Faust spricht über Faust - ein Vortrag von Wolfgang Peter vom 27. Dezember 2023

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Vorschau

Mensch im Sinne Goethes ist man niemals voll und ganz. Aber man wird es in dem Maße mehr und mehr, je mehr das höhere Ich, der schöpferische geistige Kern unseres Wesens, die Herrschaft über das bloß niedere Ego gewinnt. Weil sich der Mensch nur am beständigen Widerstand ertüchtigen kann, erhält Mephisto vom Herrn freie Hand, Faust zu versuchen. Aber nicht nur der Mensch wird hier als sehr ambivalentes Wesen gezeigt, auch das Böse selbst, verkörpert in der Gestalt des Mephisto, erscheint doppelgesichtig. Gut und Böse stellen kein Gegensatzpaar dar, sondern das Gute hält, wie das Zünglein an der Waage die goldene Mitte zwischen zwei gegensätzlichen Verirrungen. Zeigt sich Mephisto im ersten Teil mehr von seiner luziferisch verführerischen Seite, kehrt er später immer mehr sein eiskaltes, zynisch lächelndes satanisches Antlitz hervor, bis endlich Faust, als Repräsentant des modernen Menschen schlechthin, im Spannungsfeld ungehemmter Begierden und technokratisch mitleidloser Intelligenz zerrissen zu werden droht. (Aus dem Programmheft zu "Faust - Der Tragödie erster und zweiter Teil, Text von Dr. Wolfgang Peter)

Goethes Faust kann somit als Repräsentant unserer Kulturepoche, dem Bewusstseinsseelenzeitalter gesehen werden. Er repräsentiert jenen Menschen, der wirklich aus dem Ich heraus bewusst die Welt erkennen, verändern und gestalten will.

Transkription des Vortrages "Faust über Faust"

gehalten am 30.12.2023 in der anthroposophischen Landesgesellschaft in Wien (transkribiert von Elke, 19.1.2024)

Begrüßung und Einleitung 0:00:43

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, toll, dass so viele Menschen gekommen sind, sich für Faust interessieren, für dieses Thema. Es ist tatsächlich ein Thema, das unsere Zeit betrifft. Obwohl der historische Faust schon weit zurückliegt. Es geht ins 15. Jahrhundert zurück, im Grunde. Aber es ist Faust der Repräsentant eigentlich unserer ganzen Kulturepoche, könnte man sagen. Der Mensch, der wirklich aus dem Ich heraus bewusst die Welt verändern und gestalten will, erkennen will, tief eindringen will in die Welt. Also ein ganz spannendes Thema, das mich, ja seit meinem 15. Lebensjahr sehr begleitet irgendwo. Da habe ich das erste Mal den Faust aufgeschlagen und war fasziniert davon. Und seitdem begleitet er mich. Und das ist also schön, mit so einem Text über Jahrzehnte leben zu können.

Das Faust-Thema ist für uns sehr aktuell: Aus Erkenntnis heraus tätig zu werden und ungeachtet des Scheiterns die Welt in eigener Verantwortung umzugestalten 0:01:46

Und da merkt man immer mehr, also wie gegenwärtig das ist. Es scheint so eine alte Geschichte zu sein. Aber es ist eigentlich eine Geschichte, die sich tagtäglich abspielt, im Kleinen wie im Großen. Es ist also der Mensch unserer Zeit, der aus seinem Ich heraus bewusst die Welt umgestalten will, sie erkennen will - dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält. Das ist so der erste Teil des Fausts, einmal im Großen, dass er um Erkenntnis ringt. Im zweiten Teil des Faust geht es dann vor allem darum, die Welt umzugestalten. Also das heißt, aus Erkenntnis tätig werden. Und dabei immer wieder zu irren, zu scheitern, zu straucheln. Um es ganz salopp zu sagen, immer wieder danebenzuschlagen gegen die Dinge. Und trotzdem kommt er weiter.

Und das ist das Schicksal des Menschen unserer Zeit, dass wir auf eigene Verantwortung gestellt sind. Und dass wir viel geistige Hilfe in Wahrheit haben und die hinter uns steht. Nur sie macht nicht für uns etwas, sondern sie macht etwas, wenn wir einen Impuls dazu geben, dann unterstützt sie uns dabei. Das ist die schwierige Situation heute. In der Vergangenheit war es vielmehr so, dass eine Leitung von oben war, wo zumindest Menschen, die es empfangen konnten, dann auf ihren sicheren Weg geleitet wurden. Aber sie sind ihn noch nicht selber gegangen. Heute sind wir aufgerufen dazu, selber den Weg zu gehen und zu sagen: Egal, wenn ich hundertmal strauchle, ich steh beim 101. Mal wieder auf und gehe weiter. Und Schritt für Schritt geht es auch weiter. Also wenn man es mit dem Text von Goethe zusammenfasst, so ziemlich am Anfang, als der Mephisto, der Versucher… der Mephisto ist so die Doppelgestalt eigentlich. Einerseits das luziferisch Verführerische, das alle möglichen Begierden lockt, weckt, im Faust. Auf der anderen Seite aber das kalte verstandesmäßig Tod-ahrimanische Prinzip. Beide, diese Facetten hat dieser Mephisto in sich. Im ersten Teil ist es mehr der Verführer, im Zweiten ist er beinhart der Ahriman und der Zerstörer auch bis zu einem gewissen Grad.

Es irrt der Mensch, solang er strebt. Dennoch: Wer immer strebend sich bemüht, den werden wir erlösen 0:04:11

Also… und da passiert sehr viel. Und wir stehen als Ich in der Mitte dazwischen. Also das heißt, wir irren eben deswegen immer wieder, weil diese beiden Kräfte, die im Mephisto vereint sind, die uns einmal nach der einen Seite, einmal nach der anderen Seite ziehen. Und wir müssen darum ringen, das Gleichgewicht zu finden, in uns selbst zu ruhen, in uns selbst die Kraft zu finden, unseren eigenen Weg zu gehen. Und eben als der Mephisto den Herrn fragt: Ja, willst du ihn nicht in meine Gasse gehen lassen. Du wirst sehen, der scheitert, der scheitert! Der Herr sagt: „Ja, probier’s nur!

Der Herr

Es irrt der Mensch, solang er strebt

(Faust 1, Prolog im Himmel, Kapitel 3)

Und das Fazit gegen Ende im Faust 2 ist:

Drei Engel

Wer immer strebend sich bemüht,

Den können wir erlösen;

(Faust 2, Drei Engel verkünden am Schluss von Faust II das Urteil über Faust)

Also die Frage geht nicht darum, wie oft bist du gescheitert? Aha, das waren mindestens zehnmal zu viel. Nein! Es ist sogar der, der hundertmal gescheitert ist, vielleicht weitergekommen als der, der gar nicht gescheitert ist, weil er eigentlich gar nichts getan hat aus Eigenem heraus. Sondern es geht darum, dass der Mensch heute individuell seinen Weg geht, seinen unverwechselbaren Weg und damit etwas zur Gemeinschaft der Menschheit, ja zur Gemeinschaft der geistigen Welt beiträgt. Als individuelles Wesen! Nicht als Schablone, der irgendwelchen Gesetzen so einfach folgt von oben, sondern der die Welt bereichert durch sein Schöpfertum. Und Schöpfung aber mit Erkenntnis verbunden!

Der Weg des Faust - ein Weg mit vielen Stolpersteinen - ist auch für uns aktuell: Zwischen Luzifer und Ahriman 0:05:58

Also das ist der Weg des Faust so im Groben einmal. Also, es ist ein Weg mit vielen Stolpersteinen, die aber dazugehören. Und der Faust versucht die irrwitzigsten Mittel, in der Erkenntnis zunächst einmal weiterzukommen. Der erste große Monolog fängt ja an von ihm:

Faust

Habe nun ach! Philosophie, Juristerei und Medizin.

Und leider auch Theologie

Durchaus studiert, mit heißem Bemühen.

Da stehe ich nun nicht armer Tor

Und bin so klug als wie zuvor.

(Faust 1, Monolog, Nacht)

Und das gilt heute genauso. Man kann noch so viele Ausbildungen haben und Ding… dass man den Kern erfasst, um was geht es, was ist der tiefere Sinn der Welt, was ist der Sinn meines Lebens? Da kann ich wahrscheinlich 100 Jahre studieren, ich finde es dadurch nicht. Es braucht etwas anderes. Es ist kein Verstandeswissen, es ist nicht etwas, was nur durch äußere Erkenntnis mit technischen Instrumenten, mit Hebeln und mit Schrauben, wie es der Faust sagt in diesem Monolog. Mit dem lässt sich das nicht erkennen, was die Welt wirklich im Innersten zusammenhält. Aber es ist auch nicht  das Berauschende, die berauschenden Höhenflüge, die er auch zeitweise drinnen hat, wo er sich aber eigentlich in eine Fantasie hineinsteigert und sagt:

Faust

Welch Schauspiel! Aber Ach! Ein Schauspiel nur, nicht die Wirklichkeit.

(Faust 1, Monolog, Nacht)

Es ist ein Bild, es ist ein Bild, das die Seele erheben kann. Aber ich komm nicht an die Wirklichkeit heran. Das ist so typisch. Es gibt die 2 Abwege. Das eine ist der nüchterne Verstandesmensch, der glaubt, mit Verstandesbegriffen, mit logischen Erklärungen alles, das ganze Leben verstehen zu können und sich zurechtzufinden. Das ist der eine Abweg, das funktioniert nicht. Der andere Abweg ist der, dass ich in Erlebnissen schwelge, weiß ich nicht…  die Engel auf und nieder steigen sehe alles und mich erfreue daran. Aber wenn ich dann aufwache, komme darauf, ja, es war ein großartiges Schauspiel, aber es hat mich keinen Schritt weitergebracht. Was soll ich denn jetzt wirklich tun, um die Welt einen Schritt weiterzubringen? Was soll ich tun? Da nützt mir das jetzt nichts. Das sind also die typischen  Abirrungen, zwischen denen jeder Mensch steht. Das eine ist das Luziferische. Das schwebt in den Höhen oben durchaus, in geistigen Höhen, aber unreif noch. Und das andere ist das nüchterne, tote, verstandesmäßige Ahrimanische. Und diese Kräfte zerren immer an uns.

In dieser Kulturepoche müssen wir lernen, den Weg selbst zu gehen. Dann bekommen wir alle Kraft und Unterstützung von der geistigen Welt. Das ist auch der Grundgedanke in der Faust-Dichtung 0:08:55

Und da stehen wir, das ganz kleine Ich-Wesen, das aber mit diesen Kräften fertig werden kann, interessanterweise, wenn es merkt, welche Position es hat. Und ich glaube, um das geht es in unserer Zeit, in unserer Kulturepoche, dass wir uns als wirkliche Individualitäten, als wirkliche Ich-Menschen…  und ich ist mehr als ich „ich brauche das, ich will das, ich will das nicht. Das ist viel mehr. Was wir heute Ich nennen, ist meistens unser kleines Ich, unser Ego, das seine Alltagsbedürfnisse stillt. Das muss auch sein, brauchen wir ja. Aber das ist noch nicht das, was man als den göttlichen Funken in uns bezeichnen kann. Das ist das Ich! Ein Funke nur, ein Funke, der darauf wartet, von uns entfacht zu werden. Niemand kann ihn für uns weiter entfachen. Wir haben ihn bekommen, aber was wird damit machen, liegt an niemand anderem als an uns. Also unser Ich zu entfachen kann kein Engel machen, das kann die Gottheit nicht machen, das kann der Christus nicht machen, das müssen wir wollen. Und wenn wir es nicht wollen, ist die ganze geistige Welt so fair, uns nicht irgendwo hinzustoßen. Wir müssen lernen, in dieser Kulturepoche uns selbst den Weg zu suchen, selbst den Weg zu gehen. Und dann haben wir alle Kraft und alle Unterstützung und kommen auch über die größten Hürden hinweg.

Also das ist so der Grundgedanke dieser ganzen Faust-Dichtung drinnen. Und darum kann Faust dann wirklich ja zum Schluss im Grunde die Himmelfahrt antreten. Also die geistige Welt geht für ihn auf nach seinem Tod. Aber dann erlebte sie ganz bewusst, obwohl er bis zuletzt, bis kurz vorher noch die ärgsten Fehler gemacht hat. Kurz vor seinem Tod noch befielt er dem Mephisto: „ Ach, in meinem großen Reich, das ich mir mittlerweile geschaffen habe, da ist noch ein Bergerl und da ist eine Kapelle oben, aber so eine alte Bretterbude und da sitzt das alte Ehepaar Philemon und Baucis und das zerstört mir mein ganzes Reich. Ich halte diesen Schandfleck dort nicht aus. Und wenn das Glöckchen dort klingelt, es muss weg!

Faust

So geht und schafft sie mir zur Seite!

(Faust 2, Palast)

Nicht gesagt, er soll sie umbringen. Nein, nein, er will ihnen eh Entschädigung geben, großzügigste Entschädigung. Aber sie wollen halt nicht weg. Und der Mephisto räumt sie halt dann auch weg. Und sie pochen an, aber es wird nicht aufgetan. Na, dann pochen sie ein bisschen heftiger an, dann fallen sie halt mit der Tür ins Haus und leider fällt dann aus dem Kamin das Feuer auf den Boden und jedenfalls die ganze Hütte brennt leider ab und Philemon und Baucis und noch ein Fremder, der dort war und sich mit dem Degen gewehrt hat, die kommen leider versehentlich um. Und dann sagt er großartig, der Faust: „Nein, das habe ich natürlich nicht gewollt. Also geht und teilt es unter euch und ich fluche dem unbesonnenen Streich! Aber er hat es befohlen. Er geht letztlich in Wahrheit auch über Leichen.

Und trotzdem, trotzdem wacht er dann in der geistigen Welt auf. Er geht dort hinein und die selige Schar begrüßt ihn mit herzlichem Willkommen. Also es ist ganz interessant. Und er kommt dort nicht hin, weil er ein fehlerfreier Mensch war, aber er hat trotzdem Schritt für Schritt etwas gelernt. Und irgendwo stehen wir in Wahrheit, wage ich zu behaupten, alle in der Situation. Es muss nicht gleich so dramatisch sein, wie es halt im Faust drastisch geschildert wird, aber wir stehen immer vor dieser Frage.

Faust begegnet dem Erdgeist 0:13:12

Ja - und Faust ist jemand, der wirkliche Erkenntnis sucht und wirkliche Erkenntnis heißt nicht nur äußerliche wissenschaftliche Erkenntnis, sondern sie muss verbunden sein zugleich mit geistiger Erkenntnis. Wenn was einem der Geist nicht zeigt, was der Geist nicht erfassen kann, ist wertlos. Das weiß er, das spürt er. Und er hat alle möglichen magischen Schriften studiert, um da hineinzukommen. Also er sagt ja: „Dann habe ich mich der Magie ergeben, um weiterzukommen.“

Was letztlich eben auch dazu führt, dass er dann sehr bald dem Mephisto begegnet, dass der erscheint. Vorher erscheint ihm aber noch tatsächlich der Erdgeist. Und er, wie in einem Überschwang spürt er, fleht er… er fleht, der Geist, du schwebst um mich, enthülle dich und so weiter. Und dann erscheint er, dann ist er niedergeschmettert, der Faust. Weil diese gewaltige Kraft des Erdgeistes die hält er zunächst einmal nicht aus. Er muss sich erst durchringen. Dann sagt er: „Ich bin's, bin Faust, bin Deinesgleichen! Also er versucht, ihm zu trotzen. Und der Erdgeist sagt im Grunde auf Wienerisch übersetzt: „Du bist ein lächerlicher Zwerg! Und nicht mir gleichst du, sondern den dem Wurme gleichst du, der den Staub durchwühlt!“ So fühlt er sich dann letztlich wieder, der Faust zum Schluss. Also er wird niedergestürzt im Grunde. Also - was tun, was tun? Als er gerade so niedergeschmettert ist von diesem geistigen Erlebnis des Erdgeistes - ist ja keine physische Begegnung, sondern eine Geistesschau, aber eine Geistesschau, die ihn hebt zuerst. Nein, zuerst niederschmettert, dann hebt und dann erst recht wieder niederschmettert. Also der Dreiklang ist drinnen. Zuerst: Ah, er ist beseligt, es geht auf. Dann merkt er, die Erscheinung ist so groß, dass er es nicht aushält. Dann stürzt er nieder, dann wird er trotzig aus seinem Ich heraus.

Faust ist ein Mensch der Tat. Wirkliche Erkenntnis ist ein tätiger, schöpferischer Prozess. Das heißt, im Gegensatz zu früheren Zeiten müssen wir heute bei geistiger Wahrnehmung tätig werden 0:15:27

Er ist ein sehr trotziger Mensch, er ist vom Charakter her ein ausgesprochener Choleriker. Also ein Mensch der Tat. Ein Choleriker hat ja verschiedenste Seiten. Choleriker heißt nicht, dass er immer nur toben muss. Aber es heißt, die Tat zählt. Es ist bei ihm immer die Tat, die zählt. Also es muss getan werden. Schon Erkenntnis, aber die Erkenntnis muss sich mit dem Tun verbinden. Also er ist sicher nicht der Mensch wie etwa der Wagner, sein Gehilfe, der alle Bücher studiert, am liebsten alles wissen möchte, aber im Grunde nicht ins Tun kommt, mit dem Wissen eigentlich nichts anfangen kann. Irgendwie erinnert mich das schon an unsere Zeit, dass das häufig irgendwo vorkommt.

Es gibt heute so viele Menschen, die wirklich viel wissen und damit in der Praxis nichts anfangen können. Weil Praxis - da gehört beides dazu. Also da muss ich die Erkenntnis mit dem Willen verbinden. Und wirklich Erkenntnis kommt sogar aus einem schöpferisch willensartigen Tun. Wenn man wirkliche Erkenntnisfortschritte macht. Auch die ganzen großen Wissenschaftler, die neue Ideen entwickelt haben, neue Entdeckungen gemacht haben, die sind aus dem Willen gekommen. Die haben nicht vorher gewusst, was erfinden werden in 10 Jahren. Sondern sie stoßen auf was, sie stoßen auf ein Problem, das sie nicht lösen können und sie lassen so lange nicht locker. Und sie finden nirgendwo in der Literatur, was ihnen helfen kann, weil es noch niemand gefunden hat. Aber sie beißen sich durch. Sie gehen neue Wege. Und da ist der schöpferische Wille drinnen. Nachher, wenn es getan ist, kann es wieder für den Verstand zusammenfassen und in einer Formel, von mir aus, schreiben. Aber dazu muss ich es erst erkannt haben, nämlich indem ich schöpferisch tätig geworden bin. Also erkennen, wirkliche Erkenntnis ist ein schöpferischer Prozess. Bei allem! Es ist nicht nur Abbildung von was, was fix und fertig ist. So erkenne ich die Naturgesetze nicht, so erkenne ich erst recht die geistige Welt nicht.

Auch das ist vielleicht ein wichtiges Moment für unsere Zeit, was geistige Erfahrung betrifft: Wir müssen dabei tätig werden. Geistige Wahrnehmung kann nicht mehr sein wie in alten Zeiten - eine Vision, eine Offenbarung, die mich ergreift und die ich zur Kenntnis nehme, halt so wie sie ist, sondern ich muss sie heute selber durch Willenskraft hervorbringen und trotzdem ist es eine objektive Wirklichkeit. Das ist das große Paradoxon.

Aber das ist vergleichbar mit dem, was ein Künstler macht. Ein Kunstwerk kann man aus keiner Formel ableiten. Und trotzdem ist in dem Kunstwerk - und damit meine ich jetzt nicht nur naturalistische Bilder, die was Äußeres abbilden – ich meine vor allem Bilder, die was Geistiges in ein Bild setzen. Dann muss ich dieses Bild schaffen. Und trotzdem drückt sich darin eine für sich bestehende geistige Wahrheit aus. Weil ich aus dieser Wahrheit, aus dem Erfassen dieser geistigen Wahrheit heraus schaffend tätig werde, auf individuelle Weise. Das heißt, ich werde bestimmte Aspekte zumindest zeigen können davon und ein anderer Mensch wird andere Aspekte zeigen können. Und das kann Phantasterei sein. Er sagt: „Ich mach halt irgendwas,“  oder es kann tiefe Erkenntnis zugleich auch sein. Was noch bei den Künstlern oft nicht ganz bewusst ist, aber bewusster werden wird. Es ist im Prinzip genau dasselbe wie bei den Wissenschaftlern im Übrigen. Also Einstein zum Beispiel hat ganz deutlich gesagt, also wer nicht Phantasie, Kreativität hat, wer nicht ein offenes Gemüt hat, der wird nie in der Wissenschaft es zu etwas bringen. Sondern er muss diese Schöpferkraft haben. Damit kann man die Gesetzmäßigkeiten der Welt, eigentlich das Wesen der Welt zumindest an einem Zipfel fassen. Aber da muss man tätig werden. Es ist also nicht nur ein Registrieren von etwas fertig Vorhandenem, sondern ich muss in die Tätigkeit kommen. Das beseelt eben auch den Faust.

Das ist das ganz Wichtige. Und Rudolf Steiner beschreibt es so schön, also „Die Wahrnehmung der geistigen Welt“ und da geht es eigentlich in unserer Zeit um "freie Imaginationen". Also das Denken weiterzuführen zu einem Bildgestalten. Aber da muss ich aktiv dabei sein und so frei drinnen sein, wie ich mir halt jetzt im Alltag Gedanken bilde. Oder auch als Wissenschaftler Gedanken bilde. Aber freie Gestalten, also nicht etwas Fertiges wie bei der Sinneswahrnehmung einfach zur Kenntnis zu nehmen. Wobei ich, Nachsatz dazu sage, selbst bei der Sinneswahrnehmung, es hängt sehr von der inneren Kreativität des Menschen ab, wieviel er von der Sinneswelt sieht oder wieviel er nicht sieht. Übersieht. Mit man sieht das ganz klar, wenn ein Kind heranwächst, wie es erst sehen lernen muss. Es hat zwar die Augen schon offen und es tut eigentlich weh, das Licht am Anfang. Und was sieht das Kind? Nichts eigentlich, außer geblendet zu sein. Dann sieht es Schemen, bis es anfängt, Formen zu unterscheiden, das dauert. Bis es lernt, den Blick zu führen. Von räumlicher Tiefe zu erleben ist überhaupt noch gar keine Rede. Das ist ein langer, langer Prozess. Und so wie wir das im Sinnlichen lernen müssen, so müssen wir es im Geistigen auch lernen. Es ist ein langer Prozess, vielleicht ein noch längerer Prozess. Aber den kann im Prinzip jeder Mensch gehen .

Faust sucht weiter nach Erkenntnis und versucht verzweifelt, in die geistige Welt zu kommen. Er begegnet Mephisto in Form eines Pudels 0:21:50

Und nach dem strebt der Faust auf jeden Fall. Aber er weiß halt nicht, wie er weiterkommen soll. Und er scheut vor nichts zurück. Er denkt: Gut, also die Schwelle der geistigen Welt, das ist die Welt, die wir auch nach dem Tod betreten. Stimmt ja auch! Also wenn wir geistig erleben wollen, müssen wir in die Welt eintreten können, in die wir auch nach dem Tod kommen, schon als Lebende. Oder wie es der Meister Eckhart sagt:

Wer nicht stirbt, bevor er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt!

Ganz knallhart! Auch ein Ausspruch, der im Grunde für unser Bewusstseinsseelenzeitalter gilt. Weil viele sagen: Ja, na ja, was nach dem Tod kommt, wenn es überhaupt was gibt - viele glauben das ja heute nicht mehr - dann werde ich es ja dann schon erfahren. Für den heutigen Menschen gilt so ziemlich deutlich, dass er gar nichts erfahren wird oder fast nichts erfahren wird, wenn er sich nicht auf Erden vorbereitet dazu. Das nachtodliche Leben wird heute auch ganz anders erlebt als früher, in früheren Zeiten. Es hat sich geändert. Ein Mensch, der es nicht in unserer Zeit im Bewusstseinsseelenzeitalter bewusst schon auf der Erde sucht, wird nach dem Tod eine sehr eingeschränkte Wahrnehmung nur haben und eine sehr lange Zeit sehr einsam sein. Weil er es halt hier auch schon war, nur auf sich konzentriert. Ja, dann ist er es dort auch, dann ist er auf einen engen Kreis beschränkt.

Also es passiert heute nichts mehr, ohne dass wir aktiv, bewusst aktiv werden müssen. Das ist so ein Kerngedanke drinnen. Aber der weitere Kerngedanke ist: Wir können das! Das liegt im Ich drinnen, solange wir sagen, ich kann das ja nicht, wie soll ich es denn tun und bitte sag mir, wie ich es tun soll. So lange geht natürlich nichts weiter. Aber weil wir es uns nur selber sagen können, niemand anderer kann es uns sagen. Das Wort Ich ist ja das wunderschöne Wort, das jeder nur zu sich selbst in Wahrheit sagen kann. Ich kann nicht sagen, ich, ich. Ich kann es nur zu mir selber sagen.

Also auf dem Boden stellt man sich… aber jedenfalls der Faust versucht also alle möglichen Verrücktheiten und da er nicht weiterkommt, sagt er: Gut jetzt, egal! Koste es, was es wolle. Ich will in diese Welt hinein. Also nehme ich einen Gifttrank und dann werde ich das erleben. Aber ich wähle diesen Trank, aus Freiheit heraus wähle ich ihn. Und er hofft halt, so hinüberzukommen. Wird zum Glück aber dann zurückgehalten, weil es ist in der Nacht zum Ostersonntag und es ist schon gegen Morgen zu und die Osterglocken läuten und im letzten Moment wird er so ergriffen von diesem Ton, den er seit Jugend auf kennt, dass er den Gifttrank noch absetzt. Aber er hat den Willen gehabt, wirklich bis zum Äußersten zu gehen also, um da hinüberzukommen in diese Welt die jenseits der sinnlichen Welt ist.

Ja, was ist die Folge von dem Ganzen? Sie kennen wahrscheinlich die Geschichte namentlich vom Einser-Teil ein bisschen. Es geht dann weiter. Also dass er zum Schluss sagt: Also, die Erde hat mich wieder, also ich bin wieder da. Und dann geht er hinaus zum Osterspaziergang, also in die Welt hinaus. Er freut sich an dem Volk, das singt und tanzt und auch sich wieder auferstanden fühlt irgendwo nach der langen Winterzeit, also aus den dunklen Gemächern kommen alle heraus. Und er genießt es eigentlich, da draußen zu sein. Der Wagner neben ihm, der findet dieses ganze Singen und Tanzen des Volkes also nicht so gut . Da zieht er sich eher zurück. Der ist halt mehr der Stubenhocker, der hinter den Büchern sitzt. Das ist der der Faust eigentlich nicht. Er will hinaus und am Heimweg begegnet ihm der berühmte Pudel, der aber einen Feuerstrudel hinter sich herzieht. Den der Wagner allerdings nicht sieht, sondern der sieht einen ganz normalen Pudel. Der Faust sieht einen Feuerstrudel, der natürlich kein äußerlich sinnlicher Feuerstrudel ist, sondern dieses luziferische Flackern, das diesen Pudel begibt. Weil es ist nichts anderes, als dass der Faust jetzt diese luziferische Kraft erlebt. Ganz stark. Trotzdem auch den äußeren Pudel sieht. Er sieht also beides. Es ist ein Pudel da, aber es ist irgendwo dahinter der Mephisto schon. Die luziferische Seite.

Und jetzt einerseits ist der Faust von diesem Osterspaziergang beglückt, aber auch zugleich wieder niedergeschlagen gekommen. Es sind beide Seiten. Einerseits erfreut er sich, dass die Natur aufgeht wieder, dass die Menschen fröhlich sind. Aber es hört bei ihm sofort auf, als sich die bedanken bei ihm, dass er so viele geheilt hat und dass sie geholfen haben. Er und sein Vater schon und er sagt dann nachher zum Wagner: Das stimmt ja alles gar nicht. Keiner weiß, wieviel wir eigentlich im Wald umgebracht haben durch unsere Medikamente. Und keiner hat gesagt, wer wirklich geheilt wurde. Wir können ja mit unseren Zaubertränken da gar nicht heilen, das ist ja im Grunde alles Scharlatanerie, was wir da betreiben. Also er ist sich ganz bewusst dessen, dass da nicht die Kraft drinnen liegt, dass da nicht das Wissen drinnen liegt, wirklich heilend wirken zu können. Damit ist er natürlich schon wieder ein bisschen niedergeschlagen.

Also mit der Stimmung kommt er dann wieder in seine Studierstube hinein und findet dort liegen, ja das Neue Testament. Dann schlägt er’s halt auf, das Johannes Evangelium. Und es drängt ihn danach - und zwar in der Originalfassung - es drängt ihn danach, das in sein geliebtes Deutsch zu übersetzen. Also

Faust

...im Anfang war das Wort.... hier stocke ich schon, wer hilft mir weiter fort? Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, ich muss es anders übersetzen, wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.

(Faust 2, Studierzimmer)

Also er versteht wieder einmal gar nichts. Ist ja auch nicht so leicht zu verstehen.

Im Anfang war das Wort...

und aus dem soll die ganze Welt entstanden sein? Einen Naturwissenschaftler würde das einmal ins Grübeln bringen. Die meisten anderen Menschen auch. Was ist denn dieses Wort? Also er irrt immer weiter davon ab, bis er zum Schluss dort landet, ja, was seinem Impuls entspricht: Im Anfang war die Tat!

Faust schließt einen Pakt mit Mephisto. Er unterzeichnet mit einem Tröpfchen Blut, das mit dem Ich-Prinzip verbunden ist. An das will Mephisto herankommen 0:29:35

Damit ist er dann ganz weggekommen vom eigentlichen Sinn des Johannes-Evangeliums und dann heult der Pudel, den er mit hineingenommen hat in seine Studierstube und der sich irgendwo hinterm Ofen eingerollt hat. Da jault der Pudel ziemlich auf, er jault schon zwischendurch ein paar Mal. Und dann merkt er halt, dass dieser Pudel nicht einfach nur ein Pudel ist und dass da noch was anderes dabei ist. Also dass da eine starke geistige Kraft ist und der versucht, sie zu bannen. Er versucht seine ganzen Künste, aber es nützt nichts. Pft! Steht der Mephisto vor ihm und er erkennt ihn sofort. Er weiß, wer das ist. Er weiß, wer das ist, sofort! Also er nennt ihn ja beim selber beim Namen. Er fragt ihn zwar, wer bist du denn? Aber er gibt selber die Antwort darauf. Also er kennt sehr wohl, mit was er zu tun hat.

Und der Mephisto, dem gelingt es aber immer mehr, ihn - wie soll ich sagen – ihn in sein Garn zu ziehen. Weil Faust erkennt zwar, dass das ja ein Widersacher-Wesen ist. Ein kleiner Geist ist nicht das Große, nach dem er eigentlich strebt. Aber er merkt, mit dem muss er sich einmal auseinandersetzen. Fangen wir sozusagen einmal im Kleinen an, schauen wir, wie es mit diesen Kräften geht. Namentlich der Mephisto ja irgendwo in dem ganzen Gespräch erwähnt… der Mephisto bittet, er dürfte wieder das Haus verlassen. Na ja, bitte geh! Da ist die Tür, da ist das Fenster, durch den Rauchfang kannst auch gehen! Also geh, wo immer du willst! Ja leider, es gibt ein kleines Hindernis, weil auf der Schwelle ist ein Drudenfuß aufgemalt, also ein Pentagramm. Und dieser Drudenfuß bannt die Geister und er kann nicht hinaus. Und Faust schaut ganz irritiert. Ja - ja, und wie bist dann hereingekommen, wenn dich das bannt? Na ja, der eine Winkel nach außen, der ist ein bisschen offen. Dadurch konnte er hineinschlüpfen, aber hinaus kann er nicht mehr. Na ja, das findet der Faust recht gut. Also mein Gefangener, bist du jetzt. Er will aber weg. Nein, nein, du bleibst schon da! Du musst mich noch durch deine Künste erfreuen! Na ja, so geschieht es dann auch.

Natürlich ist ihm der Mephisto haushoch überlegen. Er wird eingeschläfert, er kann also nicht seine Bewusstseinsseele aufrecht halten. Es gaukeln hm alle möglichen Geister vor. Und der Mephisto ruft halt seine dienstbaren Geister, die Ratten, Mäuse und so weiter . Die benagen die Stelle, die Schwelle - und das Pentagramm ist weg, ist offen, und er schlüpft hinaus. Um natürlich dann wieder hereinzukommen. Aber die wichtige Aussage des Mephisto vorher, noch bevor er bevor das mit dem Pentagramm fertig war, wo er gesagt hat er kann nicht hinaus ist ja, ja… auch ein Teufel kann nur dort hinaus, wo er auch hereingeschlüpft ist. Also das Fenster nützt ihm gar nichts und der Rauchfang nützt ihm auch nichts, er muss bei der Tür hinaus, wo er hineingekommen ist. Und das findet der Faust höchst interessant – was, die die Hölle selbst hat ihre Rechte? Das finde ich gut.

Faust

Die Hölle selbst hat ihre Rechte?

Das find ich gut, da ließe sich ein Pakt,

Und sicher wohl, mit euch, ihr Herren, schließen? (Faust 2, Studierzimmer)

Also wenn sich die Hölle auch an Regeln halten muss, dann könnten wir ja, dann könnten wir ja vielleicht den einspannen irgendwo und sich mit ihm einlasse. Und dann kommt es halt dazu, dass der Pakt wirklich unterzeichnet wird, wobei der Mephisto noch verlangt, da musst du unterzeichnen mit einem Tröpfchen Blut! Warum mit dem Blut? Weil das Blut der eigentliche Träger der Ich-Kraft ist. Also das ist sehr eng mit dem Ich-Prinzip verbunden. Und das heißt, daran will der Mephisto heran. Er will, dass Ich in seine Krawallen bekommen im Grunde über den Umweg des Blutes sozusagen. Also er will da herankommen.

Mephisto entfacht in Faust die triebhafte, luziferische Seite. Das sind gewaltige Kräfte in uns, die es gilt, beherrschen zu lernen 0:34:29

Ja, der Faust durchschaut das nicht in Wahrheit. Also er unterzeichnet mit einem Töpfchen Blut. Wenn diese Fratze dir genüge tut - gut, dann soll es halt sein. Dann unterzeichnet er halt. Naja und dann geht es in die Welt hinaus. Man sieht schon, der erste Einfluss des Mephisto, also diese luziferische Seite ist die, dass er die Sinnlichkeit, alles Triebhafte in dem Faust anstachelt. Und der Faust selber ist auch irgendwie… sucht, weil er an dem kalten Verstand, an dem Universitätsstudium sozusagen, an dem Bücherwälzen, mit dem ist er nicht weitergekommen. Also er möchte loswerden alles dieses abstrakte Denken und meint jetzt wenigstens also im Ausleben der sinnlichen Begierden wäre irgendwas Stärkeres zu finden. Das ist sowas, was seinem Kraftgefühl entspricht.

Ist ja auch wahr! Also unser Verstand ist ja von seiner Kraft her nichts gegen dem, was unsere, naja, sagen wir mal tieferen guten oder auch negativen Seelenkräfte haben. Was in unseren Trieben, in unseren Emotionen, im Zorn, in der Wut, in der Liebe, in der Begierde drinnen ist. Das sind gewaltige Kräfte, die es sehr leicht schaffen, unser Ich in Geiselhaft zu nehmen und unser Ich muss ihm folgen. Natürlich, wir sind jetzt sehr zivilisierte Menschen, tun es meistens nicht. Aber ich garantiere, dass wenn schwierige Situationen sind, wo es um das eigene Überleben oder sonstiges geht - man hat es oft genug gemerkt, wie wenig dann die aufgesetzte Moral oben, also die aus dem Verstand kommt, ausreicht, um diese Kräfte, die Todesangst, die Angst vor mir aus um die eigene Familie oder sonstiges einen so weit treibt, dass man dann schrecklichste Dinge macht. Das hat man oft genug erlebt und erlebt es immer wieder in der Welt. Und sehr oft sind es gerade die Menschen, die immer Moral predigen und im entscheidenden Moment dann versagen dabei. Und dann feige davonlaufen und sagen, ja, ist mir wurscht, wenn die anderen umkommen, ist mir egal. Hauptsache, ich komme davon. Passiert! Also… darf man nicht unterschätzen diese Kraft, die da drinnen steckt, die in unserem Seelischen, in unserem Astralischen, wenn man so will, wirkt. Wo aber eben auch die Widersacher-Kräfte durchaus darin wirken, wo der Luzifer darin wirkt. Das sind gewaltige Kräfte.

Die Kunst ist, diese Kräfte beherrschen zu lernen. Das, um das geht es auch im Faust. Es geht nicht darum, den Mephisto in Wahrheit zu bekämpfen, sondern es geht darum, ihn, naja zu leiten, ihn dienstbar zu machen, ihm den Weg zu weisen. Es gelingt dem Faust nie so ganz. Aber es steckt dahinter doch die große Weisheit, dass du ein gewaltiges Potenzial drinnen liegt. Ein gewaltiges Potenzial, des verheerend wirken kann, wenn das Ich es nicht beherrschen kann. Das aber Gewaltiges leisten kann, wenn das Ich es beherrscht. Ich vergleiche das gern mit dem Bild von einem wilden Mustang. Um den zu zähmen, um den reiten zu können, muss man viel tun. Da muss man Vertrauen dazu aufbauen, da muss man lange arbeiten damit und dann unterwirft er sich. Aber unterwirft nicht im negativen Sinn, dass er gebrochen wäre oder was, sondern dass er merkt, der Reiter kann mir etwas geben, was ich durch mich alleine… also natürlich sagt sich das Pferd das nicht so in Gedanken. Aber es erlebt das einfach, die Wohltat: Da ist ein Mensch, der holt aus mir noch mehr heraus, als ich aus mir kann. Wo einfach das ganze Potenzial dieses Pferdes erst ausgeschöpft wird. Und wir haben alle so ein Pferd in uns! Und unser Ich ist so ein kleiner Reiter darauf.

Also in Wahrheit ist es ein Riesen-Dinosaurier, oder weiß ich nicht, auf dem wir reiten. Bei allen von uns! Wir merken es nur deswegen nicht, weil wir ja zivilisierte Menschen sind und der meiste Teil dieser Kraft weggesperrt ist. Nur wehe der Stall geht auf und es wird losgelassen! Dann kann das Ich nur bestehen, wenn es eben dieses Urtier zu reiten gelernt hat. Und wir haben dieses Urtier in uns. Es sind gewaltige Kräfte und die gehören gelenkt und auch nutzbar gemacht. Jedenfalls nicht unterdrückt. Sie sollen gelenkt werden.

Fürchtet euch nicht: Begegnungen mit der geistigen Welt sind immer erschreckend, weil man mit seinen eigenen dunklen Seiten konfrontiert wird 0:39:48

Das ist also auch eine Botschaft des Faust drinnen. Also er ist bei Gott nicht der Mensch, der immer mit der steifen Miene, immer Tip Top alles in Ordnung, was er sagt. Nein! Wo man sagt, der geht ja fast wie ein Heiliger durch die Welt. Aber ein Heiliger, der halt nicht seine ganze Kraft ausschöpft, sondern der im Grunde das als Maske äußerlich trägt. Es gibt so viele heute die die Moral vor sich hertragen und jeder denkt: Um Gottes Willen, gegen den bin ich so klein. Und in Wahrheit stimmt das alles nicht. Das ist Oberfläche, das ist vom Kopf her und das beeindruckt die Menschen. Beeindruckend ist es, wenn es ein Mensch schafft, wenn die tiefsten Kräfte, die in ihm sind, vielleicht… weiß ich nicht… in seiner Familie, die werden ermordet oder sonst was, was dann vielleicht an Zorn, an Hass, an Verzweiflung aufbrechen kann, wenn er damit fertig wird. Das ist ein Meister! Dort geht der Weg hin! Oder ein Künstler muss das haben. Ein Künstler, der nur aus dem Kopf schafft, ist kein Künstler in Wahrheit. Er muss in tiefere Sphären hineingehen. Ja, vielleicht auch insofern, wo dunklere Sphären drinnen sind. Weil man muss seine eigenen dunklen Seiten kennenlernen.

Weil in Wahrheit, wenn man den Blick in die geistige Welt öffnen will, wenn man dieses Wagnis unternehmen, ich sag bewusst, dieses Wagnis unternehmen will, dann ist das Erste, wenn es eine reale Wahrnehmung ist und nicht eine luziferisch verzerrte Wahrnehmung ist, dann ist sie erschreckend. Das ist einmal das Erste. Da braucht man nur die Bibel aufschlagen. Jedes Mal, wo eine Engel-Begegnung ist, ist immer das Erste: "Fürchtet euch nicht“, oder "Fürchte dich nicht!" Und dieser Ausspruch ist sehr ernst zu nehmen. Weil es ist niederschmetternd, weil man vor allem einmal als allererstes konfrontiert wird mit den ganzen dunklen Seiten, die man selber in sich hat. Die fängt man an als allererstes zu spüren. Also das heißt, wenn ich eine Begegnung hab mit dem Engel und das ist wunderschön und erfreut mich, dann ist es in den meisten Fällen eine luziferische Erscheinung. Dass ich ihn so erleben kann, da muss ich erst durch die Dunkelheit durchgegangen sein - durch die eigene nämlich, die ich habe.

Ich kann ihn in dieser reinen Form, wie es zum Beispiel im Evangelium geschildert wird: Also Maria mit dem Erzengel Gabriel, (Verkündigung des Herrn) die kann ihn erleben, in seiner reinen, hellen Gestalt, weil sie selber ganz rein ist. Aber wie viele von uns sind das bis in die tiefsten Tiefen hinein? Also das heißt, in Wahrheit ist die die erste Begegnung erschütternd. Und jedes Mal, wenn man so einem höheren geistigen Wesen begegnet, muss man das sehen: Wo stehe ich? Nur dann kann ich es richtig einschätzen. Ansonsten verzerre ich es nach meinen eigenen Wünschen, nach den Einflüssen dieser luziferischen oder von mir aus ahrimanischen Kräfte, die mir was vorgaukeln. Der Ahriman macht es halt damit, dass er uns vom Verstand her vorgaukelt, wie weise wir sind, weil wir gescheit einfach sind. Aber Gescheitheit hat mit Weisheit nichts zu tun überhaupt. Überhaupt nicht! Ich kann Bibliotheken auswendig kennen und Berechnungen hinten und vorne anstellen können. Heißt noch nicht, ob ich irgendwie weiser bin als irgendwer, der gerade die Volksschule vielleicht abgeschlossen hat und nicht mehr hat. Aber ein Herz hat, mit dem man wahrnehmen kann, was mit anderen Menschen los ist, der sie erleben kann.

Gemäß der abendländischen Reinkarnationslehre entscheidet sich der Mensch, wieder auf Erden zurückzukehren, um sich weiterzuentwickeln. Das unterscheidet sie von der östlichen Lehre der Seelenwanderung 0:44:03

Weil - vielleicht so als Zwischeneinwurf in das Ganze: Wir sind ja ständig umgeben von geistigen Wesen. Wir können ihnen ständig begegnen. Und ich meine vor allem die, die da sitzen, die anderen Menschen. Nur sie als geistige Wesen zu erkennen, ist die Schwierigkeit. Und sie nicht nur als äußerliche Erscheinung zu nehmen, sondern sie ihrem Wesen nach zu erkennen. Und das ist in jedem Gespräch möglich, wenn man offen ist. Aber da muss man seine eigenen Schattenseiten kennen, muss auch stehen können zu denen und sagen, ich bin auf dem Weg, aber er ist noch lange nicht vollendet. Bei den Wenigsten – das sind ganz große Eingeweihte, die ihn schon so vollendet haben, dass sie eigentlich für sich einer irdischen Inkarnation nicht mehr bedürfen würden, um weiter zu lernen auf der Ebene - aber die meisten von uns haben noch einen weiten Weg vor uns, haben noch viele Irrungen vor sich.

Faust

Es irrt der Mensch, solange er strebt!

(Faust 1: Prolog im Himmel, der Herr zu Mephistopheles)

Und was zwar im Faust nicht so direkt ausgesprochen wird, aber Goethe durchaus im Hintergrund hatte ja auch die Reinkarnationslehre. Mit der war er sehr vertraut und war überzeugt davon. Also betrifft es nicht nur ein Leben, sondern viele Leben in Wahrheit, wo wir noch weiter lernen dürfen, weiter lernen können. Und das macht auch den Unterschied zwischen, wie soll ich sagen, der abendländischen Reinkarnationslehre aus, zu dem, was in den östlichen Lehren da ist. Was eigentlich, wenn man es ganz genau nimmt, mehr dem Gedanken einer Seelenwanderung entspricht als einer wirklichen Reinkarnation. Oder, das ist nur ein Sonderfall davon. Also ich schweife jetzt ein bisschen vom Faust ab. Aber vielleicht als Hintergrund, wenn Sie nehmen, zum Beispiel im Buddhismus, was seine Wurzeln auch im Hinduismus hat, also im Indischen irgendwo, da ist es sehr ähnlich. Da wird man wiedergeboren in sechs Daseinsbereichen, in irgendeinem von sechs Daseinsbereichen. Das geht also von ganz unten, vom Höllenbereich geht es über den Bereich der Hungergeister, dann kommt man in den menschlichen Bereich und dann kommt man in die übermenschlichen Bereiche, in die Göttersphären hinein. Das sind alles die Bereiche, wo man wiedergeboren werden kann. Das hat nichts mit irdischen Inkarnationen oder wenig zu tun, sondern es wird eigentlich beschrieben im Grunde der nachtodliche Weg des Menschen, also zumindest eine gewisse Strecke. Und es ist was Großes, wenn man Mensch dabeibleibt und halt nicht in Bereiche kommt, wo alle möglichen Widersacher-Kräfte auch drinnen sind. Also zum Beispiel der Bereich der Hungergeister: Da ist man ganz in den Kräften drinnen, die einen noch an das sinnliche Dasein binden. Also wo so viel Luziferisches drinnen ist, was uns da festhalten will. Und was man aber, weil man keinen Körper mehr hat, nicht mehr erfüllen kann, dann ist man ein Hungergeist. Ein Hunger, der nie gestillt werden kann. Also… aber dieses wirklich als Mensch auf Erden in so einer durchaus physischen, ja sogar stofflichen Gestalt auf Erden zu kommen und zu sagen, ich will dort hinunter, um mich weiterzuentwickeln - das ist ein tiefer christlicher Gedanke in Wahrheit. Die Kirche wird mir wahrscheinlich nicht zustimmen, aber ich sage: Die Reinkarnationslehre ist eine Quintessenz des Christentums. Das, was der Christus in einem Erdenleben vollbracht hat, nämlich Mensch zu werden auf Erden - das höchste Göttliche wird Mensch auf Erden - das schaffen wir halt nur in vielen Etappen, dem nahezukommen, dem nachzueifern irgendwo. Aber darum geht es eigentlich, dass jeder Mensch diesen Ich-Funken, aber damit auch diesen Christusfunken in sich erweckt. Wie heißt so schön?

Wird Christus tausendmal - Angelus Silesius sagt das - wird tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in dir, so wird er nicht geboren.

Das heißt, das alles hat keine Wirksamkeit, wenn er nicht in dir geboren wird. Und dazu, dass das immer stärker in uns wird, dieses innere Licht, dazu brauchen wir den Willen, herunterzukommen wieder. Wieder einmal zu scheitern, aber trotzdem einen Schritt weiterzukommen. Es ist ein mühsamer Weg. Letztlich bereiten wir uns diesen Weg selber. Ich meine - Karma, Schicksal - wer macht es eigentlich, wer steckt dahinter? Wir selber! Es ist ja keine Bestrafung, die von irgendwo kommt. Es ist eine Aufgabe, die wir uns im Grunde selber stellen. Und höhere geistige Wesenheiten helfen uns dabei, dass wir diese Aufgabe im nächsten Erdenleben wiederfinden irgendwo und entdecken. Aber wir wollen es. Niemand anderer. Es wäre sogar das Schlimmste - und das kann durchaus passieren, dass uns Widersacher helfen dabei, uns manches zumindest lange Zeit zu ersparen und das zu umgehen. Dann lernen wir aus unseren Fehlern nicht. Das heißt, wir entwickeln uns dann nicht weiter, sondern wir bleiben stehen. Und stehenbleiben heißt eigentlich in Wahrheit Rückentwicklung. Das ist die große Gefahr.

Faust in Auerbachs Keller und in der Hexenküche. Begegnung mit der schönen Helena, die bei Goethe für die reine, höhere Seele steht 0:50:32

Also es ist… und  das ist das, was der Faust will. Ja, im wahrsten Sinne auf Teufel komm heraus, ich will aus meinem ich heraus die Welt verändern und die Welt verstehen. Und wenn ich dabei scheitere zwischendurch, macht nichts. Das nächste Mal wieder, nächster Anlauf, nächster Anlauf, nächster Anlauf. Das ist dieser Ich-Impuls, der drinnen ist. Ja, wo führt das hin? Ich meine, die die schönen Bilder dann… also schönen Bilder, die dramatischen Bilder nach dem Pakt mit dem Faust… geht’s einmal in Auerbachs Keller. Gut, das sind einmal die wirklich sehr banalen irdischen Genüsse, die man dort erleben kann. Das befriedigt in Wahrheit den Faust natürlich überhaupt nicht. Also er sagt dann letztlich: Komm, gehen wir, das ist uninteressant! Also auf Deutsch würde ich sagen: Trinken im Übermaß konnte ich vorher schon, also da brauch ich nicht dich als Teufel dazu im Grunde.

Aber es geht dann weiter in die Hexenküche. Und was zeigt diese Hexenküche? Die zeigt ein sehr interessantes Bild. Die Hexe dort - damit will ich jetzt gar nichts über Hexen aussagen - aber das Bild, was halt Goethe gebraucht, ist ein Urbild der seelischen Hässlichkeit. Es ist ein verdorbenes Seelisches, das dort lebt. Das soll gezeigt werden.

Und in diesem ganzen Bild der Verdorbenheit darinnen erscheint aber dem Faust das Bild der Helena, der schönen Helena [Helena (Mythologie)]. Und die schöne Helena steht in Wahrheit da beim Goethe für die ja, reine Seele eigentlich, für die höhere, höhere Seele. Und sehr bewusst von Goethe die Helena gewählt, die er empfindet als ein schuldig-unschuldiges Wesen. Das ist ja die Frage: Ist sie dem Paris freiwillig gefolgt? Sie kennen die Geschichte. Also der Paris… eigentlich war die Helena ja vermählt mit dem Menelaos. Und der Paris hat sie aber entführt, weil sie so schön ist. Hat sie nach Troja entführt. Deswegen ist der ganze Trojanische Krieg ausgebrochen und alle möglichen anderen Übel sind passiert noch auf dem Wege. Aber es gibt einen Nebenerzähl-Strang, wo nicht ganz klar ist: Ist sie erstens einmal freiwillig mitgegangen oder nicht? Ist sie überhaupt mitgegangen mit ihm oder konnte sie entkommen? Es gibt auch Erzählungen, die sagen, sie hat in Ägypten Asyl gefunden und ist dort gewesen? Gibt es also… und das kann die Goethe sehr gut, diese verschiedenen Variationen. Und der sieht also diesen besonderen Reiz in der Helena - dieses Schuldig-Unschuldige. Es ist im Schwebezustand. Also er hat nicht gleich das Bild höchster, makelloser, unantastbarer Reinheit, sondern er lässt das ein bisschen in Schwebe.

Aber es ist sozusagen das Musterbild aller Frauen. Und das Musterbild aller Frauen ist zugleich das Musterbild alles Seelischen. Also in den Mythologien ist meistens… die Frau steht für das Seelische, für das höhere Seelische. Oder die Hexe, halt für das niedere Seelische. Zumindest in dieser Szene mit der Hexenküche. Hat jetzt nichts zu tun mit dem, was später den Hexen, die eigentlich Heilerinnen waren im Grunde, angehängt wurde.

Hexenverfolgungen hatten einen wirtschaftlichen Hintergrund und fanden in der Neuzeit statt, nicht im Mittelalter 00:54:26

Ist übrigens interessant, dass das ja neuzeitliche Erfindung war. Im Grunde waren es die Ärzte, die eine Konkurrenz gesehen haben. Und auch die Kirche, die ihre Kräuter hatten, auch eine Konkurrenz darin gesehen haben. Das war der große Hintergrund. Und die großen Hexenverbrennungen waren nicht im finsteren Mittelalter, sondern in der Neuzeit bis so ins 16. Jahrhundert gut hinein. Also, da sind die großen, die großen Verbrennungen gewesen. Im Mittelalter hat man das besser noch unterscheiden können und da hat man gewusst, es sind einfach Heilerinnen. Aber es ist so wie heute in der Medizin vielfach ums Geschäft gegangen Ja, ganz groß! Es war Konkurrenzdenken und das hat man natürlich mit heiligen Argumenten unterstützt und das alles, aber im Grund ging es nur um solche Dinge, entweder ums Geld oder manchmal auch um die Macht.

Halt, wenn man denkt die Person, mit der eigentlich unsere Neuzeit eingeläutet wurde oder was, oder womit Rudolf Steiner so gegen den Anfang unseres Bewusstseinsseelenzeitalters, sei es Jeanne d’Arc, die die verbrannt wurde Aber einfach aus Machtgründen in Wahrheit. Aus nichts anderem heraus und sich niemand für sie eingesetzt hat dann letztlich. Also das ist sehr markant. Wohl nicht umsonst setzt Rudolf Steiner den Anfang unseres Bewusstseinsseelenzeitalters also auf das Geburtsjahr der Jeanne d’Arc an Wie alle Jahre gibt es da natürlich lange Übergangszeiten, wo das Alte noch verschwindet und das Neue langsam aufkommt Also diese Marken gehen nach den kosmischen Rhythmen irgendwo natürlich, aber trotzdem merkt man nicht sofort, ab morgen ist alles anders, sondern es geht gleitend über. Aber es sind doch oft einzelne Ereignisse, die ganz markant sind, also die das ganz markant bezeichnen. Und so eben ist es die Jeanne d’Arc oder eben auch dann danach die vielen Frauen, die umgekommen sind, weil man sie als Hexen verurteilt hat. Egal, was sie gemacht haben. Man braucht eh nur im Grunde Hexe sagen und noch irgendeinen Zweiten finden, der das auch bestätigt und das hat im Grund schon genügt.

Mephistopheles

Durch zweier Zeugen Mund

Wird allerwegs die Wahrheit kund.

(Goethe, Faust 1. Der Tragödie erster Teil, Der Nachbarin Haus, Mephistopheles zu Margarete)

Wenn es aber was Falsches aussagen, gilt‘s dann trotzdem vor Gericht als Wahrheit. Das ist damals sehr schnell gegangen. Und ein bisschen ist es diesbezüglich heute besser geworden, es geht nicht mehr so leicht zumindest. Also man braucht halt heute mehr Raffinement, um auch unschuldige Menschen… zumindest bei uns, nicht überall in der Welt.

Faust bekommt in der Hexenküche einen Verjüngungstrank und begegnet Gretchen. Mephisto ist siegessicher, dass Faust sich nun verlieben wird und er seine Wette gewinnt 0:57:51

Ja, also dieses Erlebnis der Hexenküche - und Faust kriegt jetzt so eine Art Verjüngungstrank. Um den geht‘s da drinnen. Ja, mit diesem Verjüngungstrank... was heißt dieser Verjüngungstrank? Ja, es kommen gewisse Jugendkräfte… das heißt in Wahrheit ja nicht, dass er äußerlich jetzt plötzlich so und so viele Jahre jünger ist. Aber es ist etwas… es wird eigentlich etwas in ihm erweckt von den Jugendkräften, denen aber… ja so ein bisschen die Weisheit der mittleren Jahre, die er sich schon errungen hat, eigentlich in den Hintergrund geht. Weil er will ja nicht mehr denken, bewusst sein. Nein, er will in der Sinnlichkeit ertrinken, um sich abzulenken. Dort hat hinter Mephisto bis dort hingebracht. Also er gibt sich scheinbar zufrieden mit dem irgendwo. Und… ja, diese Begegnung… diese Vision der Helena, das zieht ihn an. Aber Mephisto sagt ja ganz deutlich dann:

Du siehst, mit diesem Trank im Leibe, bald Helenen in jedem Weibe (Faust 1, in der Hexenküche)

Also es ist wurscht, was da präsentiert wird und du wirst das schon finden, das passt, auch wenn es eigentlich nicht wert ist. Aber Sie wissen, es geht dann weiter, dass er dem Gretchen begegnet, diesem unschuldigen Mädchen Und sich verliebt in sie. Verliebt, schon durchaus, weil er ihre Reinheit erkennt. Aber zugleich auch natürlich fühlt er sich in der sinnlichen Begierde, sagen wir mal, hingezogen zu ihr. Es ist beides. Er sieht beides in ihr. Und, ja natürlich schafft er es, diese Reinheit zu zerstören im Grunde und Unglück über das Gretchen zu bringen. Aber bevor es soweit ist, ja - gibt es ja noch die schöne Szene "Gretchen am Spinnrad", wo er dann kommt und die Gretchenfrage gestellt wird. Also - ich muss immer ein bisschen schmunzeln, wenn er reinkommt und sie als erstes mehr oder minder sagt:

Gretchen Nun sag, wie hast du's mit der Religion?

Und der will eigentlich jetzt da wieder in ihre Kammer kommen irgendwie. Aber es ist gut - also sie fragt ihn jedenfalls und er als der große Mann beschwichtigt natürlich alles. Ja, ja - muss man daran glauben! Nein, aber...

Faust Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben...

Das will er nicht. Aber doch! Gretchen sagt, man muss daran glauben. Und er erklärt ihr dann mit seiner Antwort halt, wie es er damit hält und meint:

Faust

Magst Priester oder Weise fragen,

Und ihre Antwort scheint nur Spott

Über den Frager zu sein.

(Szene 15: »Gretchens Stube« und Szene 16: »Marthens Garten«)

Was er sehr richtig erkennt: Also die ganzen Gelehrten wissen über Gott in Wahrheit nichts zu sagen.

Die Theologie ist eine reine Verstandeswissenschaft, welche ihre Hochblüte mit Thomas v. Aquin hatte. Das Denken der Zukunft aber wird ein mit-tätiges, imaginatives Denken werden 1:01:37

Und ich wage jetzt offen auszusprechen, die ganzen Theologen, die gescheit über das Göttliche reden, wissen nichts davon, am aller wenigsten! Und ich habe mich viel mit Theologie beschäftigt. Ich habe viel gelesen, auch die Schriften von Benedikt XVI. oder so. Und man merkt bei allen entscheidenden Fragen ist absolutes Unwissen drinnen. Da wird über die Auferstehung gesprochen, bis hin, wie wichtig das alles ist. Aber die Frage, was die Auferstehung wirklich ist, kann nicht geklärt werden. Wissen wir nichts davon. Jedenfalls die Theologen nicht.

Ich meine, die Theologie ist eine reine Verstandeswissenschaft geworden Sie hat ihre Blüte gehabt zur Zeit des Thomas von Aquin. Und er selber war sich aber bewusst, dass er das, was er eigentlich gesucht hatte, nicht gefunden hat drinnen. Und wenn man die Schriften vom Thomas von Aquin liest - sie sind großartig vom Verstand her und man kann viel lernen daraus. Aber in eine geistige Erfahrung, in eine geistige Wahrnehmung kommt man nicht damit. Kommt man nicht damit.

Thomas von Aquin ist zu dieser Wahrnehmung fast am Ende seines Lebens gekommen. Also am Nikolaustag 1273 war es. 1274 ist er dann gestorben, oder gestorben worden? Das ist… weiß man nicht so genau, ob nachgeholfen wurde. Aber jedenfalls da hatte er eine große Vision. Und offensichtlich auch eine Vision, die ihn nicht jetzt so überfallen hat, sondern wo er mit einem gewissen Bewusstsein dabei war, also, das heißt, mit tätig war dabei. Und als er diese Vision hatte, seitdem hat er keine Zeile mehr geschrieben, beziehungsweise diktiert, muss man genau sagen. Weil in seiner Blütezeit hat er 4 Schreibern zugleich diktiert! Also 4 ganz verschiedene Texte oder was, gleichzeitig, einmal diesen Satz, einmal mit dem. Also er hat das vollkommen vom Verstand her im Überblick gehabt, also ein theologisches Gebäude, das makellos ist in gewisser Weise. Und trotzdem konnte er die Frage, wie kann das Denken selbst christlich werden im Sinne von, wie kann ich das Geistige, das Göttliche wahrnehmen, wirklich erfahren und nicht nur darüber nachdenken, indem ich die Schrift interpretiere. Aber an der Frage ist er bis zuletzt gescheitert. Und dann hatte er dieses Erlebnis - und seitdem hat er nichts mehr geschrieben. Das musste dann in späteren Inkarnationen überlassen bleiben, dass… den Durchbruch zum wirklichen christlich-Werden des Denkens zu schaffen, nämlich das Geistige zu schauen.

Das ist die Zukunft des Denkens. Dort geht es hin. Also es wird nicht beim bloßen Verstandesdenken bleiben, sondern es wird ein imaginatives Denken werden. Ein geistig-wahrnehmendes Denken, wo ich aber zugleich also aktiv gestaltend dabei bin.

Das aktive, gestaltende Denken ist auch bei Naturwissenschaftlern bekannt. So spricht Wolfgang Pauli vom malenden Schauen seelischer Bilder als Grundlage aller Erkenntnis 1:04:57

Interessant, dass das einzelne Naturforscher oder so… diese Art des Denkens kennen. Also was ist… wenn ich sehr gern meinen Liebling zitiere: Wolfgang Pauli, österreichischer Physiker gewesen, Nobelpreisträger. Hat sehr viel beigetragen dazu, das Bild der Materie zu gestalten, so wie wir es auch heute noch kennen. Wie man es in der Schule und dann auf den Universitäten lernt. Also er hat da sehr Wesentliches dazu beigetragen. Hat aber auch sehr wohl das Bewusstsein gehabt: Was ich darüber finde, was ich selber erkennen kann, das kommt aus tieferen Quellen. Und ich begegne immer wieder auch in meinen Träumen, in meinen Aufwachträumen dem Geist der Materie. Mit dem muss ich mich auseinandersetzen, das ist eine dunkle Gestalt, mit der muss ich mich auseinandersetzen. Und nur aus dem heraus komme ich zu meinen Ideen. Und der war zugleich aber brillanter Verstandesdenker und war gefürchtet von den Kollegen, weil er jeden Fehler sofort aufgedeckt hat und die Leute blamiert hat. Also da hat er… im Sozialen war er unverträglich im Großen und Ganzen. Also er war gefürchtet, aber er hatte klaren Verstand und zugleich ein - vielleicht nicht vollbewusstes - aber doch ein deutliches geistiges Schauen.

Er hat dann mit dem C. G. Jung (Carl Gustav Jung) sehr lange zusammengearbeitet, der auch Schauungen hatte in Wahrheit, sie nie während seiner Lebzeiten veröffentlicht hat. Ich weiß nicht, ob Sie das kennen: Das rote Buch (Carl Gustav Jung) von ihm? Das ist mit Zeichnungen und Schilderungen… also da schildert er vor allem seine große Vision, die er hatte. Jahre, bevor der Erste Weltkrieg ausgebrochen ist, hatte er die Vision also, dass Europa im Blut versinken wird - in sehr, sehr vielen Details. Und er hat sich nie… er hat nie gewagt, das so zu Lebzeiten zu veröffentlichen, weil er sich gedacht hat - und so wäre es wahrscheinlich auch gekommen - dass sich die Kollegen alle lustig machen über ihn und dass er unten durch ist. Weil er sowieso einen schweren Stand hatte. Also das… hat er gehütet. Heute ist es mittlerweile veröffentlicht, es ist wirklich ein tolles Buch mit vielen Bildern, selbst gemalten Bildern, also wo er versucht, diese Imaginationen ins Bild zu bringen.

Und solche Bilder hatte eben auch der Wolfgang Pauli. Und der hat einen wunderschönen Ausdruck gesprochen. Er spricht, dass die Grundlage aller Erkenntnis ist das malende Schauen dieser seelischen Bilder, das malende Schauen! Das heißt, ich muss was tun. Es ist nicht: Äh- ich mach sozusagen das geistige Auge auf und es ist alles fertig da, sondern ich muss es malen. Und trotzdem male ich nicht willkürlich etwas, sondern ich male Aspekte der geistigen Wirklichkeit. Aber ich muss tätig werden. Das ist die Fortsetzung, die Steigerung des Denkens in Wahrheit in dieses bildhafte, malende Schauen. Ein Denken, das wirklich in die Wirklichkeit eintaucht, lebt in ihr und das ja, Bild werden lässt.

Das hatte in anderer Art Goethe wieder, der ja auch immer wieder - in der Farbenlehre [Farbenlehre (Goethe)] zum Beispiel - vom sinnlich-sittlichen Erleben spricht. Also, das heißt vom sinnlich-übersinnlichen Schauen. Bei Goethe ist es so ganz deutlich, er sieht immer das Übersinnliche im Sinnlichen dazu. Er sieht in den Pflanzen die Urpflanze. Er sieht sie. Das berühmte Gespräch mit Friedrich Schiller, wo jetzt Goethe dem Schiller erklärt, seine Urpflanze, und das schildert. Und dann sagt der Schiller ganz fasziniert: Ja, das ist eine wunderbare Idee, die Sie da entwickelt haben! Und dann wird er bitterböse, der Goethe und sagt, das kann man lieb sehen, dass ich Ideen habe, ohne es zu wissen und sie noch dazu mit Augen sehe. Ja, aber mit den sinnlich-übersinnlichen Augen, beides zugleich. Das hat Goethe ausgezeichnet: Also im Sinnlichen das Übersinnliche zu sehen. Das Sinnliche nicht ohne das Übersinnliche zu sehen, das dazu gehört. Das heißt, wenn ich eine Rose anschaue, sehe ich in ihr ja auch die Urpflanze. Ich sehe sie drinnen, wie sie wirkt und gestaltet. Und genauso im Veilchen oder im Tannenbaum sehe ich auch dieses pflanzlich- vegetabile Prinzip, denn ich sehe es drinnen.

Also es ist vergleichbar noch mit dem, was Platon hatte auf alte Art. Goethe war ja auch in der Griechisch-Lateinischen Zeit natürlich inkarniert, hat auch etwas von diesen Impulsen mitbekommen. Aber er hat es halt in unserer Zeit auf neue Art und noch bewusster gefasst, als es bei Platon war, aber das war schon einer der letzten, der es noch hatte, im Sinnlichen das Übersinnliche zu sehen. Das heißt, die Ideen, die Platon sieht, sind nicht unsere kleinen Verstandesideen, sondern Idee hat was mit Sehen zu tun in Wahrheit. Ideenschau wird sie auch gerne übersetzt. Er sieht es, aber im und am Sinnlichen.

Gelehrsamkeit hat mit Denken nichts zu tun. Wirkliches Denken ist verbunden mit einem Erleben. Jeder Laut in einfachsten Worten trägt etwas bei zu ihrer Gestaltungskraft 1:11:05

Das versucht halt der Goethe auch dem Gretchen da in dieser berühmten Gretchen-Szene irgendwo nahezubringen, irgendwo. Und… aber halt trotzdem in einer sehr schwammigen Weise, dass es letztlich darin endet:

Gretchen

Ach, ich habe keinen Namen dafür, Gefühl ist alles, Name ist Schall und Rauch.

(Faust 1, Marthens Garten, Gretchen am Spinnrad)

Es ist noch nicht klar genug. Weil es wird ja oft dieses Gretchengespräch als der Inbegriff… wie man über das Göttliche reden könnte. Und Rudolf Steiner sagt sehr deutlich, ja gut, aber es ist Gretchen-Weisheit. Es ist Weisheit für vielleicht fünfzehnjähriges Mädchen, es ist noch nicht die größte Weltweisheit drinnen. Aber es stimmt natürlich insoferne, als eben dieses Gefühlselement auch dazu gehört. Also es ist auch nicht ganz falsch, dass das dazu gehört. Man muss etwas erleben. Ein Denken, das nicht erlebt wird, ist nicht wert, Denken genannt zu werden, sag ich ganz deutlich einmal. Wenn ich nur Begriffe hab, die ich halt gelernt hab in der Schule oder auf der Universität oder sonst wo und die anwenden kann, aber nicht erlebe, was das bedeutet, dann ist es nicht auf der Höhe unserer Zeit in Wahrheit. Ich meine, ich weiß schon, es ist bei 90% der Forschenden nicht auf der Höhe der Zeit. Aber darüber müssten wir hinauskommen.

Wir sind nicht mehr im bloßen Verstandesseelenzeitalter, wo wir nur mit der äußeren Logik arbeiten und das zusammen konstruieren, wo wir aber den Inhalt der Begriffe nicht wirklich erleben. Das reicht nicht. Damit kann man künstliche Intelligenz bauen. Die ist genau das! Das gesamte Wissen der Menschheit eingefroren und jederzeit abrufbar. Das kann künstliche Intelligenz 10000-mal besser als der gelehrteste Mensch heute. Es kann auf das zugreifen. Aber mit Denken hat das überhaupt nichts zu tun. Nichts! Denken heißt nämlich: Ich erlebe was dabei. Wenn ich einen Begriff bilde, wenn ich ein Wort sage, müsste ich eigentlich schon was erleben dabei, sonst ist eine Floskel, eine äußere. Da kann der Faust mit Recht sagen: Ja, beim Wort kann ich nicht stehen bleiben, es muss doch was viel Wirklicheres sein, wenn ich erlebe, was in einem Wort drinnen steckt, wenn ich das geistige erlebe, was dahintersteckt, welche Gestaltungskraft in den einfachsten Worten dahintersteckt, wenn ich es erlebe, wie jeder Laut dazu etwas beiträgt. Wie ich erlebe, wie diese Kraft, die wir in diesen Laut hinein formen, wie das in der ganzen Natur als Gestaltungskraft wirksam ist. Was wir im Kleinen nachmachen sozusagen, aber das finde ich überall drinnen in der Natur. Dann erlebe ich das Übersinnliche im Sinnlichen. Dann fängt die Natur nicht nur an für mich Imagination, also geistige Wahrnehmung zu werden, dann wird sie Inspiration. Sie erzählt mir, was mit ihr los ist, sozusagen, was sie bedeutet. Dann fängt die Natur zu sprechen an. Das sind Dinge, die die Goethe hatte und nach dem der Faust auch immer wieder strebt drinnen.

Ich schau nur mal auf die Uhrzeit. Ja, machen wir noch. Bissl Zeit... Weil die mich kennen, ich neige dazu, zu überziehen, ein bisschen. Manchmal ein bisschen viel auch.

Gretchen begeht schwere Verfehlungen und ist trotzdem "gerettet". Zur ewigen Verdammnis verdammen wir uns selbst, wenn wir uns verführen lassen, am Weg aufzugeben 1:15:13

Ja, also diese… Sie wissen aber, diese Gretchengeschichte - dass wir da ein bisschen weitergehen - geht nicht wirklich gut aus. Also er will natürlich auch die sinnliche Begierde pflegen mit dem Gretchen. So kommt es auch, sie wird schwanger. Aber damit das Ganze passiert, kriegt die Mutter einen Schlummertrank. Der Schlummertrank ist leider ein bisschen zu stark, also sie schlummert dann bis zur nächsten Inkarnation sozusagen. Dann kommt das Kind. Das Kind bringt die... in ihrer Verzweiflung... das Gretchen, auch noch um. Weil natürlich niemand darf das wissen. Und sie ertränkt das Kind im Grunde und wird ja dann auch in den Kerker geworfen. Faust kann sich dann endlich wenigstens durchringen, also sie sind Kerker aufzusuchen und will sie befreien aus dem Kerker mit der Hilfe des Mephisto. Aber sie geht nicht. Sie geht nicht. Sie weiß auch in ihrer, ja-  vielleicht Verwirrung, die sie hat. Also sie ist ja fast im Wahnsinn irgendwo, aber jedenfalls eines erkennt sich sehr deutlich: Dem Faust folgt sie nicht hinaus, sie nimmt das auf sich und erst recht folgt sie natürlich nicht dem Mephisto.

Und der Mephisto sagt:

Sie ist gerichtet!

Aber die Stimme von oben dann:

Ist gerettet! (Faust 2, Kerker, Kapitel 28)

Also auch dieses Gretchen wird  schuldig unschuldig. Sie hat Fehler begangen, schwere Fehler. Natürlich auch eben ausgelöst durch den Faust, der sie verführt hat im Grunde. Da ist jetzt der Faust der Verführer gewesen, mit dem Mephisto im Hintergrund. Entschuldigt natürlich trotzdem nicht, dass es schiefgeht. Sie macht also Fehler und trotzdem ist sie gerettet. Trotzdem ist das nicht der Grund, also sozusagen zur Hölle zu fahren. Das ist ganz interessant. Dass also… was Goethe da drin beschreibt, nicht immer so ganz mit den klassischen Moralvorstellungen sich deckt. Wo man sagt: Aha, die hat ihr Kind umgebracht! Was? Die Mutter hat sie auch noch vergiftet? Also da kann man ja nichts anderes tun, als sie hinrichten. Mag vielleicht auch sein. Aber trotzdem gibt es noch mehr. Auch ein Mensch, der so etwas tut, aus welchen Gründen auch immer, ist ein Mensch und für diesen Menschen gibt es eine Zukunft. Sie wird wahrscheinlich in der nächsten Inkarnation dieses Gretchen, ja - an Aufgaben zu leisten haben und das gut zu machen, gar keine Frage. Aber trotzdem geht es weiter.

Nicht wahr, weil wer aus dem Ich wirklich heraus versucht, die Menschen zu verstehen, kann selbst den ärgsten Verbrecher verstehen und auch sehen, dass auch der eine nächste Inkarnation haben wird, die schwierig sein wird für ihn, aber wo er weiterkommen kann. Es gibt die ewige Verdammnis eigentlich nur dann, wenn wir uns selber dazu verdammen. Wenn wir selber aufgeben, den Weg zu gehen. Wie soll ich sagen, die Widersacher-Kräfte verführen uns dazu, halt aufzugeben.

Faust 2 nimmt inhaltlich eine andere Richtung und ist viel reicher als Faust 1 1:19:09

So viel zu Faust 1. Jetzt ist der Faust 2… ist ja eigentlich die viel reichere Geschichte, viel umfangreicher. Also wenn man komplett spielt den zweiten Teil ist er, je nachdem wie schnell man spielt, ist er zwischen 12 und 16 Stunden mindestens. Also das ist fast unspielbar an einem Tag auf jeden Fall. So müsste man es auf mehrere Tage… ist eben im Goetheanum gemacht worden und wird auch immer wieder. Also jetzt haben sie auch eine gekürzte Fassung im Übrigen. Ist gemacht worden, aber um es einem Publikum darzubieten, das nicht das Sitzfleisch für eine ganze Woche hat, sich das anzuschauen, muss man es also kürzen. Wir haben unseren Faust 2… ich habe ihn wirklich auf ein Viertel gekürzt. Also ein Viertel davon ist über, mehr geht nicht. Dann ist es noch über vier Stunden, viereinhalb Stunden… an die… dauert es.

Also, es geht… ein Streifzug über die wichtigsten Sachen. Es beginnt schon ganz kurios. Am Ende von Faust 1. jetzt: … Gretchen ist gerichtet, ist gerettet… und der Mephisto sagt: Her zu mir! Und der Faust stürzt also zu Boden neben dem Mephisto. Damit endet der Teil 1. Teil 2 fängt ganz kurios an damit: Faust irgendwo in einer Landschaft umgeben von einem Regen von Elementarwesen im Grunde. Die Ariels, die ihn umkreisen, irgendwo, irgendwo, in einer Naturlandschaft, in einer idyllischen Landschaft Dort wacht er auf Und - ja, wendet sich geblendet ab vom Sonnenlicht, das aufsteigt, sagt wieder sehr interessante Sachen daran: Also so bleibe dem die Sonne mir in ihrem Rücken. Dann kommt der Wasserfall, das Sonnenlicht bricht sich, die Regenbogenfarben erscheinen und er sagt es wunderbar:

Faust

Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.

(Faust 2, Anmutige Gegend)

Wieder ein Bild dafür: Die eigentliche geistige Wirklichkeit sehe ich noch nicht, aber ich habe einen farbigen Abglanz, da sehe ich etwas davon. Goethe hat ja selber seine Farbenlehre [Farbenlehre (Goethe)] entwickelt und er war kein wirklicher Hellseher in dem Sinn. Aber er hat eben immer im Sinnlichen auch das Geistige mitgesehen. Er konnte es nur noch nicht voneinander ganz scheiden, aber er hat das eine im anderen gesehen. Und er erkennt das: Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.

Der Kaiser ist in Geldnot, das Reich droht auseinander zu brechen. Mephisto tritt an die freigewordene Stelle im Staatsrat als Narr und verspricht, den Kaiser von seinen Geldsorgen zu befreien. Er erfindet das Papiergeld - Geld in ungeistiger Form 1:22:09

Und dann geht es interessanterweise an den Kaiserhof weiter. Also Faust hat jetzt den… ah, Mephisto hat den Faust jetzt an den Kaiserhof gebracht. Und da zeigt sich jetzt so ganz deutlich die ahrimanische Seite von Mephisto, weil es gibt natürlich auch Schwierigkeiten im Kaiserreich.

Es gibt die Schwierigkeiten, die alle Regierungen haben: Es mangelt an Geld. An Geld mangelt’s. Und der Kanzler beschwert sich schon: Also, wir können die Leute nicht bezahlen. Ja, was ist? Und eine Notlage nach der anderen wird geschildert. Und der Kaiser fragt den Hofnarren: Weißt du Narr nicht auch noch eine Not? Der Hofnarr ist aber der Mephisto. Und der Mephisto findet eine Lösung Na, Geld ist eigentlich ja gar kein Problem. Ist ja gar kein Problem, es liegt ja schon da:

Mephistopheles

Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr;

Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer;

(Faust 2, Kaiserliche Pfalz, Saal des Thrones)

Also wie das hinzukriegen? Naja, sagt er, im Boden sind so viele Bodenschätze. Schätze überhaupt, die Leute vergraben haben, überhaupt Bodenschätze. Da ist so viel Geld, wie du brauchst und man muss es gar nicht erst ausgraben. Man macht einen Zettel, da steht drauf, der Zettel ist so und so viel Gulden wert und bei Bedarf kann man ja dann das ausgraben. Die Erfindung, ja - des Papiergelds und so weiter, mit allem Drum und Dran.

Im vierten Akt stellt sich dann heraus, dass deswegen ein großer Krieg ausgebrochen ist, weil jeder über seine Verhältnisse lebt und so weiter. Und der Gegenkaiser… der Kaiser konnte das gar nicht mehr in Ordnung bringen, weil er hat… ja mit dem Reichtum, das er selber hatte… ja was macht er? Er genießt das Leben, er gibt sich den Genüssen das Lebens hin, aber im Reich herrscht immer mehr Anarchie, weil jeder seine Einzelinteressen verfolgt. Also es stürzt ins Chaos das Ganze. Also große Kriegsszenerie ist der vierte Akt. Aber der ist die Folge des ersten Aktes, also dass der Mephisto, ja - unter anderem eben dieses Geld erfindet, also in ungeistiger Form erfindet.

FAUST MEPHISTO GELD Faust 2: Mephisto schöpft Geld, indem er alle ungehobenen Bodenschätze und Schatzfunde dem Kaiser zuspricht und damit die Deckung des Papiergelds begründet [Faust über Faust_Vortrag Wolfgang Peter vom 27.12.2023 | 1:22:09]

Die Problematik der "Geldschöpfung aus dem Nichts" sah Goethe schon sehr deutlich 1:24:47

Ich denke mir manchmal, wie treffend ist das für unsere Zeit? Wird mit dem Geld heute so umgegangen, dass es geistgemäß ist? Geld wäre etwas Wunderbares. Geld kann man ansehen als geradezu in der sozialen Gemeinschaft fließenden Geist. Geld kann viel ermöglichen, wenn es der richtige Geist ist. Das ist halt die große Frage. Man könnte viel, viel mehr… dass es heute so viel… immer noch so viel Not und Elend auf der Welt und Unterdrückung gibt, ist einfach, weil das Geld missbraucht wird. Das hat damals schon der Goethe beschrieben im Grunde. Sehr, sehr deutlich! Sehr, sehr deutlich!

Und ich meine auch die ganzen Kriege, die heute in der Welt sind. Worum geht es? Ums Geld im Großen und Ganzen... verdienen sehr viele Menschen dabei. Dazu muss Unruhe sein. Gerade in der Unruhe, wo Krieg herrscht, wo Konflikte herrschen, da kann man am besten verdienen. Deswegen gibt es vor allem die Kriege, das ist der Hauptgrund. Und das ist halt noch was anderes, wenn man Goldmünzen hat oder was oder wenn es dieses Papiergeld ist oder gar nur mehr das elektronische Geld, nur mehr die Ziffern. Dabei wäre das sogar angemessen. Rudolf Steiner sagte ja einmal sogar, im Grunde ist das eine Buchhaltungsziffer, mehr ist Geld nicht. Also es elektronisch zu verwalten, wäre gar nicht das Problem, wenn nur nicht die Gefahr bestünde, dass es gerade dort besonders missbraucht wird. Dass da besonders der Zugriff darauf ist, um das zu manipulieren. Wenn man denkt an den Börsenhandel oder was…. Millisekunden Handel. Heute macht das künstliche Intelligenz. Die kauft und verkauft oder was in Millisekunden. Und da wird einfach aus dem Nichts heraus… werden Werte geschaffen, die eigentlich gar nicht vorhanden sind. Weil es keinen realen Gegenwert gibt. Nichts davon. Aber es steht da die Zahl, irgendwo.

Das kann nur dazu führen, dass es irgendwo dann scheppert. Anders geht es nicht, weil es ist eigentlich auf Lüge gebaut. Im Grunde steckt nichts dahinter. Es macht sich selbständig, ist also losgelöst vom Geist. Weil was ist Geld? Geld, ja - ist ein Ausdruck für die geistige Schaffenskraft. Geldwerte entstehen dort, wo der Mensch aus seinem Geist heraus beginnt, die Welt zu verändern. Dadurch entstehen Werte. Werte, die ich nicht einfach kriege dadurch, dass ich von der Natur irgendwas pflücke oder sammle, sondern indem ich die Welt bearbeite, Ackerbau mache, etwas aufbaue, wie auch immer - wo menschlicher Geist die Natur beginnt zu verändern. Dadurch entsteht in Wahrheit der Geldwert. Ich kann aber heute mit diesen spekulativen Geschäften Geld in Unmengen im Grunde hervorzaubern geradezu, ohne dass es einen wirklichen geistigen Gegenwert gibt. Das ist nämlich die Frage: Gibt es einen geistigen Gegenwert oder ist es reine Spekulation? Das ist das Ungesunde heute. Und mit dem werden wir viele Probleme noch bekommen, weil alles darauf eingespielt ist. Weil das treibt dann die Börsenkurse hoch, irgendwo. Aber wenn man schaut: Realer Gegenwert? Nichts! Nichts! Und das bricht früher oder später zusammen. Also die Wirtschaftskrisen sind auf die Art vorprogrammiert und werden auch immer häufiger kommen. Und wenn es gar nicht anders geht, dann wird werden wieder Kriege inszeniert, irgendwo.

Also das ist auch etwas, was Goethe schon sehr deutlich geahnt hat, gesehen hat, eigentlich sehr klar gesehen hat. Weil zu seiner Zeit war das alles noch nicht so ausgefeilt da. Das war eigentlich erst der Anfang, dass das Papiergeld und solche Sachen oder gar Aktien oder was entwickelt wurden. Da war er aber ziemlich am Puls der Zeit dran.

Der Kaiser fordert zu seiner Unterhaltung, dass Faust die Urbilder der Schönheit, Helena und Paris erscheinen lasse. Faust erbittet von Mephisto Hilfe, dieser erklärt ihm, er müsse ins Reich der Mütter hinabsteigen. Faust macht sich auf den Weg 1:29:18

Was Interessantes ist dann noch… ja, also der Kaiser will sich amüsieren. Geld hat er ja jetzt sowieso genug. Und er ist natürlich begeistert von dem Faust und seinem Diener da, dem Mephisto, der in Wahrheit ja alles lenkt. Die werden hochgelobt. Und jetzt will aber der Kaiser noch etwas haben. Er möchte eine besondere Belustigung haben, ob nicht Helena und Paris so wirklich greifbar in Erscheinung treten könnten auf dem Kaiserhof. Na, der Faust sagt das ist natürlich sofort zu. Und der Mephisto sagt: Bist du wahnsinnig, wie soll ich das hinbringen? Mit meinen Teufelchen und Teufelinen kann ich alles Mögliche machen. Aber Helena kann ich damit nicht hervorzaubern, da musst du schon was anderes… da brauchst du ganz andere Kräfte. Da musst du zu den „Müttern“ gehen.

Die Mütter - wer ist es? Das kennt man aus den Schilderungen der Antike heraus. Also Mütter, das war irgendwie gefürchtet, also ganz starke geistige Kräfte. Kann man verschiedenstlich interpretieren. Die Griechen haben es mit einzelnen Göttinnen verbunden. In Wahrheit steckt hinter den Müttern nichts anderes: Du musst eintauchen in die Kräfte, die diese Welt geschaffen haben. Rudolf Steiner spricht davon, dass unserer Erdentwicklung drei Zustände unserer Welt vorangegangen sind. Das sind die drei Mütter. Und du musst bis sozusagen in diese Kräfte hinein eintauchen, aus denen heraus kannst wirklich dann deine Helena erschaffen, hervorzaubern. Die können dir helfen. Meine Kräfte als Mephisto reichen dazu nicht. Man muss also zu diesen Müttern. Der Faust ist ganz irritiert:

Faust (aufgeschreckt).

Mütter!

Mephistopheles

Schaudert’s dich?

Faust

Die Mütter! Mütter! – ’s klingt so wunderlich!

Und der Mephisto sagt ihm vor allem noch was ganz Wichtiges: Wenn du zu den Müttern gehst, pass auf! Du wirst nichts mehr sehen dort vor Augen. Du wirst deinen eigenen Schritt nicht mehr hören, du gehst also ins absolute Nichts hinein. Und dort kann man was heraus erschaffen. Und was sagt der Faust ganz beinhart darauf?

Faust

In deinem Nichts hoff' ich das All zu finden...

(Faust 2, 1. Akt, Finstere Galerie)

Die Schöpfung aus dem Nichts - dort muss ich hingehen, wie die Welt entstanden ist. Die höchste geistige Kraft aus dem Nichts heraus die Welt zu schaffen, das ist die aller höchste Kraft. Dort reicht der Mephisto, weder seine ahrimanische noch seine luziferische Seite, nicht einmal annähernd hin. Er kann eigentlich nur das Geschaffene – ja, verzerren, verändern. Aber wirklich aus dem Nichts heraus freischaffend sein kann er nicht. Der Faust kann es. Er kann es zumindest so weit, dass er tatsächlich die Erscheinung von Helena und Paris heraufruft. Das ist halt also das Bild dafür jetzt, dass er diese schöpferische Kraft… über diese schöpferische Kraft verfügt. Nur seelisch ist er dem Ganzen nicht gewachsen, weil er nicht aushält, dass dieser Paris sich heranmacht an die Helena. Weil die Helena gehört doch ihm, er will sie haben. Und in dem Moment, wo er dieses egoistische Moment hineinbringt, wird er niedergeschmettert im Grunde, der Faust. Also die ganze Szene zerfällt, und er fällt in einen – ja, fast todesähnlichen Zustand und ist dann in Wahrheit die längste Zeit nicht mehr wach an dem Geschehen beteiligt.

Wagner erschafft einen künstlichen, körperlosen Geist, den Homunculus, den Mephisto zum Leben erwecken kann. Homunculus schlägt vor, zur klassischen Walpurgisnacht nach Griechenland zu gehen, denn dort kann Faust Helena finden 1:34:29

Die ganze Schilderung, was dann nämlich folgt, die klassische Walpurgisnacht, erlebt er in Wahrheit rein geistig. Das ist keine äußere Reise, die er erlebt, sondern es ist das Erlebnis, das der Faust im Geistigen hat. Und worum geht es in dieser klassischen Walpurgisnacht? Wir sind… (weiß ich nicht, wie spät sind wir…? Ein bissel, ein bissel noch...)

Worum geht es? Die klassische Walpurgisnacht: Da gibt es also… bevor wir dorthin kommen… es spielt sich ab… Also die Szene geht wieder zurück ins Faust-Laboratorium, der Faust liegt irgendwo im Hintergrund, ist also nicht bei sich. Der Wagner hat aber… also sein Gehilfe hat jetzt endlich es so weit gebracht, also einen Homunculus zu züchten. Also in einer Retorte. Da leuchtet es und blitzt es, die Masse regt sich immer klarer. Das Interessante ist, dass dieser Homunculus nicht das ist, wofür man ihn gerne halten würde. Man könnte sagen: Gut, ein Retortenbaby oder irgend sowas wird da gemacht. Nein! Ist er gar nicht. Er ist das Gegenteil davon, weil...

Thales

Ihm fehlt es nicht an geistigen Eigenschaften,

Doch gar zu sehr am greiflich Tüchtighaften.

(Faust 2, Felsbuchten des Ägäischen Meeres; hat den Homunculus enthüllt)

Es ist eigentlich rein Seelisches, ein Seelenflämmchen, könnte man sagen. Das ist der Homunculus. Und der hat nichts, noch gar nichts Materielles. Er ist in dem Glas nur dort ganz geschützt. Sagt sogar selber, also.. Künstliches - weil Doktor Wagner hat das irgendwie hereingerufen - er braucht geschlossenen Raum zunächst einmal.... Natürlichem genügt das Weltall kaum:

Mephistopheles

Natürlichem genügt das Weltall kaum,

Was künstlich ist, verlangt geschlossenen Raum.

(Faust 2, Laboratorium)

Auch interessant!

Die klassische Walpurgisnacht: Homunculus versucht, seine Menschwerdung zu beenden und beginnt diese schließlich auf Proteus' Rat hin mit der Vereinigung als feurige Substanz mit dem Meer. Der Akt endet mit dem Lobgesang auf die vier Elemente 1:36:28

Und dass aus diesem Seelenflämmchen wirklich ein ganzer Mensch wird, da muss jetzt viel passieren. Und das schildert die klassische Walpurgisnacht. Da geht jetzt der Weg letztlich durch alle Naturelemente durch, also Feuer, Wasser, Luft und die ganzen Elementarwesen, die damit verbunden sind. Und dann beginnt ein Evolutionsprozess geradezu, in dessen Laufe der Mensch schlechthin geschaffen wird. Also er begegnet ja… also gar nicht so sehr der Faust, aber der Mephisto begegnet dem und alle möglichen Gestalten, die dort auftauchen. Ist ja eine Riesen-Geschichte, diese klassische Walpurgisnacht. Wie ich das das erste Mal gelesen habe, ich habe nichts verstanden, keine Ahnung gehabt, um was es geht! Aber mir hat es gefallen, die Bilder sind einfach schön. Und mit der Zeit kann man ein bisschen was entdecken, worum es geht. Es geht dann darum, dass da langsame Gestalt-Metamorphosen beginnen.

Der Proteus [Proteus (Mythologie)]spielt eine große Rolle. Proteus ist der Gestaltwandler schlechthin. Und der verbindet sich, nimmt den Homunculus auf seinen Rücken und führt ihn durch die ganzen Elemente durch und sagt, im Kleinsten musst du anfangen - also weiß ich nicht - bei den ersten Würmern geradezu oder bei den ersten Fischlein. Und da musst du jetzt immer durcharbeiten bis zum größeren - und bis zum Menschen hast du Zeit. Bis zum Menschen hast du Zeit! Es geht viele Stufe. Es geht also darum, dass in diesem flüssig- Lebendigen, ätherischen Element in Wahrheit, dass da die ganze Evolution sich abspielt. Und dass auch jeder Mensch, wenn er heranreift im Mutterleib, dass er eigentlich diese ganzen Stufen in irgendeiner Form durchmachen muss. Und das Interessante ist, der Proteus sagt dann:

Proteus

Denn bist du erst ein Mensch geworden,

Dann ist es völlig aus mit dir.

(Faust 2, 2. Akt, Walpurgisnacht)

Ganz interessant.

Proteus: "Denn bist du erst ein Mensch geworden, dann ist es völlig aus mit dir" - ist als Aufforderung zu verstehen, sich auf die eigenen Kräfte zu stützen und selbst tätig zu werden 1:38:34

Dann stehst du nämlich in Wahrheit… dann trittst du mal heraus aus dieser Abhängigkeit, dass die Natur dich schafft draußen, dann stehst du auf eigenen Füßen, aber ganz allein. Jetzt ist es aus mit dir, mit dieser… es ist aus damit, dass dir diese ganzen Kräfte helfen. Jetzt mach selber! Wenn du nichts machst, dann ist es wirklich aus mit dir. Jetzt kommt das Ich. Und das ist ganz interessant. Also es war mit Sicherheit Goethe nicht immer ganz bewusst, was er da schreibt. Er hat aber die Bilder erlebt, weil er hat sie gestaltet und die Bilder haben ihm was gesagt. Und es stimmt mit der Menschheitsentwicklung zusammen.

Es ist… wir sind heute an dem Punkt, dass wir im Grunde in die Freiheit entlassen sind. Nur, wir müssen die Freiheit auch wollen. Wir müssen was anfangen damit. Das ist die die große Aufgabe unserer Kulturepoche, das zu kapieren. Weil ja jeder sagt gerne, ich bin frei, ich bin frei, ich möchte tun, was ich will. Aber dann geht doch alles nach Schablone. Es ist gar nicht so leicht, frei - und auch frei zu sein, die Verantwortung dafür zu übernehmen, auch für das, was man tut und aus der Freiheit ganz individuell den Weg zu gehen. Und daraus zu einer Menschheit zusammenzuwachsen, wo jeder einzelne Mensch neue Aspekte dazu beiträgt und sich ergänzt mit dem anderen. Und das auch in der kleinsten Begegnung. Wenn ich einem Menschen begegne, ich kann was von ihm… Impulse bekommen und ich könnte ihm Impulse geben. Dazu muss ich aber offen sein. Dazu muss ich die ganze Maskerade abgelegt haben, meines Wissens meines „ wer bin ich“, „was bin ich“, „bin der große Gelehrte“ oder sonst was. Ich muss den anderen Menschen ganz offen gegenübertreten von Ich zu Ich. Dann kommt diese geistige Befruchtung, findet dann statt. Nicht, dass ich einfach was übernehme vom anderen. Es ist ein Funke, der was anregt in mir und ich mach daraus ganz was anderes. Das ist das Schöne. Es geht nicht darum, ob der eine Recht hat oder der andere Recht hat. Am meisten lernt man von den Menschen, wenn man sagt: Nein, der ist aber ganz konträr von mir. Das ist ganz anders als bei mir. Da kann ich am meisten meistens lernen! Am allermeisten Der Faust ringt wenigstens um das.

Also es ist dann… ich glaub den Schluss. Ich glaub, wir werden für jetzt langsam Schluss machen, oder wollen Sie noch?

4. und 5. Akt führen zurück ins wirkliche Geschehen. Faust hilft dem Kaiser, einen Krieg zu gewinnen und erhält ein Lehen als Dank. Philemon und Baucis kommen in ihrer Hütte um. Faust ist inzwischen 100 Jahre alt und hat eine große Vision. Als er für die Außenwelt erblindet, wird er geistig sehend 1:41:42

Ich glaub ja…. also es geht dann weiter. Es kommt dann… es gibt dann also die Kriegsgeschichte noch, das ist der der vierte Akt. Also da ist die Folge, dass der Mephisto natürlich mit allem möglichen Zauber da den Kaiser unterstützt noch. Ist eine relativ kurze Geschichte. Aber bevor dieser Krieg noch ist und warum sich der Faust also wirklich involvieren lässt in die ganze Geschichte - er hat eine neue Vision. Und da sieht man jetzt, er denkt wirklich im sehr Großen, er möchte die Erde wirklich verändern und er möchte dem Meer Land abgewinnen. Das ist das Große, was er tun will. Weil es regt ihn auf, dass da einfach die Elemente ihr naturhaftes Spiel machen und dass das nicht der Mensch dort gestaltend drinnen ist. Er will also das Meer zurückdrängen und will ihm Boden für die Menschen abgewinnen. Und er gebraucht den wunderbaren Vergleich. Also er empfindet das so, also wie wenn den vernunftbegabten Menschen also leidenschaftlich aufgewühltes Gefühl überschäumt und ihn zu irgendwelchen Taten hinreißt, die er vielleicht gar nicht will. So regt ihn das auf, wenn das Meer da einfach schäumt und tut, was es will. Das muss von mir geordnet werden. Und natürlich… ein Geist genügt für 1000 Hände...

Daß sich das größte Werk vollende,

Genügt ein Geist für tausend Hände.

(Faust 2, Großer Vorhof des Palastes)

Also viele arbeiten, aber ich habe den Willen und den Plan, das umzusetzen. Also er denkt in größtem Maßstab, die Welt wirklich bis zum Grund zu verändern. Und da passiert ja das dann eben, dass das Hüttchen mit Philemon und Baucis abbrennt, weil das irritiert. Das erscheint ihm als Schandfleck. Das hab ich am Anfang gesagt. Und zum Schluss im fünften Akt also, als das schon spielt, da ist Faust mittlerweile hundertjährig. Also ist schon alt geworden. Der Mephisto organisiert halt alles für ihn. Und zum Schluss sagt der Faust selber das Wort halt, auf das der Mephisto schon seit langem wartet. Weil als er den Pakt mit Mephisto geschlossen hat, hat er ja dem Mephisto ein Angebot gemacht: Werd ich zum Augenblicke sagen, Verweile doch, du bist so schön, dann will ich gern zugrunde gehen, dann magst du mich in Fesseln schlagen usw, dann bist du deines Dienstes frei.

Faust

Werd ich zum Augenblicke sagen:

Verweile doch! du bist so schön!

Dann magst du mich in Fesseln schlagen,

Dann will ich gern zugrunde gehn!

Dann mag die Totenglocke schallen,

Dann bist du deines Dienstes frei,

(Faust 1, Studierzimmer, Kapitel 7/ Mit diesen Worten besiegelt Faust den Pakt mit dem Teufel)

Und bis zu seinem 100. Lebensjahr war nie die Gefahr, weil er nie also so zufrieden war, dass er sagt: Jetzt, jetzt ist es geschafft. Sondern immer egal, was es ist, es geht noch weiter. Es geht noch weiter. Ich habe nur begehrt und nur vollbracht und abermals gewünscht und so mit Macht mein Leben durch gestürmt... das sagt er dann, als die Sorge hereinschleicht. Das ist es.

Faust

Ich habe nur begehrt und nur vollbracht,

Und abermals gewünscht, und so mit Macht

Mein Leben durchgestürmt;

(Faust 2, 5. Akt, Schluss)

Und das zieht er durch bis zum Schluss. Aber dann endlich, als er das hört, das Geklirr der Spaten, er erblindet sogar zum Schluss. Und die Sorge, durch die Sorge, die haucht ihn an und dann erblindet er. Ganz was Interessantes, weil er ab dem Moment sein inneres Licht erst richtig zu spüren beginnt. Gerade wenn er für die Außenwelt erblindet, dann wird er geistig sehend. Und trotzdem immer noch denkt er an das äußere Werk. Er hört das Geklirr der Spaten, weil nämlich der Mephisto schon langsam das Grab schaufeln lässt. Das begeistert ihn noch, den Faust:

Faust

Arbeiter schaffe Meng auf Menge!

Ermuntere durch Genuß und Strenge!

Bezahle, locke, presse bei!

(Faust 2, Großer Vorhof des Palastes)

Also jedes Mittel ist recht, aber Arbeiter, Arbeiter, es muss trockengelegt werden, da gibt es noch einen Sumpf. Das muss alles gemacht werden. Und wenn das erledigt wäre, dann, dann… weil ich will… was will er?

Faust

Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.

(Faust 2, Visionärer Monolog Fausts)

Ich will nicht den Erdboden, der mir geschenkt ist. Ich will den Erdboden, den ich mir selber geschaffen habe, den ich dem Meer abgewonnen hab. Das ist erst meine Erde. Dort, wenn das erledigt ist, dann „würde ich zum Augenblicke sagen, verweile doch, du bist so schön“, und damit stirbt er.

Mephisto will sich Fausts Seele sicher sein und wartet vor seinem Grab. Die Engel jedoch lenken ihn ab, so dass sie Fausts Seele mit sich nehmen können 1:46:45

Und der Mephisto freut sich natürlich, es endlich hat eh 100 Jahre fast braucht, bis der endlich stirbt, dieser Faust. Aber dann entkommt er ihm eben halt leider doch noch, weil die geistige Welt von oben durchaus honoriert, dass Faust zwar viele Fehler gemacht hat, aber er war geistig strebend. Er war strebend aus dem Geistigen und nach dem Geistigen. Und das zählt. Das zählt, dass er dem Mephisto entkommt. Und letztlich ist der arme Mephisto der Betrogene, der dasteht. Also die ganze Mühe umsonst. Und dann...

Chor seliger Knaben

Begegnet ihm die selige Schar

Mit herzlichem Willkommen.

(Faust 2, Engel schwebend in der höheren Atmosphäre, Faustens Unsterbliches tragend)

Und dann die höchste Erscheinung. Wir haben diese Frauengestalten - sind immer die, die sich durchziehen - ein Bild für die Seele bei Goethe im Faust. Also eben sei es das Gretchen, sei es die Helena als Idealbild. Hexe vielleicht weniger als Idealbild, wie auch immer. Aber jetzt zum Schluss die Himmelskönigin selber. Das ist der höchste Ausblick. Und dorthin strebt er, das erkennt er, das sieht er Und darum endete das ja in dem Ausspruch also: Alles Vergängliche, nur ein Gleichnis, das Unzulängliche... und mit unzulänglich ist nicht gemeint, was unvollkommen ist, sondern unzulänglich heißt, dass wir es nicht erreichen können, wir noch nicht hinlangen können. Das unzulängliche, hier wird‘s Ereichnis...

Chorus mysticus

Alles Vergängliche

Ist nur ein Gleichnis;

Das Unzulängliche,

Hier wird's Ereichnis;

(Faust 2, Schlussmonolog)

Ereichnis - In den meisten Faustausgaben steht Ereignis. Es gibt sogar handschriftliche Notiz von Goethe, wo auch Ereignis steht, aber eigentlich hat er Ereichnis gemeint. Ereichnis. Es wird erreicht. Das Unerreichliche wird dort erreicht. Das ist die Fähigkeit des Ichs, die Fähigkeit des Geistigen. Weil das Geistige immer schaffend ist, immer über sich hinausgeht, immer diesen einen Schritt weitermacht und wieder weitermacht, ohne Ende. Ohne Ende. Könnte man viel sagen, also auch über die geistige Welt, wie das ist. Weil man darf sie sich nicht jedenfalls vorstellen als vollkommenes, fertiges Gebilde. Was wäre es dann am Ende der Entwicklung Es gibt unendlich viele Vollkommenheiten in Wahrheit und dazwischen wieder Veränderungen. Das will ich nur so als Gedanken mitgeben. Bei vielen, vielen... Umdenken noch. Also im Geistigen ist Schaffen drinnen. Und umschaffen, weiterschaffen, neu schaffen. Das beseelt den Faust und das ist das Göttliche in ihm, das ist das Christliche letztlich in ihm. Der Christus selber sagt ja:

Ich mache alles neu.

Ich mache alles neu. So vollkommen die Schöpfung sein mag, sie wird irgendwann einmal ganz anders weitergehen, wieder ganz erneuert werden. Darum spricht Rudolf Steiner auch von den verschiedenen kosmischen Entwicklungsstufen, die es gibt. Und wenn die vorbei sind, ist es noch immer nicht vorbei. Dann wird es ganz anders werden. Also es gibt da keine Statik drinnen. Also ein statisches vollkommen Geordnetes. Und an dem dürft man eigentlich kein Schräuberl mehr verändern, weil sonst wäre es nicht mehr so vollkommen. Nein! In Wahrheit geschieht die Schöpfung so, dass das Ganze kassiert wird, ins Nichts zurückgeführt wird und aus dem Nichts herauskommt als was Höheres, Neueres. Der Faust sagt das selber , als ihn der Mephisto „zu den Müttern“ führt und sagt: Nichts wirst du sehen, du wirst den Schritt nicht hören, den du tust… und nichts. Dann sagt er: „In deinem Nichts hoff ich das All zu finden.“ Und dann sagt der Mephisto: Ich seh, dass du den Teufel kennst.“ Nämlich, dass der Teufel das nicht kann. Der Mensch mit seinem Ich kann's. Und daher sind wir den Widersachern in Wahrheit immer überlegen, wenn wir aus dem Ich heraus auch tätig werden - wollen. Das ist die Frage. Dann können wir alle Widersacher besiegen! Alle. Aber wir müssen es wollen. Es macht niemand anderer für uns. Das ist das Faust-Thema.

Damit möchte ich es für heute gut sein lassen. Danke! Danke, danke für die Geduld, dass Sie mir so lange beim Reden zuhören. Gerne, gerne!

Glossar

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

A

AHRIMAN


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

B

BLUT


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

C

CHRISTUS


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

D

DENKEN


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

E

EINSTEIN


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

F FAUST


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

G

GEIST

GEISTIGE WELT

GELD


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

H

HELENA

HEXEN


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

I

ICH

IMAGINATION

  • Das bloße Verstandesdenken wird abgelöst werden durch ein imaginatives Denken, ein geistig-wahrnehmendes Denken, wo ich aber zugleich aktiv gestaltend dabei bin [Faust über Faust_Vortrag Wolfgang Peter vom 27.12.2023 | 1:01:37]

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J


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

K

KULTUREPOCHEN


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

L

LUZIFER


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M

MEPHISTO(PHELES)


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

N

NATURWISSENSCHAFT


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

O


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

P

PROTEUS


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Q


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

R

REINKARNATION


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S


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

T

THOMAS v. AQUIN


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

U


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V


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9

W

WOLFGANG PAULI


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X


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Y


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Z


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Literaturangaben

-Programmheft zu "Goethe/Faust - Der Tragödie erster und zweiter Teil, Text von Dr. Wolfgang Peter), erhältlich bei den Aufführungen des Odyssee-Theaters