«Liebe Freunde und Mitmenschen,
Gestern war Himmelfahrt. Himmelfahrt ist der Moment, in dem die Schüler des Christus ganz auf sich gestellt sein werden. Ihr Lehrer ist nicht mehr neben ihnen und der Heilige Geist ist noch nicht bei ihnen. Aus ihrem eigenen Willen müssen sie den 12. finden, der bis zum Karfreitag der Judas war. Der Judas war derjenige, durch den die Widersacher tätig sein konnten und nun ist es die Aufgabe der 11 anderen Schüler, aus eigenem Willen und eigener Kraft an die Stelle der Widersacher-Kräfte ein Neues zu schaffen, damit Pfingsten werden kann! Das ist die Situation, in der wir jetzt als Menschheit stehen: wir müssen ganz aus eigenem Willen das schaffen, was für die Menschheit Pfingsten möglich macht. Nur aus dem eigenen Wollen kann das geschehen! Wir dürfen auf nichts anderes hoffen als auf die eigene Tat, durch die der heilige Geist sich mit der Menschheit verbinden kann. Und die Anthroposophie ist der einzige Weg, der diesen notwendigen Willen möglich macht! Nicht der Glaube an das Geistige wird uns helfen, sondern die individuell erlebte und erkannte Tatsache der geistigen Wirklichkeit, die uns in unserem Willen bis in den Alltag hinein in unserem Denken und Handeln verändert, kann der Menschheit aus dem Abgrund retten, an dessen Rand wir bereits in Begriff zu sein scheinen, abzustürzen ...
In diesem Zusammenhang ein Zitat von Rudolf Steiner aus GA 198 von 1920: „Das Wichtigste in der Gegenwart ist ja allerdings, dass zunächst die Ideen geisteswissenschaftlicher Weltanschauung und die Ideen darüber, was aus dieser geisteswissenschaftlichen Weltanschauung als soziale Konsequenz hervorgeht, in einer genügend großen Anzahl von Menschen Platz greift. Die Seelen einer genügend großen Anzahl von Menschen müssen diese Ideen aufnehmen und trachten, sie zu tatkräftigem Wollen umzugestalten. Das ist das Wichtigste, das ist das Wesentlichste, denn erst wenn eine genügend große Anzahl so vorbereiteter Menschen da sein wird, wird etwas geschehen können von dem, was notwendig für die Menschheit ist.
(...)
Die aufbauenden Kräfte sind heute einzig und allein zu suchen in denjenigen Impulsen, die uns aus geistiger Anschauung des Menschendaseins kommen können. (...) Der Mensch sollte sich heute sagen: Hinblicken auf das, was in der einen oder in der anderen Ecke aus den alten Kräften hervorgehen könnte, das frommt heute nicht, demgegenüber ist Pessimismus voll berechtigt und beweist sich jeden Tag aufs neue. Einzig und allein frommt heute den Menschen, zu bauen auf das eine, auf den eigenen Erkenntnis-getragenen Willen. Und nur wenn man will, hat man heute das Recht, zu hoffen. Man hat nicht das Recht, zu hoffen, man hat nur das Recht zum Pessimismus, wenn man sich nicht entschließen will, in sein Wollen die Geist-getragene Erkenntnis aufzunehmen.“
In Liebe Gunter»