, zu ganz grundlegenden Erscheinungen, die ich unmittelbar einsehen kann in ihrem Entstehen, in ihrem Zusammenhang.
Die Farbenlehre Goethe´s im Vergleich zur Farbenlehre der Physik 0:02:18
Also z.B. Goethe´s Farbenlehre, die von den meisten Physikern heute im Grunde nicht verstanden wird. Weil, wie entstehen Farben aus der Sicht des Physikers? Der Physiker sagt, gut, das sind elektromagnetische Wellen, das kann man nachweisen, dass die mit Lichtgeschwindigkeit sich eben bewegen und je nachdem, welche Frequenz diese Wellen haben, welche Wellenlänge sie haben, je nach dem erscheinen bestimmte Farben oder auch etwas, was über den sichtbaren Bereich hinausgeht, ins Ultraviolette oder hinunter ins Infrarote. Aber das seien alles also elektromagnetische Wellen. Ja, ist natürlich sehr gut belegt, durch viele Versuche. Es ist sicher nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Frage ist nur, was hat das mit den Farben und mit dem Farberlebnis, das wir haben, überhaupt zu tun? Weil, wenn man nicht wüsste, dass eine elektromagnetische Welle von 640 Nanometer zufälligerweise rot erscheint - für uns - würde man nie drauf kommen. Also wir müssen es eigentlich erleben können, um nachher den Zusammenhang herzustellen. Aus der Gleichung für die elektromagnetische Welle wird man niemals zu dem kommen, was das Erlebnis einer Farbe ist.
Und Goethe ging es vor allem um dieses Erlebnis der Farbe und wie das gesetzmäßig zusammenhängt. Er wollte ja eigentlich eine Farbenlehre vor allem für Maler machen. Er war ja selber angehender Maler und hat lange gebraucht, bis er sich entschieden hat, ist mein künstlerisches Haupttalent auf dem Gebiet der Malerei oder liegt es mehr auf der Dichtung? Er hat sich erst relativ spät entschieden, sich mehr auf die Dichtung zu stürzen und man merkt aber seinen Dichtungen, sei es Gedichte selber oder auch seine Dramen, sehr stark diesen bildhaften Charakter an. Der ist unheimlich stark bei ihm. Also man muss sich nur die Faust-Dichtungen hernehmen. Das ist ja eine so reiche Bildersprache. Also das heißt: Goethe denkt auch in Bildern, in anschaulichen Bildern.
Wie entsteht Farbe? 0:04:31
Ja, wie ist Goethe da vorgegangen? Er hat sich gefragt: Wie entsteht Farbe? Ich nehme mal die Sonne. Ich kann einmal unterscheiden zwischen Licht und Finsternis, also ganz einfach in der Natur, in der Nacht ist relativ finster, wenn die Sonne nicht scheint und der Mond auch nicht scheint. Überhaupt, wenn man irgendwo im Hochgebirge ist, dann sieht man zwar die glänzenden Sterne ganz rein und groß, aber dazwischen ist es stockschwarz. Ich habe das einmal erlebt, also in Kreta im Ida-Gebirge oben, ganz abseits aller Dörfer, da war die Nacht so schwarz, dass man nicht gesehen hat, wo die Berge, der Boden in den Himmel übergeht. Also man hat wirklich vorher genau mit den Autoscheinwerfern schauen müssen, dass man nicht irgendwo herunterfällt und sicher wo steht. Es war nicht zu unterscheiden, wo der Erdboden in den Himmel übergeht. Und darin waren halt dann die leuchtenden Sterne, die ausgesehen haben - ich schwöre Ihnen - als wären sie solche Feuerräder. Und man dachte, man kann sie mit den Händen greifen. Also es war ein Spazierengehen auf dem Weg wo man sicher war, dass nichts passieren kann. Man glaubte, man geht durch den Sternenhimmel durch. Aber stockschwarz die Nacht, also der Himmel in der Nacht ist stockdunkel.
Bei Tag sieht es anders aus. Bei Tag kommt erst einmal die Sonne. Nehmen wir mal jetzt bevor wir den Sonnenaufgang besprechen, die Mittagssonne, wenn ein ganz klarer Himmel ist, dann ist sie wirklich fast strahlend weiß und man kann kaum hinschauen in das Sonnenlicht. Das ist auch gar nicht zu empfehlen, weil dann das für die Augen durchaus schädigend ist, wenn man länger hineinschaut. Und der Himmel bekommt aber eine bläuliche Färbung. Wir haben heuer öfters diesen azurblauen Himmel gehabt. Woher kommt das? Jetzt sind Farben auf einmal da. Also die schwarze Nacht, die weiße Sonne bei Tag, blauer Himmel. Wie schaut es denn am Morgen aus, wenn die Sonne sich langsam erhebt, also wenn die Nacht sich beginnt aufzuhellen? Das Interessante ist, bevor überhaupt noch Sonnenaufgang ist, aber es schon nahe hingeht, wenn Sie genau beobachten, sehen Sie am Horizont, dort wo die Sonne kommen wird, einen grünlichen Streifen. Ist ganz typisch. Grünlicher Streifen, so lindgrün, irgendwie so. Und dann langsam wird es heller und mischt sich was Gelbliches hinein, immer noch bevor die Scheibe sichtbar ist und dann tritt sie selber hervor, die Sonne. Zuerst ziemlich tief rot und je höher sie steigt, geht es ins Orange über, ins Gelbliche und wenn sie dann bis zum Mittag kommt, geht es ins Weiße über. Also eine ganze Skala von Farben, die da entsteht.
Also, wenn die Sonne sichtbar wird, eben vom Rötlichen vom ziemlich Tiefrötlichen, über das Orange, über das Gelbliche, bis dann zum Weißen auf der Mittagshöhe, sofern er wolkenfrei ist der Himmel. Wenn Wolken sind, kann sich die Sonne natürlich auch bei Tag abdunkeln, dann wird sie auch eher gelblich. Also, wenn Sie schauen, wenn sie bisschen durch die Wolken durchschaut, sehen Sie keine weiße Sonne mehr, sondern sie ist gelblich. Also sagte sich Goethe, wie passiert denn das? Was passiert denn da, wenn die Sonne gerade am Horizont aufgeht? Dann scheint sie also ganz nahe durch die erdnahen Schichten, also der Oberfläche von der Erde entlang sozusagen. Und sie macht einen weiten Weg durch. Durch die ganzen Dünste, die da in der untersten Schicht da drinnen sind. Und wenn das Sonnenlicht, das eigentlich weiß ist, ganz grell ist, abgedunkelt wird durch diese Dünste, dann verfärbt es sich. Je stärker es abgedunkelt wird, desto mehr ist es rötlich. Je schwächer die Verdunkelung wird, dann geht es ins Orange über ins Gelbe über und schließlich, wenn die Verdunkelung ganz weg ist, dann kommt das reine Weiß hervor. Das heißt, Farbe entsteht dadurch, dass reines weißes Licht abgedunkelt wird, durch etwas durchscheint, das das Licht abdunkelt.
Man könnte das (zeigt dem Auditorium etwas), ich weiß nicht ob es gut funktionieren wird, ich halte da eine Lampe drauf, wenn man durch ein Papier die Lampe abdunkelt, vielleicht funktioniert es, …nein, es ist nicht stark genug. Nein, es funktioniert nicht. Das hat nämlich zwei Gründe: Erstens, ist das Licht sehr blaustichig, das da drin ist und das Papier hat auch noch optische Aufheller, damit es nämlich weiß erscheint, weil normales Papier schaut immer vergilbt aus, selbst wenn es noch frisch ist. Da das aber heute die Menschen stört irgendwo, gibt man optische Aufheller hinein, die dem Ganzen eine Blautönung geben. Die Blautönung mit dem Gelb zusammen ergibt den Eindruck eines weißen Lichtes.
Also wir müssen ein Naturpapier nehmen, also leider kann ich es Ihnen nicht zeigen. Aber Sie können es zu Hause probieren, wenn Sie zufälligerweise irgend so noch ein altes Papier haben, das noch wirklich noch ein Naturpapier ist, das nicht diese Aufheller drinnen hat. Und am besten geht es mit einer normalen Taschenlampe, die eine Glühlampe ist, nicht diese LED-Lampen. Die haben nämlich auch einen unheimlich starken Blauanteil drinnen, der im Sonnenlicht nicht vorhanden ist. Also das weiße Sonnenlicht ist nämlich…, enthält in sich das Potenzial, alle Farben erzeugen zu können. Ich sage ganz bewusst - hören Sie genau auf meine Worte - ich sage: Sie hat das Potenzial in sich, alle Farben erzeugen zu können. Ich sage nicht, das weiße Licht enthält alle Farben. Das ist ein Unterschied! Aber das Licht erzeugt z.B. die roten Farbtöne, wenn es stark abgedunkelt wird. Es geht bis zu einem ganz dunklen Rot, bis schließlich gar kein Licht mehr durchkommt, dann wird es finster, natürlich. Oder wenn ich die Verdunklung schwächer mache, hellt es sich auf. Da haben wir wieder die Farbtöne von rot bis gelb.
Wie schaut es mit dem Himmel aus? Warum ist der Himmel blau? In der Nacht ist er kohlschwarz. Zumindest, wenn kein Streulicht in der Umgebung ist. Also bei uns kann man das kaum erleben. Aber damals als ich auf Kreta im Ida-Gebirge war, war das ganz, ganz, ganz, ganz, ganz schwarz, schwärzer geht es gar nicht. Aber wenn ich einen dunklen, schwarzen Hintergrund habe, wieder etwas Trübes davor, die Atmosphäre nämlich und diese Atmosphäre jetzt vom Sonnenlicht durchleuchtet ist, dann hellt sich das Dunkle auf. Es hellt sich auf, es wird zuerst so vom Schwarzen geht es über in ein ganz dunkles Violett. Das Violett wird heller, wenn die Trübung schwächer wird, wenn die Trübung stärker eigentlich wird. Nicht wahr, weil wenn es ganz ungetrübt ist, ist es schwarz, einfach. Aber es ist eine Trübung da, aber sie muss durchleuchtet sein, vom Sonnenlicht. Dann hellt es sich auf, über das Violett, Indigo, dunkleres Blau, helleres Blau. Und Sie wissen ja, wenn der Himmel so bisschen leicht bedeckt ist, dann hat man nicht dieses Azurblau am Himmel, dann ist es helles Himmelblau irgendwo. Also es wird immer heller, bis schließlich dann irgendwann die Wolken überhand nehmen und dann ist es weißlich.
Also das heißt, Goethe hat entdeckt: Wenn ich Dunkles aufhelle, entstehen die Farbtöne von Violett bis Blau, wenn ich Helles abdunkle, entstehen die Farbtöne vom Roten bis zum Gelben. Fehlt uns was? Das Grün, das Grün. Das Grün - obwohl wir festgestellt haben, also versuchen Sie es mal zu beobachten, da muss man allerdings zeitig aufstehen. Also das geht so eine halbe, dreiviertel Stunde vor Sonnenaufgang ungefähr. Dann ist im Osten, wo die Sonne aufgeht, ist dieser grünliche Streifen da. Das Grün entsteht nämlich, indem sich jetzt das Gelb mit dem Blau mischt. Und genau das passiert bevor diese eigentliche Sonnenscheibe da ist. Da kommt zwar schon das Licht von unten, das abgedunkelt wird, es scheint zwar noch nicht ganz zu uns, aber es mischt sich oben mit dem, mit dem Schwarzen, das zum Blau aufgehellt wird. Und jetzt mischt sich das Gelbliche mit dem Bläulichen und dadurch entsteht dieser grünliche Streifen. Also das heißt, Grün ist eine Mischfarbe, die aus den beiden polaren Gegensätzen herausgebildet wird. (Ein Teilnehmer stellt eine Frage bzw. möchte etwas dazu sagen: Für die Maler ist der Regenbogen das Beispiel für die Farben....Weiter war es nicht hörbar…)Dazu W.: Richtig, so ist es. Nur Goethe baut das noch systematischer in gewisser Weise auf, indem er eben diese beiden Enden oder den unteren Rand und den oberen Rand vom Regenbogen eigentlich noch sieht, dass das durch zwei gegensätzliche Prinzipien entsteht. Und dass das Grün eben nicht wie die anderen Farben ist, sondern dass das nur durch die Mischung entsteht, der Eindruck.
Goethes Farb-Beobachtung mit dem Glas-Prisma 0:16:06
Und ein Ähnliches kann ich erleben, wenn ich z.B. durch ein Glasprisma durchschaue. Da muss ich auf eine Kante schauen, also wo wie ein Übergang ist vom Dunklen ins Helle oder vom Hellen ins Dunkle. Dann sehe ich an einer Kante immer nur entweder die gelb-roten Farbtöne, also eigentlich fängt es an vom rot, vom Dunklen übergehend ins helle Rot, Orange, Gelb. Kein grün, keine Blautöne. Auf einer entgegen gesetzten Kante, wenn es jetzt von unten vom Dunklen ins Helle übergeht, sehe ich genau das Gegenteil. Es geht vom Dunklen über das Violett, Indigo ins Blau über. Kein Grün. Kein Grün. Wird uns oft weisgemacht, nicht wahr, das Prisma zerlegt das Licht in die Regenbogenfarben. Stimmt nicht! Goethe hat das so lange geglaubt, bis er das erste Mal ein Prisma in der Hand gehabt hat. Dann hat er eine weiße Wand angeschaut und die weiße Wand war weiß. Nichts anderes als Weiß. (Eine Teilnehmerin fragt: Keine Gegenfarbe?) W: Nichts, gar nichts, rein Weiß. Nur dann ist ihm aufgefallen, wo eine Kante ist, dort entstehen Farben. Wo ein Übergang vom Weißen ins Dunkle ist. Überall dort entstehen Farben, nur dort. Also keine Rede davon, dass das Weiße zerlegt wird in Regenbogenfarben.Und das Grün entsteht eben nur dann beim Prisma, wenn ich diese untere Kante, wo jetzt angenommen die blauen Farbtöne entstehen und die obere Kante, wenn ich die immer mehr zusammen schiebe, bis schließlich so ein enger Spalt entsteht, dass in der Mitte sich Gelb mit Blau zum Grün mischt. Dann habe ich die Regenbogenfarben.
Newton´s Theorie über weißes Licht und die Regenbogenfarben 0:18:10
Das macht man in der Physik, wenn man durch ein Prisma die Regenbogenfarben erzeugen will. Dann macht man nämlich einen ganz engen Spalt. Würde man diesen ganz engen Spalt nicht machen, dann würde man nur die einzelnen Kantenspektren haben. Also Rot bis Gelb, Violett bis Blau. Kein Grün drinnen. Also das heißt, Goethe hat einfach aufmerksam beobachtet. Und hat dann gesagt, der Newton, der als erster diesen Versuch mit dem Spalt und dem Prisma gemacht hat und der gesagt hat: Aha das weiße Licht wird aufgespaltet in die Regenbogenfarben. Der Newton hat unrecht. Der hat nicht genau beobachtet. Er hat einfach eine bestimmte Versuchsanordnung gemacht und hat gleich daraus eine Theorie gesponnen: Weißes Licht wird zerlegt in Regenbogenfarben. Das stimmt nicht, sondern die Farben entstehen entweder dadurch, dass Licht abgedunkelt wird oder Finsternis aufgehellt wird. Also diese zwei Gegenpole von Licht und Finsternis sind immer notwendig, damit dieses ganze Farbspektrum entsteht. Abgesehen davon, ist im normalen Farbspektrum, sind bestimmte Farbtöne, die wir aber durchaus erleben können, nicht drinnen. Die Regenbogenfarben gehen also vom Rot-Orange-Gelb-Grün-Blau-Indigo-Violett. Das sind die sieben Grundregenbogenfarben.
Goethe´s Pfirsichblüt 0:19:52
Eine Farbe gibt es nicht drinnen. Es gibt kein reines Rot. Das Rot das nämlich da entsteht, ist immer ein Gelb-Rot. Es hat immer so einen schwach gelblichen Stich. Das reine Rot, Goethe nennt es auch Pfirsichblüt oder heute, damit Sie wissen welche Farbe genau gemeint ist, weil den Namen kennt man besser, heute sagt man Magenta dazu. Kennen Sie die Farbe Magenta? Die Handyfirma, die T-Mobile, hat dieses als Werbefarbe. (Eine Teilnehmerin fragt: Das ist mehr Pink oder?) W: Ja Pink, aber man kann sagen es ist Pink, Purpur, Magenta, Pfirsichblüt, das sind alles verschiedene Schattierungen davon. Die Farbe entsteht im normalen Regenbogen nicht. Die gibt es in den Regenbogenfarben nicht. Es gibt, ich kann es durch einen Trick erzeugen, wenn ich jetzt eine weiße Wand hernehme und nicht oben was Dunkles, unten was Dunkles hab, sondern jetzt einfach einen dünnen schwarzen Streifen auf die Wand male, dann überlagern sich dieser rot-gelbe Teil und der violett-blaue Teil in umgekehrter Folge, so dass sich jetzt das Violett mit dem Gelb-Roten mischt. Und dann entsteht die Pfirsichblüt-Farbe. Und die ist, wenn man es namentlich durch so ein Prisma anschaut, die ist unheimlich energiegeladen und strahlend von der Wirkung. Die, auf gut Wienerisch, "haut einem das Auge ein". Die ist so lebendig, dass man glaubt, also die wurlt richtig. Im Druck z.B. kann man die gar nicht wirklich wiedergeben. Die muss man wirklich am Licht erleben, dann merkt man, dass die ganz intensiv ist, ganz lebendig ist, im Gegensatz zum Grün, das eigentlich sehr beruhigend ist. Das Grün ist eigentlich nicht so was, was so richtig wurlt, sondern was eher beruhigt. Und dieses Pfirsichblüt, wie es Goethe nennt, ist was ganz, ganz Energiegeladenes. Aber Goethe sagt dann, na gut, also wenn der Newton recht hat, dann müsste er sagen, jetzt zerleg ich die Finsternis, das Schwarze durch mein Prisma, dann habe ich nämlich ein umgekehrtes Spektrum. Dann geht es jetzt plötzlich vom Gelb-Orange-Rot-Magenta in der Mitte, weiter zum Violett-Indigo und Blau. Ist das genaue Gegenbild zum Regenbogen, sind die Gegenfarben eigentlich. Also das Gegenbild vom Regenbogen. Etwas ganz anderes.
Denken versus Beobachten 0:23:09
Also ich wollte das nur so als Einstieg als Beispiel geben, wie anders man an die Natur herangehen kann. Also wenn man aufmerksam beobachtet, wenn man nicht gleich sagt, ich mache eine Theorie. Weil der Newton ist hergegangen, hat das Prisma gesehen, ah - durch meine Fensterläden, wenn ich da hinschaue, ah - Regenbogen kommt da raus, wenn ich auf die Spalten schaue. Klar, weil da ist ein schmaler Spalt, da überlappt sich alles, da entsteht das Grün. Und daraus erfolgt sogleich die Theorie, aha! mit Hilfe des Prismas kann ich weißes Licht in die Regenbogenfarben zerlegen. Folglich besteht das Licht, weißes Licht besteht aus den Regenbogenfarben. Das kommt aus dem Denken. Nicht aus der Beobachtung. Weil er hat eigentlich nur einen einzigen Fall beobachtet, im Grunde. Und den schon für die Totalität genommen. Goethe war eben genau der Umgekehrte. Der hat gesagt: Theorien - ich brauch keine Theorien. Ich schau mir die Welt so lange an bis ich die einfachsten Grundphänomene finde und aus denen baue ich mir nach und nach halt die komplexeren Erscheinungen auf. Und daher kann das so, wie es Goethe schildert, kann niemals falsch sein. Es kann schlecht beobachtet sein, dann habe ich schlecht hingeschaut. Aber wenn es gut beobachtet ist, schildere ich eigentlich nur Tatsachen. Und ich baue keine Theorien auf, sondern ich gebe nur, aber einen jetzt gedanklich fassbaren Weg, der von einfachen zu immer komplizierteren Phänomenen geht.
Also das war der Einstieg mit dem sich Rudolf Steiner beschäftigt hat. Das ist z.B. etwas, wenn wir es im Unterricht machen mit den Schülern oder so, ein ganz anderer Zugang. Ein ganz anderer Einstieg z.B. in die Physik, in die Optik, in den Umgang mit den Farben, als wenn ich anfange ihnen gleich zu erzählen: Nun, da gibt es elektromagnetische Wellenlängen. Wer hat schon eine elektromagnetische Wellenlänge gesehen? Wer hat eine elektromagnetische Welle gesehen? Also ich nicht. Man redet es uns ein, man sagt, das sind welche. Ich bezweifle nicht, dass da elektromagnetische Vorgänge stattfinden, aber die sind gerade das, was ich nicht sehe. Das ist so wie, ich gebe Ihnen jetzt ein anderes Beispiel, wenn uns die Gehirnforscher erklären wollen, also Gedanken sind Gehirnvorgänge. Mag schon sein, dass das Gehirn tätig ist, wenn wir denken, will ich gar nicht bestreiten. Aber haben Sie schon Gehirnvorgänge erlebt, wenn Sie denken? Ja manchmal, wenn man sich anstrengt kriegt man Kopfweh, aber das ist nicht unbedingt Erkenntnis fördernd. Also, der Punkt liegt daran, dass Dinge miteinander verwechselt werden. Daher sagt Rudolf Steiner dann sehr deutlich: man kann gut über das Denken sprechen ohne mit der Gehirnphysiologie in Kollision zu geraten. D.h. ich brauche eigentlich gar nicht aufs Hirnkastl schauen, wenn ich über das Denken sprechen will. Erforscht doch bitte lieber mal die Eigenschaften des Denkens selber, lernt es beobachten und nehmt es nicht so selbstverständlich. Eben so wie es Goethe einmal mit der äußeren, sinnlichen Beobachtung gemacht hat.
Worte - Begriffe - der Begriff der Pflanze 0:26:58
Also das heißt, wenn wir zu einem lebendigen Denken kommen wollen, müssen wir es eigentlich so ähnlich machen, wie es Goethe mit der äußeren Beobachtung gemacht hat. Wir müssen jetzt innerlich beobachten lernen, unser eigenes Denken. Vielleicht kommt man dann auf neuere Erkenntnisse. Ja, aber ich sage sehr deutlich, das Denken beobachten und nicht einfach fertige Gedanken. Weil, die haben wir alle normalerweise im Kopf, also das Ganze was wir im Alltag denken, sind im Grunde fertige Gedanken. Wir haben bestimmte Begriffe: Baum, Blume, Stein. Ah, der Baum ist auch eine Pflanze, logisch gedacht und richtig. Aber es sind lauter fertige Gedanken. Wenn ich Sie jetzt frage: Was ist der Begriff Pflanze? Was ist das? Ja, ein Botaniker kann Ihnen sicher irgendeine Definition dafür geben, was eine Pflanze ist. Die reicht aber lange nicht aus, um eine Pflanze zu verstehen, in Wahrheit sind es fertige Gedanken.
Ich meine, wie merken wir uns als Kind die ersten Begriffe? Ja, indem wir bestimmte ähnliche Dinge immer wieder sehen. Einen Ball, den wir vielleicht zu schenken gekriegt haben. Mit der Zeit hören wir das Wort dazu: Ball. Wir lernen es nachsprechen und sagen Ball. Also wir haben ein bestimmtes Bild dazu, das ist so was Rundes. Wir lernen mit der Zeit, der muss nicht unbedingt so rot wie meiner sein, der kann auch grün sein oder kann blaue Flecken drauf haben. Aber so was Rundes, was hüpft, ist der Ball. Ist das der Begriff eines Balles? Ich frage Sie nur, ist das schon wirklich der Begriff eines Balles? Hab ich da schon alles davon oder ist es noch mehr? Eigentlich habe ich ein Wort, einen Namen, der etwas Bestimmtes bezeichnet, was ich sinnlich wahrnehmen kann. Von dem ich mir auch von mir aus eine innere Vorstellung bilden kann. Sie können den Ball anschauen, können dann die Augen zumachen, können versuchen sich ein inneres Bild zu machen. Merkt man gleich, das innere Bild ist verdammt blass gegenüber dem, was ich da wirklich vor mir sehe, wenn ich die Augen offen habe.
Probieren Sie es einfach, schauen Sie irgendwas an und versuchen Sie sich jetzt innerlich das Bild zu machen. Wie schaut das aus? Es ist bei einzelnen Menschen unterschiedlich. Ob Sie überhaupt eine Bildvorstellung zusammenbringen oder ob Sie nur eine Art innere Bildbeschreibung haben. Wir haben oft nur: Aha, da ist so was, das ist silbern, so eckig, das ist die Leuchte da. Also Sie können das selber für sich... Sie müssen sich entscheiden, ob Sie es innerlich sehen, wenn Sie die Augen zumachen oder ob Sie innerlich nur eine verbale Beschreibung davon haben. Sind verschiedene Möglichkeiten, aber Sie haben jedenfalls eine Erinnerung an das, was draußen war, wenn Sie auch die Augen zu machen. Der Begriff hat oder das was wir zunächst als Begriff bezeichnen, hat etwas zu tun mit diesen Vorstellungsbildern. Nicht wahr, wir können uns den Begriff jetzt dieser Lampe oder dieses Balles auch vergegenwärtigen, wenn er gerade äußerlich nicht vorhanden ist. Aber dann ist er eben nicht in seiner sinnlichen Realität da, sondern abgeblasst, vielleicht überhaupt nur als Wort.
Wie sagt es Mephisto: « Mit Worten lässt sich trefflich streiten, Mit Worten ein System bereiten, An Worte lässt sich trefflich glauben, Von einem Wort lässt sich kein Jota rauben ». Worauf der Schüler dem man das erklärt, sagt: « aber ein Begriff muss bei dem Worte sein ». Und der Mephisto sagt : » Ja, ja aber man muss sich ja nicht zu sehr anstrengen ». Also in Wahrheit, Vieles was wir heute als Begriff bezeichnen, ist nichts anders als ein Wort für eine sehr vage Vorstellung, die wir haben. Das ist weit weg vom wirklichen Denken. Ich wage zu behaupten, gerade heute im Zeitalter des Intellektualismus, wir leben in einem sehr intellektuellen Zeitalter, wird so wenig gedacht wie noch nie. Wenn ich wirklich fassen will zum Beispiel den Begriff der Pflanze, dann ist eine in zwei Sätzen gefasste, in Worte gefasste Definition, ist nichts. Es ist nichts. Es ist völliges Abstraktum. Es ist im Grunde kein Begriff. Es ist nicht einmal der Schatten eines Begriffs. Ich erfasse das Wesen, was eine Pflanze ausmacht damit nicht, überhaupt nicht. Und ich erfasse das Wesen einer Pflanze auch dann nicht, wenn ich dann als Naturwissenschaftler natürlich herangehe und jetzt die Pflanze zergliedere in hundert tausend Teile, bis auf die Zellebene hinunter und noch weiter hinunter, bis auf die Erbanlage, die drinnen ist. Dann habe ich halt hunderttausend so kleine Teile, habe Worte dazu und Sätze, Definitionssätze dazu, und sie sagen mir über die Pflanze nichts. Rein gar nichts.
Die Scholastiker und das Denken - die Idee 0:33:16
Wir haben nur dann das, was der Mephisto so schön sagt: « Dann hat er die Teile in seiner Hand, fehlt leider nur das geistige Band ». Unser Denken ist eines, das heute, oder was wir denken nennen heute, ist im Großen und Ganzen etwas, was das eigentliche Denken nicht mehr erleben kann. Ich sage es ganz dezidiert: Der Übergang findet sich etwa vom Mittelalter zur Neuzeit, kurz vorher in der Hochblüte der Scholastik. Die Scholastiker waren die hochmittelalterlichen kirchlichen Denker vor allem. Da gab es zwei Richtungen. Es gab die Realisten, unter denen hat man aber etwas ganz anderes verstanden, als man heute unter Realisten versteht. Realisten waren die, die gesagt haben: Das Denken, die Idee ist das eigentliche Reale, aus dem alles entsteht, weil sie sie innerlich noch erleben konnten. Geistig! Und sie sagten: Das was ich da erlebe, das macht die Erscheinungen da draußen. Es ist realer als die sinnliche Wahrnehmung, in Wahrheit. Es ist der letzte Zipfel.
Platon und die Idee der Pflanze 0:34:46
Der Platon hatte das sehr stark, also wenn wir weiter zurück gehen, Platon’s Ideen-Lehre. Der lebte ganz stark in diesem und hat ganz deutlich gesagt: Die sinnlichen Erscheinungen, das ist Schein. Das ist viel schwächer. Äußere Erscheinungen, da ergreife ich das Innere nicht, wenn ich eine Pflanze bloß äußerlich anschaue, sagt er. Die hat grüne Blätter und dann unten sind ein paar bunte Blätter, da sind die Blütenblätter, dann weiß ich doch nichts von der Pflanze. Aber wenn ich mich in die Idee der Pflanze einlebe, dann kommt so eine Fülle. Da kommt die ganze Fülle dessen was diese Pflanze baut.
Goethe´s Beobachtung der lebenden Pflanze 0:35:26
Es ist natürlich die Frage, wie kommen wir heute an das heran? Für uns ist der Begriff einfach ein Wort und eine kurze Definition, nicht mehr. Wie komme ich an das heran? Nun, gehen wir wieder zum Goethe, der konnte das nämlich. Indem er sich sein Leben lang mit Pflanzen beschäftigt hat, selber Pflanzen vom Samen auf aufgezogen hat und eben auch dabei studieren wollte: Was macht denn eine Pflanze wirklich aus? Eine lebende Pflanze, nicht eine, die ich ausrupfe, die Blätter herunternehme, abzähle und sage, aus welchen Teilen besteht die Pflanze. Sondern was macht dieses Leben der Pflanze aus, wenn sie aus dem Samenkorn rauskommt, das fast wie ein Mineral ausschaut. Wenn dann Feuchtigkeit dazu kommt, die Wärme dazu kommt, das Licht ein bisschen dazu kommt im Frühjahr. Dann das erste Keimblatt herauskommt und dann der Spross sich da heraushebt. Was passiert da? Ich beobachte. Dasselbe, was er vorher bei den Farben gemacht hat, macht er da. Ich beobachte die Pflanze Schritt für Schritt. Was sie tut, wenn sie lebt:
Nicht ich schaue die fertige Pflanze an, die fertige Rose, sondern ich schaue an, was passiert, wenn sie wirklich aus dem Keim heraus wächst. Ich verfolge das. Immer wieder, immer wieder. Ja, wenn man das beobachtet, was sieht man denn da? Es kommt einerseits dieser Spross heraus in der Mitte, es geht nach der Seite, es bilden sich diese Stängel nach der einen, nach der anderen Seite, die sich auffächern zu Blättern. Unten noch sehr einfach, wenn man die untersten Blätter anschaut, die sind noch sehr einfach gebaut. Überhaupt die ersten Keimblätter, die sind ganz einfach und weich, noch sehr ungestaltet. Je weiter sich das auszudehnen beginnt, desto deutlicher kommt eine ganz markante Blattgestalt heraus, typisch für die jeweilige Pflanze.
Wenn es aber jetzt weiter geht, fangen die an, sich wieder zurückzuziehen. Es kündigt sich ein Zusammenziehen an. Es kündigt sich eigentlich schon vorher mal ein bisschen an, weil der Spross bildet ja auch einen Knoten. Von dem Knoten geht der Stiel weg mit den Blättern. Kommt der nächste Knoten. Manchmal kommen aus einem Knoten mehrere heraus, je nach Pflanze. Manchmal ist es der Höhe nach gestaffelt, also immer dieses mal Aufstreben, sich Ausbreiten, Zusammenziehen, Ausbreiten, Zusammenziehen, das erreicht jetzt einen gewissen Höhepunkt einmal bei den Laubblättern, wo sie in ihrer markantesten Gestalt da sind. Dann zieht es sich wieder zurück und dann kommt der Blütenkelch.
Die Kelchblätter, wenn Sie sie vergleichen jetzt mit diesen Laubblättern, die da unten sind, die sind wieder ganz einfach gestaltet. Viel strukturloser, viel simpler, kleiner auch und dann bricht da aus diesen Kelchblättern die Blüte hervor, die Blütenblätter. Es ist wieder eine Ausdehnung da. Die Blätter sind aber anders. Sie sind feiner. Die Laubblätter sind viel härter, viel kräftiger, grün vor allem. Die Blütenblätter sind ganz zart, ganz weich, farbig. Also eine andere Qualität. Trotzdem, wenn man genau beobachtet, sieht man die Form, die diese Blütenblätter hat. Ist zwar nicht dieselbe, wie die der Laubblätter, aber sie haben eine Formverwandtschaft. Es wächst nicht aus einer Pflanze, die ganz bestimmt gebaute Laubblätter hat, irgendein beliebiges Blütenblatt heraus. Es besteht eine Formverwandtschaft.
Es ist also eine bestimmte Form, die sich aber verwandelt. Die sich verwandelt, aber trotzdem ein Grundprinzip, das durchgeht. Das hält sich sogar dann weiter, wenn jetzt die nächste Zusammenziehung kommt, in der Blüte selber drinnen, wo jetzt die Staubfäden entstehen. Die Staubfäden sind nämlich auch nichts anders als verwandelte Blätter. Es war Goethes große Entdeckung : Die Pflanze ist von unten bis oben Blatt. Aber Blatt, das sich immer wieder verwandelt. In den Staubgefäßen ist es jetzt so ganz zusammengerollt das Blatt sozusagen, ganz fein nach oben vielleicht so ein kleines Ding, was an ein normales Blatt erinnert. Aber es ist das Blattprinzip jetzt in eine Extremform gebracht und innen der Stempel mit dem Fruchtknoten, mit dem Stempel, wo die Befruchtung stattfindet, auch in Wahrheit ein umgewandeltes Blatt. Dieser Stempel, dieser Fruchtknoten dehnt sich dann aus letztlich zur Frucht, wieder eine Ausdehnung und im Inneren bilden sich die Samen, wieder eine Zusammenziehung.
Der rhythmische Prozess der Pflanze - inneres lebendiges Bild - Urpflanze 0:41:31
Also das heißt, wenn ich die Pflanze verstehen will, habe ich diesen rhythmischen Prozess: Also Hinaufstreben, Ausdehnung, Zusammenziehung, Hinaufstreben, Ausdehnung, Zusammenziehung, noch einmal Hinaufstreben, Ausdehnung, zur Frucht schließlich im Innern die Zusammenziehung zum Samen, der unter Umständen ganz winzig sein kann. Das berühmte Senfkorn, der Samen also des Senfs ist ganz was Kleines. Hart, dauerhaft, fast mineralisch, fast tot. Fast, nicht ganz. Man hat sogar in den ägyptischen Gräbern Samen gefunden nach 2000, 3000 Jahren die noch keimfähig sind. Konnte man anpflanzen, so konnte man daher feststellen, wie war das Getreide damals, das die Ägypter verwendet haben. Man kann es vergleichen mit dem, was wir heute haben. Dieser Same, der fast in das Mineralische geht, wo das Leben still steht, ich würde nicht sagen tot, es ist nicht ganz tot. Wenn es tot wäre, dann würde keine Pflanze mehr daraus wachsen. Aber es ist so zurückgenommen, so reduziert, dass es ganz fast an das Mineralische kommt. Und genau aus dem wächst aber dann, wenn es in die fruchtbare Erde fällt, wieder die ganze Pflanze heraus.
Und jetzt versuchen Sie sich das in ein inneres lebendiges Bild zu machen. Ganz konkret. An einer bestimmten Pflanze den Prozess wirklich zu verfolgen, dazu muss man wirklich jahrelang äußerlich beobachtet haben, um jetzt so eine Vorstellung sich innerlich zu bilden. Das heißt, Augen zu und ich lasse die Pflanze in mir, in meiner Vorstellung wachsen, mit allen Details. Dann bin ich schon etwas näher an dem was ein wirkliches geistiges Erleben der Pflanze ist. Weil so sehe ich es eigentlich äußerlich nie. Ich sehe in Wahrheit nur die einzelnen Stadien und ich sehe nicht - heute gibt es natürlich einen Trick, heute kann man Zeitrafferaufnahmen machen, das heißt jeden Tag wird ein Foto gemacht und das lasse ich dann als Film ablaufen und dann habe ich es sehr bequem, dann schaue ich das an - sehr schön. Das Dumme ist nur, ich habe es dann nur als sinnliche Wahrnehmung und nicht als ein inneres Bild. Also, dass wir uns heute so schwer tun, die inneren Bilder zu machen, hängt sehr viel damit zusammen, dass man das ganze Zeug drum herum bis zum Breitwand-Bildschirm oder sonst was, weil wir eigentlich die Bilder nur noch äußerlich erleben, wir verlernen sie innerlich zu erleben.
Das wäre einmal ein wichtiger Schritt, also zu dem inneren Bild zu kommen. Dann bin ich noch lange nicht beim Begriff, beim wirklichen Begriff. Ich bin noch beim inneren Vorstellungsbild, aber jetzt bei einem lebendigen inneren Bild. Jetzt gehe ich weiter, schaue ich mir andere Pflanzen an. Mache dort genau dasselbe. Ich studiere die Rosen, ich studiere die Gänseblümchen und was sonst daher kommt. Ich studiere einen Ackerschachtelhalm, was auch immer, also die unterschiedlichsten Pflanzen. Alle haben nämlich in gewisser Weise dieses Prinzip: Herauswachsen, ausdehnen, zusammenziehen, ausdehnen, zusammenziehen, ausdehnen, noch einmal zusammenziehen. Manchmal sind die Blütenblätter gar nicht so wirklich fein sichtbar, also es kann sehr einseitig manchmal werden, also bei Gräsern ist es sehr einseitig, aber die haben auch ihre kleinen Blütchen drauf. Wenn man sich die Gräser anschaut, natürlich haben sie auch die kleinen Blütchen darauf. Dann ist halt dieser Spross wahnsinnig lang und die Blätter sind sehr, sehr lang die da vom Spross weggehen und sind gar nicht so viele.
Ich versuche jetzt die ganze mir zugängliche Pflanzenwelt einmal durchzugehen. Und jetzt versuche ich, mir ein inneres Bild von dem zu machen, was allen Pflanzen gemeinsam ist. Eben dieses: Ausdehnen, zusammenziehen, ausdehnen, zusammenziehen, ausdehnen, zusammenziehen aber jetzt als konkretes Bild. Als konkretes, inneres, wie soll ich sagen, Bildexperiment geradezu. Also das heißt, ich lasse jetzt die Rose in mir wachsen und jetzt verwandle ich sie in´s Gänseblümchen oder ich verwandle es in den Ackerschachtelhalm, ich verwandle es in irgendein Gras, ich verwandle es in den Weizen, in den Roggen, in alles Mögliche, im inneren Bild. Dann habe ich ein Bilderlebnis, das ich noch nicht mal mit dem Zeitraffer wirklich zusammenbringe. Weil jetzt machen Sie das, angenommen mit zwanzig Bildern, wenn Sie es im Zeitraffer übereinander legen, dann sehen Sie gar nichts mehr. Weil dann sind X-Bilder übereinander, dann bekommt man zumindest einen sehr verwaschenen Eindruck. Wenn Sie das innerlich machen so wie Goethe - ich kann es nicht mit den Pflanzen, dazu habe ich nicht genug Erfahrung mit den Pflanzen - ich kann es nur sehr annäherungsweise, aber doch soweit, dass ich dann sehe, im inneren Erlebnis ist das kein Problem, alle diese Dinge gleichzeitig zu haben. Es ist nämlich ganz interessant. Wenn man wirklich dann das erlebt was Goethe die „Urpflanze“ nennt, das heißt diese bewegliche innere Gestalt, die sich in alle Pflanzen verwandeln lässt, dann habe ich sie, obwohl sie bewegt ist - das ist paradox - in völliger Zeitlosigkeit. Es ist jede mögliche Gestalt gleichzeitig mir gegenwärtig. Sie merken, das ist ein Bewusstseinszustand, den wir eigentlich normal nicht kennen. Aber der ist den Menschen zugänglich. Absolut, durch Übung. Goethe war jetzt nicht in dem Sinn Geistesforscher wie Rudolf Steiner, sondern eigentlich diesbezüglich Naturforscher. Aber er hatte diese Gabe, diese inneren Bilder sich so lebendig zu machen, dass sie nämlich das geistige Wesen der Pflanze zeigen und, dass ich das erleben kann. Erleben kann in einem inneren Bild, in etwas, was Rudolf Steiner jetzt nennt « Imagination », die in Zeitlosigkeit da ist.
Zeitloses Bilderbewusstsein - Traumbewusstsein - wachbewusste Imagination 0:49:10
Also man kann das erleben. Ich habe es letztens bei unserem internen Vortrag erzählt, wenn man so eine Bildgestalt sich innerlich aufbaut und dann in der Meditation ganz stark darinnen lebt, dann ist es ein unheimlich reicher Inhalt. Also nicht vergleichbar jetzt mit unseren abstrakten Gedanken, die wir uns bilden, selbst wenn wir noch so ausgetüftelte Sachen uns zusammen denken.
Es ist erstens Mal bildhaft. Es ist von einem unglaublichen Reichtum. Es ist beweglich. Und trotzdem vergeht im Äußeren keine Zeit. Das ist das Interessante. Das geht sogar, man kann - es ist sehr schwierig weil in der Meditation tut man sich sehr leicht, wenn man die Augen zumacht und das Äußere ausschaltet - wenn man sehr konzentriert ist, schafft man es, zugleich die äußere Welt zu beobachten und die Imagination. Da kann ich sogar auf dem Uhrzeiger schauen, auf dem Sekundenzeiger der Uhr, während ich da, mir kommt es wie Stunden vor, dass ich das Bild, das innere Bild erlebe, der Zeiger steht. Es vergeht keine Zeit außen. Es gibt ein ähnliches Phänomen im Traum. Traumbilder sind oft angeregt durch irgendeinen äußeren Sinneseindruck der da reinkommt. Zum Beispiel der erste Sonnenstrahl, der durch das Fenster fällt. Wir schlafen aber noch, die Augen sind zu und jetzt erlebe ich eine wilde Geschichte, wo schließlich das ganze Haus in Flammen steht, die Feuerwehr kommt und alle möglichen Leute gerettet werden. Das Ganze dauert eine Stunde oder zwei Stunden. Und das war nur der erste Sonnenstrahl der hinein gefallen ist. Wenn ich dadurch dann aufwache, aus dem Traum hochschrecke, merke ich, ach ja, das ist der erste Zipfel von der Sonne. Das innere Zeiterleben ist ein völlig anderes als das äußere Zeiterleben. Vor allem, was ja auch im Traum ist, im Traum kann man springen. Da kann ich von einem Moment zu einem ganz anderen springen. Genauso wie ich von einem Ort plötzlich im Traum in einem ganz anderen Ort bin, ohne dass ich irgendwie hingegangen wäre. Im Traum irritiert es einen überhaupt nicht. In der Imagination, die aber jetzt im Unterschied zum Traum eben voll wachbewusst erlebt wird, kann ich in der Bewegung jederzeit vorwärts, rückwärts gehen. Ich kann das Wachstum der Pflanze, dieser Urpflanze, verkehrt herum mir anschauen, also wie das jetzt wieder zurück schlüpft in den Samen. Ich kann mir verstärkt anschauen, wie die Blätter herauskommen, wie sie sich wieder zurückziehen. Ganz nach Belieben. Ich kann vorwärts, rückwärts, ich kann in der Zeit spazieren gehen, sozusagen. Das ist das innere Erlebnis. das da ist. Und es ist nichts anderes, nichts anderes zunächst als eine Steigerung dessen, was ich als Vorstellungsbild mir bilde, von etwas zunächst äußerlich Gesehenen. Wenn ich die Augen zumache und das innere Bilde zurückbehalte.
Der lebendige Begriff der Pflanze - die Urpflanze - als das schaffende Prinzip 0:52:52
So ist es bei Goethe ja auch entstanden. Er hat zuerst sich wirklich die äußeren Pflanzen angeschaut, sie in verschiedenen Wachstumsstadien studiert, das mit vielen Gestalten, mit vielen Pflanzen gemacht und zuletzt hat sich ihm das, man kann sagen von selbst, zu diesem inneren Bild der Urpflanze verdichtet. Und die hat er nicht nur so real gesehen wie die äußere Pflanze, aber innerlich sogar noch viel realer. Wenn man so ein Bild erlebt, das so wandlungsfähig ist, das so viele Facetten hat, - dann kommt ein äußeres sinnliches Bild gar nicht mit, nicht mal annähernd mit, es ist blass dagegen - das ist reich. Die Urpflanze, das ist der Begriff der Pflanze, der wirkliche Begriff der Pflanze. Das ist das Prinzip, das nämlich schaffend draußen in allen Pflanzen lebt und wirkt. Und Goethe sagt selber dann, aus dem heraus kann ich im inneren Bild jede mögliche Pflanze mir bilden, ja ich kann sogar Pflanzen bilden, die es gar nicht gibt, die es aber geben könnte, weil sie innerlich konsequent sind. Sie sehen, ja - er beobachtet im Grunde genau denselben Prozess, der in der Natur passiert, in dem in der Evolution, in der Entwicklung die verschiedenen Pflanzenformen entstehen. Es hat ja auch nicht alle Pflanzen, die es heute gibt, ewig gegeben. Am Anfang sind irgendwelche Ackerschachtelhalme, also das Schachtelhalmgewächs, von dem unser Ackerschachtelhalm so ein Rest ist. Es gab einmal Zeiten, wo es keine Blütenpflanzen gibt, wo es nur etwas ganz Rudimentäres im Grunde gab, Farne, da ist nur das Blattprinzip da. Das Blütenprinzip gibt es noch gar nicht. Und welche Pflanzen mögen noch alle kommen, wir sind ja nicht am Ende der Entwicklung, es geht weiter. Also das heißt, was Goethe in dieser Urpflanze schaut, ist im Grunde die ganze Erdgeschichte der Pflanzenentwicklung über unsere Gegenwart hinaus bis in die Zukunft. Das lebt da drinnen. Wenn Sie sich das jetzt nehmen, haben Sie eine Grundvorstellung von dem, was ein lebendiger Begriff ist.
Die materialistische Evolutionstheorie und der Zufall 0:55:38
Der Begriff der Pflanze, da können die ganzen Kompendien, die naturwissenschaftlichen Kompendien und es sind Bibliotheken voll, die erklären was eine Pflanze ist, nicht mit. Daher kann die Naturwissenschaft nicht erklären, warum die Evolution so gegangen ist wie sie gegangen ist. Immer der Zufall, Zufall kommt rein. Das ist das Typische der materialistischen Evolutionstheorie, es gibt Naturgesetze, aber dann fällt der Zufall hinein, baut etwas, was überlebensfähig ist, überlebt, was halt nicht überlebensfähig ist, geht zugrunde. Und so ist halt langsam die Welt draußen entstanden. Aber man versteht nicht, warum es gerade heute Löwen gibt, die so ausschauen wie sie eben heute ausschauen. Sie könnten ganz anders auch sein. Wenn es sich die Naturwissenschaft ausdenkt, kämen lauter Schimären raus, nichts was wirklich lebensfähig ist. Daher zum Beispiel, wenn wir heute willkürlich durch Gentechnik Pflanzen, Tiere verändern, dann sind die eigentlich alle kaum lebensfähig, zumindest nicht fortpflanzungsfähig. Die gentechnischen Pflanzen sind ja eigentlich nicht fortpflanzungsfähig. Gedeihen im Grunde nur unter sehr künstlichen Bedingungen, weil sie im Grunde eben nicht zum Beispiel, wenn es Pflanzen sind, dem Urbild der Pflanze entsprechen, sondern eigentlich aus dem Lebensprozess herausfallen schon, nicht ganz, aber zumindest ein bisschen. Daher also sehr viel künstlichen Aufwand brauchen, um überhaupt am Leben erhalten zu werden.
Das lebendige innere Bild der Pflanze - die Gesetzmäßigkeit der Pflanze 0:57:29
Das heißt, man versteht das Kernprinzip des Lebens eigentlich nicht dadurch. Das kann man nur durch die Imagination auf erster Stufe mal erleben, dann nähern wir uns jetzt wirklich dem lebendigen Begriff langsam. Aber dieses innere Bild der Urpflanze, die Imagination, ist noch nicht das Ende. Das ist erst der schwache Anfang, weil noch immer ist nicht erklärlich, warum gibt es überhaupt Pflanzen, warum gibt es Tiere, warum gibt es Mineralien - wie hängt denn das alles zusammen? Ich habe also ein Bild. Das Bild kann ich benutzen, um verschiedenste Erscheinungen in mir zu bilden, die auch dem draußen der Natur entsprechen. Aber ich verstehe den inneren Zusammenhang all deren Erscheinungen noch nicht wirklich. Dazu muss ich noch weitergehen. Dazu muss ich noch weitergehen und etwas ganz Schwieriges machen. Ich muss eigentlich dieses Bild, dieses innere Bild, dieses imaginative Bild, das lebt in mir - und wie wir sagten, eigentlich stärker ist als jede Sinneswahrnehmung draußen, viel intensiver ist, weil ich auch viel intensiver damit verbunden bin. Man muss sich denken, wenn ich draußen die Welt anschaue, stehe ich der Welt draußen gegenüber. Die Pflanze ist dort und ich bin da. Wenn ich die Imagination in mir habe, dann lebe ich in dieser Gestaltbildung drinnen. Die Pflanze ist in mir oder ich tauche in dieses Bild, dieses innere Bild der Pflanze ein. Ich bin nicht getrennt in Wahrheit von der Pflanze, das heißt, da ist nicht diese Distanz. Ich schaue die Pflanze dadurch auch nicht einfach äußerlich, sondern ich krieche ja eigentlich in sie hinein. Ich mache das in gewisser Weise, das Bild. Und trotzdem ist es aber die Gesetzmäßigkeit, die in den Pflanzen lebt.
Die objektive Welt der herkömmlichen Erkenntnistheorie - die tote Welt 0:59:50
Da kündigt sich schon etwas sehr Interessantes an. Die normale Erkenntnistheorie heute sagt: Wir müssen die objektive Welt erkennen, wir müssen die Welt so erkennen, wie sie ist, wenn ich gar nicht daran beteiligt bin. Ja, dann sehe ich die Objektwelt, ganz richtig. Das ist die tote Welt, der ich gegenüberstehe. Objekte sind tote Dinge. Und ich kann auch Lebendiges wie ein Objekt betrachten, dann betrachte ich es aber eigentlich wie einen toten Gegenstand, auch wenn dieser bewegt sein mag. Wenn ich eine Pflanze so betrachte, dann sehe ich nicht die lebendige Pflanze, sondern ich sehe im Grunde einen raffinierten Mechanismus, der sich bewegt und da etwas bildet - ich sehe die Pflanze eigentlich nicht. Ich sehe bei einem Tier, was in dem Tier wirklich lebt, was in dem Tier an Empfindung da ist, nicht. Ich schaue es äußerlich als Objekt an. Dann sehe ich eigentlich nur das, was tot daran ist. Das ist nämlich die besondere Eigenschaft der Sinneswahrnehmung, dass sie für sich genommen, alles, bis auf das Tote, ausblendet. Sie zeigt uns immer nur die äußerste Hülle, die äußerste Hülle, nicht das, was, dahinter eigentlich gestaltend wirkt. Und in allem in der Natur draußen wirkt ein Gestaltendes drinnen, selbst bis ins Mineral hinein. Nur ist das Mineral halt dann, letztlich, wirklich abgestorben, ist herausgefallen aus dem Lebensprozess. Aber in der Natur bildet sich jedes Mineral im Entstehungsprozess aus etwas Lebendigem.
Wenn da die Wasserströme fließen im Gebirge, die Lösungen, die sich da d…? Man erkennt das heute nicht, oder anerkennt es nicht als Lebensprozess. Wenn sich die Gebirge verschieben, die, die Erdschichten verschieben, alle diese Prozesse, die da mitspielen, wirken. Die ganze Erde ist ein Lebewesen. Nicht nur das Grünzeug, das drauf ist, und die Tiere, die herumlaufen, und wir, die aufrecht drauf spazieren. Die Erde als Ganzes ist ein lebendiges Wesen. Sonst würde sie nie entstanden sein. Es ist also der Irrtum zu glauben, dass das durch rein physische Prozesse gebildet wurde von irgendwas.Das heißt, alles, was uns die Physik darüber erklärt, die Astrophysik, zeigt nur das Ganze ab dem Moment, wo es abgestorben ist, zeigt uns die abgestorbenen Dinge, zeigt uns immer nur im Grunde die Schlacke, die Asche, nicht den lebendigen Prozess.
Die Lebenskräfte draußen in der Natur und im „Lebendigen Denken“ 1:02:49
Den lebendigen Prozess, kann ich z.B. wie Goethe erleben, wenn ich in die Urpflanze oder zumindest in das Urbild einer bestimmten Pflanze eintauche. Und in mir, mit meinen Lebenskräften nachlebe, die Lebenskräfte, die draußen wirken. Da arbeite ich nämlich genau in derselben Sphäre, ich verwende auch genau dieselben Kräfte. Es sind nämlich die Kräfte, die mich beleben, dieselben Kräfte, die draußen die Natur beleben. Sie nehmen in mir eine bestimmte, spezielle Gestalt an, sonst täten wir alle vielleicht ein Gänseblümchen werden.
Aber wir haben auch die Kräfte in uns, die das Gänseblümchen bilden, die sind auch drinnen. Nur kommen die bei uns nicht so definitiv zum Vorschein, sondern nur in einer sehr, sehr reduzierten Weise. Im Übrigen liegt darin der Grund, warum wir überhaupt die Welt draußen erfassen und verstehen können, wenn wir nicht in uns dieselben bildenden Kräfte hätten, die auch draußen wirken, dann würden wir nie zu einer Erfassung dessen kommen, was da draußen ist. Und, was wir heute Wissenschaft nennen, ist halt nur der abgestorbene Rest davon. Das ist das, was der Intellekt dann macht. Der Intellekt hat immer nur das Tote, hat den Begriff Pflanze, zweizeilige Definition davon und so geht es halt weiter. Dann wird jeder Begriff noch einmal aufgespaltet in fünf andere. Schließlich ist eine ganze Bibliothek voll mit Definitionen und mit Formeln und mit Rechnungen, aber es ist nur das Tote. Die Erde ist, natürlich eben auch, man könnte sagen, zum Teil ein abgestorbenes Wesen, es gibt auch das Tote, ganz klar. Aber es ist aus einem lebendigen Prozess herausgewachsen und dorthin führt wirkliches Denken.
Thomas von Aquin und seine Erfahrungen mit dem „Lebendigen Denken“ 1:04:48
Also, dass heißt, das ist das, was etwa die Scholastiker noch erleben konnten, auch ähnlich wie Goethe. Wobei es wenige gibt, selbst bei den Scholastikern, selbst der Größte der Scholastiker, der noch zu diesen Realisten zählte, für die also diese Idee, dieses, die Idee der Pflanze von mir aus, das eigentlich Reale war, ja, selbst der Thomas von Aquin, hat das nur mehr noch sehr schwach erlebt. Bis kurz vor seinem Lebensende. Etwa, also nicht mal mehr ein Jahr vor seinem Tod, am Nikolaustag, ein Jahr, vor dem er gestorben ist. Muss also 1273 gewesen sein, am Nikolaustag, ah, hatte er so eine imaginative Schau. Er hat nicht darüber gesprochen, wie sie ist. Er hat nur eines, gesagt: Seit ich das erlebt habe, weiß ich, dass alle meine Schriften, trockenes Stroh sind. Und er hat seitdem nicht eine Zeile mehr geschrieben oder diktiert. Ich meine, er hat dann nicht mehr sehr lange gelebt. Aber sozusagen am Ende seines ganzen Lebens, seiner ganzen Beschäftigung mit diesem „Lebendigen Denken“, das aber bei ihm trotzdem nur mehr sehr, sehr schwach war, schon ein fast Absterbendes war, aber dann am Ende, kam der große Durchbruch. Dann kam der große Durchbruch und dann durfte er bald die Augen für dieses Erdenleben schließen. Obwohl man nachgeholfen hat, dabei. Das muss man auch dazu sagen. Er ist ja nicht, vermutlich zumindest, nicht eines natürlichen Todes gestorben, sondern man hat nachgeholfen, also. Ging um kirchenpolitische Gründe oder auch äußere politische Gründe, wie immer.
Das bildhafte Erleben in der urindischen und der altägyptischen Kulturepoche 1:06:55
Man kommt etwas weiter zurück, also wenn man zu Denkern geht, wie Johannes Scotus Eriugena - neuntes Jahrhundert - der auch also ein Werk über die Natur geschrieben hat, der noch etwas mehr von diesem bildhaften Erleben hatte. Aber trotzdem, selbst wenn man diese Schriften liest, sie sind Stroh, sie sind abstrakt. Immer noch. Also, man muss eigentlich weit zurückgehen, dass man in alter Form das findet von Menschen, die es als Naturanlage hatten, die es vielleicht durch einen Einweihungsweg hatten, später. Da komme ich aber eher schon zurück bis weit in die ägyptische Zeit. Vor der ägyptischen Zeit sogar. Da war diese Fähigkeit, diese inneren Bilder zu erleben und sie stärker zu erleben, als die äußere Welt, das normale Bewusstsein. Weil, wenn ich etwa zurückgehe, was Rudolf Steiner nennt - die urindische Zeit - das ist noch lange vor der Zeit, aus der wir schriftliche Überlieferungen haben, also eine urindische Kultur, die er nennt. Von der es kaum äußere Spuren gibt, aber, die er geistig schauen konnte. Da hatten noch viele Menschen dieses innere Erlebnis, aber sie fühlten: das Äußere, die äußere Sinneswelt wird immer stärker. Vorher war die für die Menschen blass, in Wahrheit. Viel stärker war das innere Erleben. Und wenn ich durch die Welt gehe, durch das innere Bild, spüre ich: da ist eine Gefahr, da kommt ein wildes Tier, da ist irgendwas. Das hat sich in einem inneren Bild geäußert. So, wie wenn wir im Traum durch die Welt gehen würden und plötzlich springt uns ein Löwe entgegen. In Wahrheit ist es ein Eck´, dem ich ausweichen muss. Aber ich sehe ein inneres, symbolisches Bild. Die Menschen sahen einmal nicht die äußere Welt und haben sich trotzdem sicher orientiert. Wir sind das, besonders die heutigen Menschen, dass wir sagen: die Welt erscheint uns gegenständlich, wir sehen Dinge in der Welt, die wir unterscheiden können. Und wir können uns bewusst dadurch orientieren. So war das Erleben einmal nicht. Die Menschen haben innere Bilder gehabt, an denen sie sich orientiert haben. Und die waren stärker als die äußeren, sinnlichen Bilder. Bei den Tieren ist das heute noch so. Darum nicht glauben, dass ein Tier, das eine Maus fängt, also eine Katze, die eine Maus fangen will und da sitzt: Ah, ich habe Hunger, da sitzt eine Maus! Die Katze hat, wenn sie Hunger hat, denn nur dann ist sie überhaupt dazu gestimmt, die Maus wahrzunehmen, sonst ist ihr die völlig gleichgültig. Da taucht ein inneres Bild auf. Es hat, natürlich was mit der Maus da zu tun, die dort sitzt. Aber sie sieht nicht die äußerliche Maus. Sie sieht dieses Bild. Und die Maus sieht wahrscheinlich ein anderes Bild. Es wird, irgendwie anders aussehen. Und für die Katze wird es ein sehr erfreuliches Bild wahrscheinlich sein. Also es ist auch in einem starken Lusterlebnis verbunden, natürlich dann das Ganze, der Spieltrieb, der Jagdtrieb. Natürlich, von uns äußerlich betrachtet, sieht das so aus: die Katze visiert mit den Augen die Maus an und schließt daraus, sie müsste genau die Welt so erleben, wie wir. Überhaupt nicht! Überhaupt nicht!Ja, sie braucht die Sinnesorgane, um die Maus zu erfassen. Aber trotzdem, sie erlebt etwas Anderes dabei. Und so haben die Menschen auch einmal die Welt anders erlebt. Und diese Ur-Inder, und das hat sich ja später auch in den Schriften viel später niedergeschlagen, die sprechen vom Schleier der Maya, der sich über die geistige Welt zieht. Die Sinneswelt ist dieser Schleier. Der verdeckt mir das Geistige dahinter.
Abstraktes Denken als Voraussetzung für unser Selbstbewusstsein 1:11:24
Plötzlich sehen wir nur mehr Gegenstände, nicht mehr das Geistige. Allerdings, ein großer Gewinn ist dadurch entstanden. Und darum musste das kommen. Weil, die Menschen haben sich nicht wirklich bewusst als Ich gefühlt, als individueller Mensch. Sondern sie haben mit diesen Bildern gelebt, die Bilder haben ihnen was erzählt, und mit dem sind sie mit ihrem Bewusstsein dahin geschwommen. Die Mitte in sich haben sie nicht gefunden. Die finde ich zunächst einmal erst dann, wenn da vorne der Rollo heruntergeht und ich mich plötzlich da anstoß …uh! Ich stoße mich an dem Ding da (klopft auf etwas!) Ich stoße mich an der Welt. Ich bin es, der da plötzlich nicht die inneren Bilder hat, sondern der - da sind wir heute angelangt - den abstrakten Gedanken hat. Ich bin da, der Gegenstand ist dort. Ich stehe ihm gegenüber. Ich weiß mich als Ich, weil ein Gegenstand mir gegenübersteht. Wir hätten es nämlich unheimlich schwer, wenn wir im leeren Raum schweben würden, abgesehen davon, dass es mit dem Atmen schwierig wäre. Aber wir würden uns völlig verlieren, wenn wir nicht eine Welt uns gegenüber hätten, vielleicht noch dieses Objekt betasten.
Sind das wir? Bin das ich? In dem Moment, wo ich es äußerlich erfassen kann, ist es eigentlich auch nicht mehr Gegenstand. Versuchen sie einmal den Unterschied zu spüren, innerlich sich zu fühlen im Körper oder äußerlich zu betasten. Wobei man gleich dazu sagen muss, es gibt ja auch Sinnesorgane, die auf den Körper selber gerichtet sind, innere Sinne, z.B. ein Muskelsinn. Also, ein Bewegungssinn, wir spüren die Muskelbewegungen. Wir haben ganz offensichtlich einen Schmerzsinn. Wenn wir uns irgendwo angehauen haben, wissen wir das ganz deutlich, dass wir einen Schmerzsinn haben. Relativ undifferenziert, aber immerhin, wir haben einen Tastsinn. Was spüren wir da eigentlich? Die Tastkörperchen sind nämlic da drunter. Wir spüren eigentlich uns, an dem Ding. Aber in der Art, wie wir uns an dem Ding spüren, kriegen wir ein bisschen von dem auch mit. Ah, glatt. Glatt. Da muss ich aber schon eine Bewegung machen, sonst krieg ich das gar nicht mit. Wenn ich nur so mit der Fingerspitze hingehe, spüre ich die Qualität gar nicht so. Wenn ich darüberfahre, aha. Aber ich spüre eigentlich zugleich auch mich an dem Ding.
Also, dieses Selbstbewusstsein, das wir entwickeln, dazu war notwendig, dass wir diese imaginative Schau verlieren. Drum haben wir heute abstrakte Begriffe, die im Grunde fast nur Worte sind. Tisch, Klavier, Plafond - was auch immer. Wissenschaftlich können wir dann noch eine Definition dazu machen. Aber das ist im Grunde genommen auch nur eine Aneinanderreihung von Worten, die beschreiben ein paar Grundeigenschaften von dem Ding. Ihr eigentliches Wesen, sofern es nicht etwas ganz Totes ist, eröffnet sich dem nicht. Weil, mit dem heutigen Verstand erfasse ich eben nur von der Außenseite, das, was tot ist. Und selbst das Lebendige erfasse ich nur, als wäre es ein Totes. Es kann ja trotzdem bewegt sein. Eine Maschine kann auch bewegt sein. Daher auch kein Wunder, dass dann im 17./18 Jahrhundert immer mehr die Vorstellung kam: Na ja, der Mensch ist auch eine Maschine. Eine komplizierte Maschine halt. Aber im Prinzip sind da physikalische Prozesse, die ablaufen und damit erkläre ich den Menschen. Es ist heute im Grunde nicht viel anders. Man stellt es sich heute nicht mehr ganz so rein mechanisch vor, sondern es ist halt eine biochemische Maschinerie, die der Mensch sein soll. Da erfass ich nur das Tote. Aber sehen Sie, das Interessante ist, indem ich so über den Menschen denke, lerne ich trotzdem wieder, zu mir zu kommen. Ich spüre mich in dem Denken. Ich erlebe nämlich jetzt nicht, was darin wirklich gestaltend wirkt in der Pflanze, in dem Tier, sondern ich erlebe mein Nachdenken, über das, was ich von Außen sehe und wo ich spekuliere, erschließe, eine Art Indizienbeweis mache, was ich vermute, das als Gesetzmäßigkeit wirken könnte. Ich habe es nur mit meinem Denken zu tun, mit meinem abstrakten Denken. Und da spür ich mich ganz stark drinnen. Darum musste diese Art des Denkens kommen, damit die Menschen sich selbst erfassen lernen.
Neues „Lebendiges Denken“ - imaginatives Wahrnehmen - Ich-Bewusstsein 1:17:03
Die Frage ist nur: müssen wir dort stehen bleiben? Oder geht der Weg weiter, dass sich dieses Ich-Bewusstsein, das ich mir jetzt erworben habe, mitnehme und wieder in dieses Lebendige eintauche. Und jetzt aber ganz bewusst. So, wie es anfänglich Goethe getan hat, mit der Urpflanze zum Beispiel. Dass ich jetzt - trotzdem diese Bilder als Imagination vor mir stehen, in denen sich eigentlich die Gesetzmäßigkeit dieses Lebendigen vor mir zeigt oder in mir zeigt - und ich trotzdem ganz wachbewusst dabei bleibe. Obwohl ich mit dem Bild ganz verbunden bin, obwohl ich es eigentlich mache, es passiert nämlich nicht, ohne dass ich tätig bin, innerlich geistig. Und trotzdem ist es die Gesetzmäßigkeit dessen, was draußen ist. Das ist das Spannende, das Paradoxe. Das sagt uns etwas über unser Ich. Das Ich macht nämlich das. Das Ich hat es schon damals bei den alten Menschen gemacht, diese Bilder. Das heißt: wir müssen zwei Dinge auseinanderhalten: unser Ich und unser Ich-Bewusstsein. Das sind zwei verschiedene Dinge. Unser Ich ist zum Beispiel das, was uns sicher durchs Leben führt. Das uns sicher dorthin führt, wo wir auf der Bananenschale ausrutschen, wenn wir es gerade brauchen. Das uns in Lebenssituationen führt, die uns großes Lebensglück bedeuten und wir wissen nicht, wieso es passiert. Das ist unser wirkliches Ich. Unser Ich ist nämlich nicht das, dass ich weiß: geboren am so-und-so-Vielten, männlichen Geschlechts, in der und der Familie, die und die Verwandte, Schule dort besucht, Gymnasium dort besucht, Universität studiert, letztendlich höherer Beamter beim Staat mit gutem Einkommen. Das ist alles nicht Ich. Das ist alles äußerlich.
Was unser wahres Ich ausmacht und was nicht 1:19:18
Das Ich ist ganz was anderes. Es ist genauso nur die äußere Hülle. Na, Sie können sich ganz deutlich sagen, was alles äußerlich am Ich ist. Alles das, was mit dem Tod abfällt. Alles das, was äußerlich ist, ist weg, nämlich. Die Frage ist: bleibt da noch was, oder bleibt nichts? Nicht wahr, die Sinneseindrücke, ist alles weg. Alles weg. Die Frage ist: was bleibt dann? Dort sind wir nämlich erst beim eigentlichen Geistigen. Das andere ist äußere Hülle. Und so ist es bei allem Lebendigen, zumindest in der Natur. Selbst das Tote ist aus dem Lebendigen herausgefallen, ist aus dem entstanden, in der Natur zumindest.
Wir sind die Ersten, im Wesentlichen, die zusammenbringen, aus dem Toten jetzt etwas zu konstruieren. Das ist dann die Technik. Wir machen aus dem Toten was. Die Natur baut aber keine technischen Instrumente. Selbst manchmal die Biologen, wenn sie sagen: Ja, zum Beispiel bei den Einzellern - da gibt es welche, die haben hinten so a Geißel, so a Schwanzerl, das sich bewegt. Ja, das ist eigentlich wie ein Motor. Ist fast so aufgebaut auch wie ein Motor. Gibt wunderschöne Zeichnungen davon. Es ist kein Motor, es ist keine Technik. Es funktioniert nach ähnlichen Prinzipien. Aber der Unterschied ist: das lebt und der Motor lebt nicht. Weil, das, was in der einfachsten Zelle drinnen ist, unterliegt nämlich dem ständigen Stoffwechsel. Ununterbrochen wird ausgetauscht. Eine Maschine besteht aus Teilen, die zusammengebaut ist. Und wenn ein Teil kaputt ist, muss ich ihn als Ganzes austauschen. Im Lebendigen fließt der Stoff eigentlich nur durch. Das heißt, wenn ich Sie als Lebewesen betrachte, muß ich eigentlich das ganze Stoffliche wegrechnen. Das strömt nur durch. Ich muss sie eigentlich in Ihrer Gestalt nehmen, die da ist, durch die die Stoffe nur durchströmen. Mit jedem Atemzug - wir nehmen Luft von Außen auf, atmen verbrauchte Luft aus. Und damit geht von uns auch wieder etwas weg und was Neues kommt herein. Die Stoffe fließen durch uns durch. Das hat der alte Philosoph Heraklit so schön gesagt: Panta rhei, alles fließt, die Kurzformel. Also genau so ist eigentlich die nach ihm benannte Kurzformel. Eigentlich hat er so ähnlich gesagt: du steigst nie zweimal in denselben Fluss. Nur wenn du das nächste Mal rein steigst, ist das Wasser schon wieder ein ganz anderes und du selbst bist auch ein Anderer geworden, in der Zeit. Also, es fließt.
Im Lebendigen fließt es beständig. Und ist so beweglich, wie diese inneren Bilder. Also das Ich hat nichts mit all den Dingen zu tun, die man so (klopft auf etwas) fixieren kann, nichts mit dem, was in irgendeinem Taufschein steht oder in einer Sterbeurkunde, oder sonst wo und alldem, was sich inzwischen an Urkunden ansammelt. Das sind nicht wir. Das ist eigentlich, so wie die Schuppen, die sich von der Haut täglich abschuppen. Das ist die Außenseite. Das heißt, das ist nicht das, was uns ausmacht. Und, wenn sie herangehen, jetzt an dieses Ich-Erlebnis. Wir erleben es nämlich jetzt so, wie wir heute als Menschen sind, heute. Es sagt zwar jeder zu sich ich, heute. Oh ich weis eh, und ich bin der, dort und dort geboren. Eigentlich wissen wir von unserem Ich nicht mehr, als dass wir es haben. Wir sind uns dessen gewiss, wir haben ein Ich. Fragen sie sich selber mal: was ist wirklich mein Ich? Und lassen sie alles das weg, was die Äußerlichkeiten sind! In welcher Lebenssituation stehe ich, welche Familie habe ich, welche Freunde habe ich, welche Gegner habe ich vielleicht, welche Berufskollegen habe ich, das sind alles die Äußerlichkeiten. Streichen Sie die alle weg, dann erst kommen sie zum Ich. Die Frage ist (klopft wieder), was bleibt dann über im Erlebnis? Nehmen sie die ganze Sinneswelt - wegstreichen! Wann passiert denn das? Es passiert jeden Tag, bzw. jede Nacht, wenn wir schlafen, ist einmal die ganze äußere Welt weg und - es sind unsere ganzen Gedanken, dass ich Hofrat sowieso bin oder dieses oder jenes - sind weg. Es gibt vielleicht noch die Träume, da wirken meist unsere Erinnerungsbilder, die umgestaltet sind. Und dann ist es finster. Nicht wahr, in der Nacht meistens. Es wird zumindest wenige Menschen geben, die in der Nacht während des Schlafes bewusst sind. Die ganze Nacht durch, obwohl sie schlafen. Aber bewusst jetzt nicht mit irgendeinem sinnlichen Eindruck, nicht mit einer Erinnerung an ein sinnliches Erlebnis, sondern einfach nur wach sind. Das ist schwer. Wenn einem das gelingt, gelingen würde, zumindest für einen Moment, dann komm ich vielleicht dorthin, wo das wirkliche Ich ist`. Aber bis dahin ist es im Grunde genommen ein schwarzes Loch, a Lückerl in der Wand. Ich sehe es nur, weil dort nichts ist. Sie sehen ein Loch in der Wand auch, eben gerade, wenn nichts dort ist. Horchen sie auf das Wort, das ist interessant: Ich und n-ich-t: das Ich steckt dort drin. Das Ich ist nicht irgendetwas, was ich gegenständlich, objektiv fassen, oder beschreiben kann. Alles, was ich irgendwie, wie einen Gegenstand beschreiben kann, ist nicht das Ich. Das heißt, man kann eigentlich im Grunde über das Ich nicht sprechen. Man kann, wenn, nur bildhaft beschreiben, muss sich dann aber bewusst sein, dass die Bilder es nicht treffen, dass sie nur so hinleiten. Da tu ich mir immer so schwer, darüber zu sprechen, weil man eigentlich nicht sprechen kann, darüber.
Der unaussprechliche Name Gottes - das Welten-Ich 1:26:43
Das Ich ist eigentlich das Unaussprechliche. Es ist der unaussprechliche Name Gottes, wie es in der Religion heißt. Da hatte man noch ein Erlebnis davon, dass das nämlich das Große, das Welten-Ich ist. Aber unser kleines Ich hat mit dem etwas zu tun. Und ich sage Ihnen warum. Wenn ich, wie Goethe beispielsweise fähig bin, das Geistige, das in der Welt gestaltet, z.B. die Pflanzenwelt, wenn ich das in mir, durch mich, durch meine Aktivität erleben kann, dann ist in mir eine Kraft, die dem gleich ist, die das draußen geschaffen hat. Es ist dieselbe Kraft, sogar. Das heißt, das Ich ist, zumindest vorsichtig ausgedrückt, Teil dieser göttlichen, geistigen, wie immer, Kraft, die draußen die ganze Natur gestaltet. Das heißt: ich finde mein Ich überall, wenn ich, so wie Goethe, die Pflanze betrachte, finde ich mein Ich, in der Gestaltung der Pflanze. Ich finde es in der Gestaltung der Tiere, ich finde es überall in der Welt, wo ich nur hinschaue. Aber nicht an der Außenseite, sondern an einer Innenseite. Und daher sagen sowohl Goethe als auch dann in der Folge Steiner - weil der Goethe hat so schön... der Faust sagt so schön „damit ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält“. Und damit meint er keineswegs, dass ich schaue: Ja gut, was machen die Atome, was ist der Atomkern und was ist im Kern da drinnen? Das ist alles Außenseite. Das kann ich zergliedern, immer weiter, bis zu den Quarks oder sonst was hinunter. Außenseite - ist alles nur Außenseite. Das Innere der Natur kann ich nur in mir, im Ich erleben. Das ist das Interessante. Das heißt, im Grunde ist da keine Grenze gesetzt. Ja, individuell sind uns Grenzen gesetzt, wie weit ich halt grad gekommen bin damit. Aber es gibt keine prinzipielle Grenze. Und Sie sehen, das sind Dinge, die aber sehr schwer zu verstehen und sehr schwer zu fassen sind.
Rudolf Steiner´s Geisteswissenschaft - sein Denken aus dem inneren Erlebnis 1:29:29
Aber vielleicht nehmen Sie eines mit davon, dass das eine ganz, ganz andere Arte des Denkens ist, als die wir gewohnt sind. Eine andere Art des Denkens, als es in der Naturwissenschaft, in der Technik gebräuchlich ist. Ja, auch eine andere Art, als es heute in der Philosophie gebräuchlich ist. Denn die Philosophie ist heute sehr stark orientiert am naturwissenschaftlichen Denken, am logisch Ableitenden, am Formalisieren der Gedankengänge. Das ist notwendig und wichtig, dafür, wie wir vorhin sagten, für die Bildung des Selbstbewusstseins. Wir spüren uns in unserem Eigendenken, wie wir die Dinge konstruieren und zusammensetzen, sei es draußen in der Technik oder gedanklich.
Wenn wir aber aus dem wirklichen Ich heraus denken und nicht nur aus dem äußeren Kombinierenden, dann sind wir schöpferisch tätig und machen die gleichen Schöpferkräfte in uns rege, die wirklich das da draußen gestaltet haben. Dann … verstehe ich die Welt in ihrer Entstehung. Und vielleicht verstehen Sie dann, wenn Rudolf Steiner, der auf diesem Weg sehr weit fortgeschritten ist, das Wagnis auf sich nimmt, von der Weltentstehung zu sprechen - unter Absehung aller äußeren Fakten, rein aus diesem inneren Erlebnis. Und noch dazu sagt: Das ist die viel sicherere Art darüber zu sprechen, als wenn ich es von Außen betrachte, alle Details zerfuzel und spekuliere, welche Gesetzmäßigkeiten dahinterstehen könnten, also Theorien darüber mache. Dann studiere ich nur die Außenseite, nicht das, was wirklich die Erscheinungen hervorgebracht hat. Ja, deswegen ist die Naturwissenschaft keineswegs geringgeschätzt. Weil wir sie eben brauchen, um dieses starke Selbstbewusstsein aufzubauen, das notwendig ist, dass ich jetzt mit vollem Bewusstsein in solche Imaginationen hineingehen kann. Und nicht untergehe dabei, und wieder unbewusst werde. Im Grunde wie die Menschen vor Jahrtausenden. Sondern, dass ich ganz bewusst das anschaue, und daher jetzt nicht nur äußere Wissenschaft, äußere Naturwissenschaft, sondern Geisteswissenschaft machen kann. Eine Wissenschaft, die auf geistige Beobachtung gestützt ist, Beobachtung dieser inneren Bilder, die ich selbst hervorbringe, in denen aber die Gesetzmäßigkeit von allem da draußen lebt. Sei es der Pflanze, des Tieres - was auch immer es sei. Dann bin ich bei der Geisteswissenschaft.
Ausblick und Aufbruch in ein neues „Lebendiges Denken“ 1:32:43
Also, ich glaube, ich habe Ihnen heute viel zugemutet. Ich will das jetzt gar nicht mehr weiter ausufern lassen, man könnte wochenlang darüber sprechen, es ist keine Frage. Wenn sie Fragen dazu haben, gerne. Ansonsten nehmen Sie es einmal, denken Sie, der spinnt da vorne. Steiner muss auch gesponnen haben.
Ich sage Ihnen, es ist ein Aufbruch in eine neue Dimension und wenn man einmal einen Zipfel irgendwo davon erfasst hat, wenn man einmal dieses Erlebnis hatte. Es fängt nämlich an mit dem Ich-Erlebnis, in dem Ich-Erlebnis diesen Reichtum zu merken. Man merkt dann, das ist plötzlich etwas ganz Anderes, als das, wenn ich denke: Ich bin der und der. Da kommt eine Flut von Gedanken, ich spüre, ich mache sie und sie ist so dicht. Ich merke genau, ich mache das nicht in meinem Hirnkastl. Die ist um mich herum, überall, überall und ich fasse sie daraus und erlebe mich darin. Wenn man davon nur einen Zipfel gehabt hat, dann weiß man, dass das die Tatsache ist. Das das die Wahrheit ist, dass das Wirklichkeit ist. An der Intensität des Erlebnisses, an der Klarheit des Erlebnisses und an den Folgen, wo man dann durchschaut, was in der Außenwelt da ist. Und das dann tiefer durchschauen kann, manches, als Menschen, die nur die Außenseite sehen.
Dann weiß man, wenn man es erlebt, dass der Tod nicht das Ende ist. Dass die Geburt nicht der Anfang ist. Weil man es erlebt. Im Grunde nicht das geringste Problem ist, mit dem Toten, zum Beispiel der hinübergegangen ist, zu verkehren. Natürlich nicht so, wie hier. Weil alles Äußerliche ist weg. Dass wir unsere Lieben, die hinübergegangen sind, nicht bewusst erleben, liegt nur daran, dass wir uns alles nur äußerlich vorstellen. Die Erinnerung des Zusammenlebens kann ein Tor sein, aber wir müssen durchschauen. Das Äußere weg - letztlich - dann kommt erst das heraus, was hinüber geht.
Ähnlich ist das beim Hereinkommen. Es gibt immer wieder Erzählungen und Berichte von Müttern, die noch vor der Befruchtung, also wo noch gar nichts da ist, im Traum zumindest etwas erleben von dem Kind, das sich ankündigt. Da ist es halt nicht das wache, imaginative Bewusstsein, das ist noch weit schwieriger. Aber, wo sie das erleben. Ich mein, wenn schon die Zeugung schon erfolgt ist, was da ist, ist ja noch irgendwie materialistisch nachvollziehbar. Aber wenn noch nix da ist und ein Bild kündigt sich an. Wenn das Erlebnis stark genug ist, stärker ist, als wenn ich das (klopft) erlebe, dann kann mir keiner mehr das wegdiskutieren, und sagen: das bildest du dir ein, das ist eine Einbildung. Man kann das sehr wohl unterscheiden.
Fragen sie sich selber mal: was gibt mir die Sicherheit, dass das wirklich ist? Wer sagt denn, dass das nicht eine Illusion ist, dass Sie nicht alle eigentlich, irgendwo in einem Bett liegen und träumen. Halt einen sehr klaren Wachtraum haben. Philosophisch können Sie es nicht beweisen. Sie können nicht beweisen, dass es das wirklich gibt, dass das nicht nur Ihre, Ihre Spintisiererei ist, die halt sehr konkret ist. Einen wirklichen Beweis dafür gibt es nicht.
Im praktischen Leben wissen wir so was sehr wohl. Und im Geistigen ist es aber nicht anders. Im Geistigen ist es nicht anders. Also es ist weit davon entfernt, dass dort die Gefahr bestünde, dass man Illusionen verfallen könnte. Man kann sicher mal etwas ungenau erleben, so wie wenn man im Äußeren einmal etwas nicht so genau angeschaut hat. Aber trotzdem weiß ich, das Klavier da, war ein Klavier, auch wenn ich mich nicht mehr daran erinnern kann: war das jetzt braun oder schwarz? Aber, dass ich da ein Klavier gesehen habe, weiß ich und ich bin mir sicher, dass ich mir das nicht eingebildet habe. Also, da passiert der Schritt in die andere Seite der Welt. Es sind nicht zwei Welten: die geistige Welt und die äußere Welt sind ein und dieselbe Welt. Nur von zwei verschiedenen Seiten gesehen. Und wir Menschen haben unser Ich-Bewusstsein eben auch dadurch, dass wir uns diese einheitliche Welt, diese geistig-materielle Welt, wobei es natürlich höhere Ebenen gibt, die nicht materiell im herkömmlichen Sinn sind. Also so kann man z.B. auch das Leben selbst als eine nicht-materielle Kraft sehen. Und das Geistige ist noch etwas dahinter. Also es gibt verschiedene Ebenen, aber das Äußere und das Innere bilden eine Einheit. Wir, so wie wir gebaut sind, durch unseren ganzen Sinnesorganismus, durch unser Hirnkastl, wie es gebaut ist, spalten das in zwei Teile. In einen Teil die Sinneswelt, die uns gegenständlich erscheint, die uns real erscheint, aber eigentlich immer tot erscheint, daher gar nicht wirklich die Wirklichkeit ist.
Denn wenn mir die Pflanze eigentlich nur wie ein toter Gegenstand erscheint, ist sie nicht die Pflanze. Das heißt schon, die Wirklichkeit der Pflanze erfasse ich nicht, wenn ich nicht diese Innenseite dazu habe. Aber die kommt von der anderen Seite und die hole ich durchs Ich herein. Dadurch werde ich mir bewusst, letztlich auch. Also darum sagt Steiner: Jenseits? Es gibt kein Jenseits! Blöde Rederei, der Tote ist nicht im Jenseits, der ist hier und da. Nirgends anders. Nur, dass wir ihn halt mit sinnlichen Augen nicht sehen, das ist aber kein Argument. Dann muss ich eben mit dem inneren Auge schauen, dann ist er genauso da. Ja, er hat vielleicht einen viel größeren Umfang als, weil er ist nicht gebunden an einen irdischen Körper, aber er ist gegenwärtig wie nur etwas. Also, kein Jenseits, kein Dualismus zwischen einer materiellen Welt und einer geistigen Welt. Eine Welt. Wir haben sie auseinander gespaltet, um uns in der Mitte als Ich zu erleben und die beiden Seiten zusammenzuführen. Und dann erst die ganze Wirklichkeit zu haben.
Frage aus dem Zuhörerraum: Und wenn man dann aber alles ablegt, das Ich-Bewusstsein und alles, was bleibt denn dann überhaupt, wie erkennt man dann einander wieder?
W: Na, ja, eben, da kommen jetzt natürlich die nächsten Ebenen, was ich angedeutet habe mit dem: Materie oder Äußeres gibt es in verschiedenen Graden. Zum Beispiel schon das Seelische, also das was wir an Gefühlen, an Empfindungen, in uns tragen - seelisch einfach. Das bleibt, zumindest bleibt davon der wesentliche Teil. Es verändert sich auch. Zum Beispiel die Empfindungen, die damit zu tun haben. Ach, wie toll so ein Gulasch schmeckt. Oder ein anderer sagt, wie gut ein Salatblatterl schmeckt. <hmm, der Geschmack des Salatblatterls! Der wird wohl in dem anderen Zustand, wo man diese sinnlichen Organe, die dazu notwendig sind, um das zu empfinden, eher nicht da sein. Das heißt, es werden im Seelischen auch die Empfindungen nur da sein, zum Beispiel, wenn zwei Menschen in tiefer Liebe verbunden waren, Liebe ist sowieso mehr als ein einfaches Gefühl.
Eine Zuhörerin fragt: Wie meine Tochter z.B. verstorben ist, bzw. verunglückt ist vor einigen Jahren schon, ob ich die dann seelisch wiederfinde?
W: Ja, ja absolut!
Wieder die Zuhörerin: Das nehme ich schon stark an.
W: Ja, ja absolut, absolut. Und das ist, das kann sehr, sehr stark sein.
Zuhörerin: Ich glaube es auch, ich meine es auch.
W: Ja, ja absolut. Und es fallen nur die Dinge weg, die Gefühle und Empfindungen, die sich jetzt rein auf äußerliche Dinge hängen, die spielen keine Rolle mehr. Also die tieferen Dinge sind es. Es ist ja auch so, einen Menschen kennt man wirklich, wenn man in sein Inneres sozusagen eintaucht, wenn man dort verbunden ist und da sind die Dinge, die sind jetzt im Leben schon da. Und die sind bruchlos danach auch da. Ich sage wirklich bruchlos. Also wenn man wach genug dafür sein kann, ist es bruchlos da. Und da braucht einem niemand mehr sagen, ist das wirklich oder bildest du dir das ein. Das ist mindestens so wirklich wie das… (zeigt auf etwas). Aber halt auf einer ganz anderen Ebene. Also das als Anregung. Die Welt ist weiter als man denkt und in so einem Ich steckt viel drin.
Danke!
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