GA 185a

Aus AnthroWorld
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Entwicklungsgeschichtliche Unterlagen zur Bildung eines sozialen Urteils

S.9

Es ist ganz plausibel, Ihnen wahrscheinlich auch, daß in diesem Augenblicke mancherlei bedeutungsvoll in die europäische Entwickelung Eingreifendes sich vorbereitet, daß gewissermaßen entscheidende Wendungen bevorstehen. Das mag rechtfertigen, wenn wir heute episodisch und zugleich - das muß ich betonen, es ist gegenüber der Entwicklung in der Zeit auch durchaus nicht anders möglich - aphoristisch einiges rückblickend besprechen von demjenigen, was zusammenhängt mit der Herbeiführung der gegenwärtigen katastrophalen Ereignisse. Wir werden ja gewiß versuchen, weil sich das so geziemt innerhalb unserer anthroposophischen Bewegung, das, was ich gewissermaßen wie eine Summe von aphoristisch vorgebrachten geschichtlichen Bemerkungen werde zu sagen haben, zu benützen, um daran dann vielleicht schon morgen weitergehende geisteswissenschaftliche, geisteswissenschaftlich-geschichtliche Betrachtungen anzuknüpfen. Allein es wird nicht vorauszusetzen sein, daß jedem von Ihnen die Unterlagen für weitere Ausblicke, soferne sie aus geisteswissenschaftlichen Untergründen heraus zu gewinnen sind, die tatsächlichen, äußerlich-sinnenf älligen Unterlagen, zur Verfügung stehen, und daher möchte ich heute ganz anspruchslos einiges von diesen tatsächlichen Unterlagen vor Ihnen hier besprechen. Es ist ja auch notwendig, daß sich ein Gefühl dafür entwickelt, daß die Menschheit allmählich kein innerliches Recht haben werde, schläfrig hinwegzugehen über die Zeitgeschichte und geschehen zu lassen, was eben geschieht, sondern die andere Empfindung muß sich in unserem Zeitalter der Entwicklung der Bewußtseinsseele geltend machen, daß ein jeder das Auge offen haben soll und mit wachem Bewußtsein die Ereignisse, die da geschehen, vorurteilslos wenigstens verfolgen soll. Es ist ja natürlich, daß nicht jeder an einen Platz gestellt ist, von dem aus er ein dahingehendes Wissen irgendwie verwerten kann. Aber keiner von uns kann wissen, wann er vielleicht im kleineren oder im größeren Maßstabe aufgerufen wird, dies oder jenes

S.10

mitzuberaten, mitzubeeinflussen, zu dem er eben dann ein offenes, vorurteilsloses Wissen über die Ereignisse braucht. Nun wird ja allerdings vieles von dem, was gerade jüngste Ereignisse sind, in ihrem Zusammenhange mit der übrigen geschichtlichen Entwickelung, rasch veraltet sein; es wird manches von dem, was jüngste, bedeutungsvolle Ereignisse sind, für den weiteren Fortgang selbst der äußerlichen Menschheitsgeschichte der zivilisierten Welt in geringem Maße in Betracht kommen. Allein es wird in der Zukunft notwendig sein, daß man mit offenem Auge und wachem Bewußtsein sich dem gegenüberstellt, was geschieht. Daher wird es schon gut sein, um ein Gefühl, eine Empfindung zu bekommen, wie man sich so den Ereignissen gegenüberstellen soll, manches von den abgelaufenen Ereignissen zu verfolgen. Einleitend nur möchte ich sagen: Ich habe im Laufe der Zeit, während welcher diese katastrophalen Ereignisse äußerlich sichtbar, deutlich sichtbar selbst für die Schläfrigen schon da sind in Form des so-genannten Krieges der letzten viereinhalb Jahre, ich habe manches Wort zu Ihnen gesprochen, da- oder dorthin gehend, dies oder jenes zu beleuchten. Und deswegen möchte ich eben einleitend bemerken, daß ich jetzt, wo entscheidende, wenn auch nicht etwa einen Abschluß herbeiführende - das würde ich durchaus nicht hervorrufen wollen, diesen Glauben, daß man etwa vor einem Abschluß stünde - , aber wo in gewissem Sinne für die Beurteilung der ganzen Sachlage entscheidende Tatsachen sich abspielen, jetzt in diesem Augenblicke möchte ich es ausdrücklich betonen, daß ich genau auf demselben Standpunkte steh ein bezug auf die Beleuchtung der Ereignisse, auf dem ich gestanden habe im Anfange des Hereinbrechens der sogenannten kriegerischen Katastrophe. Denn eine der bedeutsamsten Tatsachen, die die Menschheit im Laufe dieser letzten Jahre sich vor Augen führen konnte, ist diese, wie unendlich stark, wie unermeßlich stark es möglich war, das menschliche Urteil allseitig zu korrumpieren, dieses menschliche Urteil in falsche Bahnen zu führen, namentlich dadurch auch in falsche Bahnen zu führen, daß man stets von verschiedenen Seiten her bemüht war, die Beurteilungsmaximen, die Beurteilungsrichtungen aus falschen Ecken herauszuholen. Nicht wahr, es sind im Laufe dieser Jahre Urteile