Die Philosophie der Freiheit - 2. Folge Videokurs von Jac Hielema: Unterschied zwischen den Versionen

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Den eigenen Schatten ins Auge fassen, akzeptieren und lieben.
Den eigenen Schatten ins Auge fassen, akzeptieren und lieben.


== Original Transkript (maschinell) ==
== Original Transkript ==


=== Intro ===
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==== Das Motiv und der freie Wille ====
==== Das Motiv und der freie Wille ====
Er hat Motive, er kann sich die Motive bewusst machen. Es kann auch sein, dass er sich seiner Motive nicht bewusst ist, also dass er das, was er tut, macht ohne ein Bewusstsein zu haben von seinen Motiven.
Er hat ''Motive'', er kann sich die ''Motive'' bewusst machen. Es kann auch sein, dass er sich seiner ''Motive'' nicht bewusst ist, also dass er das, was er tut, macht ohne ein Bewusstsein zu haben von seinen ''Motiven.''


Dann ist eigentlich klar, dass er nicht frei handelt. Dann ist es irgendetwas im Organismus oder eine Autorität bringt ihn dazu zu tun, was er dann tut. Aber wenn er sich seiner Motive bewusst ist, dann kann es sein, dass er in ''Freiheit'' handelt. Aber dann kommt es darauf an: ''„Wie kommen die Motive in ihm zustande?"'' Also das ist die große Frage. Wenn ich also mich selbst frage: ''„Bin ich frei oder nicht? Habe ich einen freien Willen oder nicht? Tue ich jetzt, was ich selber will?“'', muss ich mich fragen: ''„Wie kommen die Motive aufgrund deren ich etwas tue in mir zustande?“'' Und das werden wir erforschen!
Dann ist eigentlich klar, dass er nicht frei handelt. Dann ist es irgendetwas im Organismus oder eine Autorität bringt ihn dazu zu tun, was er dann tut. Aber wenn er sich seiner ''Motive'' bewusst ist, dann kann es sein, dass er in ''Freiheit'' handelt. Aber dann kommt es darauf an: ''„Wie kommen die Motive in ihm zustande?"'' Also das ist die große Frage. Wenn ich also mich selbst frage: '''''„Bin ich frei oder nicht? Habe ich einen freien Willen oder nicht? Tue ich jetzt, was ich selber will?“''''', muss ich mich fragen: '''''„Wie kommen die Motive aufgrund deren ich etwas tue in mir zustande?“''''' Und das werden wir erforschen!


==== Das Motiv als Gedanke und Gefühl ====
==== Das Motiv als Gedanke und Gefühl ====
Aber es sind nicht nur Gedanken, sondern wir haben ja auch noch Gefühle. Ich will jetzt auch noch ein bisschen reden über Gefühle.  
Aber es sind nicht nur ''Gedanken'', sondern wir haben ja auch noch ''Gefühle.'' Ich will jetzt auch noch ein bisschen reden über ''Gefühle.''


===== Ein Beispiel =====
===== Ein Beispiel =====
Es ist Sonntag 12:00 Uhr, ein Freund kommt mich besuchen mit der Frage: „Hast du Lust, heute mit mir spazieren zu gehen? Also unmittelbar, wenn er diese Frage stellt, kommt in mir diese Vorstellung, dass wir zusammen spazieren gehen in den Kopf. Aber zu dieser Vorstellung kommt auch ein Gefühl hoch, ein Gefühl von Lust oder Unlust. Ich bin mit der Bibel erzogen worden und früher als Kind, musste ich mit meinen Eltern nach der Kirche spazieren gehen. Das hatte ich nicht immer gemocht. Wenn ich mir das nicht in dem Moment bewusst mache, wenn jemand am Sonntagmittag fragt, hast du Lust zum Spazieren gehen, dann kommt eigentlich immer unbewusst dieses Gefühl: Ah, muss ich wieder Sonntagmittag nach der Kirche spazieren gehen, ich habe überhaupt keine Lust. Also zu dieser Vorstellung kommt bei mir persönlich - das ist in meiner charakterologischen Anlage da - das Gefühl von Unlust und dann könnte ich nein sagen. Also, ob man eine Vorstellung, einen Gedanken als Motiv seinem Handeln zugrunde legt, hängt auch davon ab, ob ein Gefühl von Lust oder [[A:Unlust|Unlust]] sich damit verbindet. Aber auf eine Weise ist man dann doch frei. Da mein Freund, der zu mir kommt am Sonntagmittag, der hat gesagt: „Ja, und wenn wir dann spazieren gehen durch den Wald, dann können wir reden über philosophische Fragen, und wenn wir fertig sind, dann setzen wir uns irgendwo hin und dann trinken wir ein Bier und solche Sachen. Also er schildert eine Vorstellung, wodurch Lust bei mir hochkommt. Und dann kann ich trotzdem noch „Ja“ sagen. Also da muss man sich klar darüber werden, wann beschließt man: „Ja, ich mache das.“ Das ist einerseits, weil man sich eine [[A:Vorstellung|Vorstellung]] davon macht und diese der Handlung zugrunde legt, aber andererseits, weil sich ein Gefühl damit verknüpft. Und je mehr ein Gefühl der Liebe zum Handeln oder ein Gefühl von Lust zum Handeln hochkommt, desto öfter entschließe ich mich diese Vorstellungen zu verwirklichen.
Es ist Sonntag 12:00 Uhr, ein Freund kommt mich besuchen mit der Frage: „Hast du Lust, heute mit mir spazieren zu gehen? Also unmittelbar, wenn er diese Frage stellt, kommt in mir diese Vorstellung, dass wir zusammen spazieren gehen in den Kopf. Aber zu dieser Vorstellung kommt auch ein ''Gefühl'' hoch, ein ''Gefühl von Lust oder Unlust''. Ich bin mit der Bibel erzogen worden und früher als Kind, musste ich mit meinen Eltern nach der Kirche spazieren gehen. Das hatte ich nicht immer gemocht. Wenn ich mir das nicht in dem Moment bewusst mache, wenn jemand am Sonntagmittag fragt, hast du Lust zum Spazieren gehen, dann kommt eigentlich immer unbewusst dieses ''Gefühl:'' Ah, muss ich wieder Sonntagmittag nach der Kirche spazieren gehen, ich habe überhaupt keine Lust. Also zu dieser ''[[A:Vorstellung|Vorstellung]]'' kommt bei mir persönlich - das ist in meiner [[A:Charakterologische Anlage|charakterologischen Anlage]] da - das ''Gefühl'' von Unlust und dann könnte ich nein sagen. Also, ob man eine ''Vorstellung,'' einen Gedanken als Motiv seinem Handeln zugrunde legt, hängt auch davon ab, ob ein ''Gefühl'' von [[A:Lust|Lust]] oder [[A:Unlust|Unlust]] sich damit verbindet. Aber auf eine Weise ist man dann doch frei. Da mein Freund, der zu mir kommt am Sonntagmittag, der hat gesagt: „Ja, und wenn wir dann spazieren gehen durch den Wald, dann können wir reden über philosophische Fragen, und wenn wir fertig sind, dann setzen wir uns irgendwo hin und dann trinken wir ein Bier und solche Sachen. Also er schildert eine Vorstellung, wodurch Lust bei mir hochkommt. Und dann kann ich trotzdem noch „Ja“ sagen. Also da muss man sich klar darüber werden, wann beschließt man: „Ja, ich mache das.“ Das ist einerseits, weil man sich eine [[A:Vorstellung|Vorstellung]] davon macht und diese der Handlung zugrunde legt, aber andererseits, weil sich ein Gefühl damit verknüpft. Und je mehr ein Gefühl der Liebe zum Handeln oder ein Gefühl von Lust zum Handeln hochkommt, desto öfter entschließe ich mich diese Vorstellungen zu verwirklichen.


==== Wie kommt eine Vorstellung zustande? ====
==== Wie kommt eine Vorstellung zustande? ====
Die Frage bleibt aber immer noch: „Wie kommt eine Vorstellung zustande?“ Wenn die Vorstellung und wenn die Gedanken in mir zustande kommen, wie Hunger in meinem Körper zustande kommt, dann bin ich ja immer noch nicht frei. Wenn die aber auf eine andere Weise, z.B. wenn ein Gott die Gedanken in mich legt oder wenn physische und chemische Prozesse in mir diese Vorstellungen erzeugen, dann bin ich auch nicht frei. Also, wenn wir uns die Frage stellen: '''''„Bin ich es, der will, oder ist es etwas anderes in mir, der will?“''''', da muss ich erforschen: '''''"Wie kommen die Motive in mir zustande?“''''' Das werden wir dann in den nächsten Modulen erforschen und einen weiteren Schritt machen. Dieses Modul will ich jetzt abschließen mit einer Aufgabe.
Die Frage bleibt aber immer noch: ''„Wie kommt eine Vorstellung zustande?“'' Wenn die Vorstellung und wenn die Gedanken in mir zustande kommen, wie Hunger in meinem Körper zustande kommt, dann bin ich ja immer noch nicht frei. Wenn die aber auf eine andere Weise, z.B. wenn ein Gott die Gedanken in mich legt oder wenn physische und chemische Prozesse in mir diese Vorstellungen erzeugen, dann bin ich auch nicht frei. Also, wenn wir uns die Frage stellen: '''''„Bin ich es, der will, oder ist es etwas anderes in mir, der will?“''''', da muss ich erforschen: '''''"Wie kommen die Motive in mir zustande?“''''' Das werden wir dann in den nächsten Modulen erforschen und einen weiteren Schritt machen. Dieses Modul will ich jetzt abschließen mit einer Aufgabe.


=== Aufgabe / Übung ===
=== Aufgabe / Übung ===
Die Aufgabe ist, dass man sich klar macht: ''„Was sind die Motive deines Handelns?"'' Also ich bitte euch drei bis viermal im Tage eine Pause zu machen um sich zu fragen: ''„Warum mache ich, was ich tue? Was sind meine Motive? Habe ich mir überhaupt die Motive bewusst gemacht oder tue ich einfach etwas? Werde ich getrieben durch etwas? Also mache ich das bewusst? Warum tue ich, was ich tue?“''
Die Aufgabe ist, dass man sich klar macht: '''''„Was sind die Motive deines Handelns?"''''' Also ich bitte euch drei bis viermal im Tage eine Pause zu machen um sich zu fragen: ''„Warum mache ich, was ich tue? Was sind meine Motive? Habe ich mir überhaupt die Motive bewusst gemacht oder tue ich einfach etwas? Werde ich getrieben durch etwas? Also mache ich das bewusst? Warum tue ich, was ich tue?“''


==== Ein Beispiel ====
==== Ein Beispiel ====

Version vom 28. März 2023, 11:33 Uhr

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«... Die Philosophie der Freiheit hat mich gerettet, hat es mir ermöglicht, mein Leben und meine seelische Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen, hat meinem Leben einen Sinn und eine Kohärenz gegeben. ...»[1]

Videokurs

- 2. Folge -

Stand 28. Juni 2023: Eva hat mit viel Fleiß und Gefühl die Transkriptionen vom Videokurs mit Jac erledigt. Vielen Dank, Eva, ganz toll! Wir kommen dem Buchprojekt somit einen ganz großen Schritt näher!

Mit dem nächsten Schritt werden Glossare (nicht nur Stichworte, sondern auch kurze Ausführungen von den Begriffen) für jeden Vortrag von Jac erstellt und die einzelnen Glossare werden in ein Gesamtglossar münden. BITTE MELDEN, wenn du bei dieser Arbeit MitTun möchtest. Übrigens, die Glossararbeit steht auch an für die Apokalypsevorträge von Wolfgang und für die Vorträge von Christoph Bolleßen.

... Für Weiteres bitte bei François melden. Danke!

Transkription von der 2. Folge vom Videokurs (Eva)

Ist der Mensch ein geistig freies Wesen? Habe ich Einfluss oder läuft mein Leben einfach automatisch ab? Denke ICH meine Gedanken oder sind es chemische Prozesse oder ist es ein Gott? Kann ich das erkennen und damit mein Leben in die eigene Hand nehmen?

Freiheit unseres Willens, was ist das? Sagen, was ich will, tun, was ich will. Keine Hindernisse, etc.

Philosophisch: Eine Wahlfreiheit.

GRUND, warum wähle ich etwas? … weil das Brötchen schön aussieht…diese Gründe sind Motive -> Gedanken.

Spinoza: Menschen sind sich nicht bewusst, warum sie etwas tun.

Der Mensch kann sich seine Motive bewusst machen, dann kann es sein, dass er frei handelt, er muss sich die Motive aber nicht bewusst machen, dann handelt er nicht frei.

Wie kommen Motive in mir zustande? Es sind Vorstellungen (Gedanken), die mit Lust oder Unlust (persönliches Gefühl) gepaart sind. Wenn man sich die Vorstellungen bewusst macht, dann beeinflusst das die Lust oder Unlust => führt evtl. zur Liebe zur Tat.

Wie kommt eine Vorstellung (Motiv) zustande? Hunger = nicht frei; Gott oder chem. Abläufe = nicht frei, ICH = Frei

Aufgabe / Übung: Mir die Motive meines Handelns klarmachen! Warum mache ich was ich tue? Motive / Triebfedern suchen.

Den eigenen Schatten ins Auge fassen, akzeptieren und lieben.

Original Transkript

Intro

Viele Leute fragen sich überhaupt nicht, ob er einen freien Willen hat oder nicht. Das heißt aber, dass er noch nicht ganz Mensch ist. Das ist eine Konfrontation überhaupt. Philosophie der Freiheit ist konfrontierend. Jede Seite ist ein Spiegel.

Anbindung an Modul 1

Liebe Menschen, wir fangen an, die Philosophie der Freiheit zu behandeln. Es ist meine Absicht, sie zugänglich zu machen für möglichst viele Menschen, wie für dich. Vorkenntnisse braucht man nicht. Jeder kann sich vertiefen in die Philosophie der Freiheit von Rudolf Steiner. Man braucht sie auch nicht gelesen zu haben. Was ich machen werde ist, dass ich den Gedanken des ersten Kapitels aufbaue. Und wer Lust hat kann den Text nachher lesen, was gut ist.

Große Fragen in der heutigen Zeit

In Modul 1 habe ich eine Aufgabe mitgegeben. Die Aufgabe war: „Was in der Welt berührt mich und wie kann ich verstehen, was mit mir in einer bestimmten Situation passiert und was will ich eigentlich tun in dieser Situation?“ Ich habe das Beispiel gegeben, das ich als 16-jähriger mit meinen Eltern in Indien war und da diese Kluft zwischen Reichtum und Armut erlebt habe. Da hatte ich die Frage „ja, wie kann man das verstehen, diese Kluft?“ Und ich hatte auch die Frage „Was kann ich dann tun?“ Und ich glaube, dass jeder Mensch, der lebt, der sich auf diese Welt bezieht, solche Erfahrungen hat, dass die Welt ihn berührt. Und ich glaube, es ist gut, dass wir das jetzt als Anfangspunkt nehmen, dass man irgendeinen biographischen Moment, wo man sich diese Fragen stellt, ins Bewusstsein ruft. Wenn man diese Fragen gestellt hat: „Wie muss ich verstehen, was ich erlebt habe?“ Und auch: „Kann ich etwas tun in dieser Situation?“ Das sind sehr große Fragen.

Kapitel 1: Philosophie der Freiheit „Das bewusste menschliche Handeln“

Es fängt an mit der Frage: Zitat: „Ist der Mensch in seinem Denken und Handeln ein geistig freies Wesen oder steht er unter dem Zwang einer rein naturgesetzlichen ehernen Notwendigkeit?“[2]

Die Gretchenfrage der PhdF: Bin ich frei oder bin ich nicht frei?

Kurz gesagt steht da: „Bin ich frei oder bin ich nicht frei? Habe ich etwas zu wollen? Habe ich Einfluss oder läuft alles automatisch ab? Läuft mein Leben automatisch ab?“ Ich kann mir Gedanken machen, aber diese Gedanken „denke ich die oder sind es meine physischen und chemischen Prozesse in meinem Körper, die diese Gedanken in mir irgendwie aufrufen?“ Das ist die Frage! Und ich glaube, dass jeder Mensch diese Frage sich selbst stellen sollte. Man muss sich völlig bewusst machen: „Bin ich frei?! Habe ich einen freien Willen oder nicht?!" Wenn man zu dem Schluss kommt: „Ich habe keinen freien Willen, ja, was dann?" Aber vielleicht kommt man zum Schluss: „Ja, ich habe einen freien Willen und es ist meine Aufgabe aus meinem freien Willen heraus zu leben, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen". Ich glaube, dass man sich diese Frage stellen muss. Jeder Mensch sollte sie sich stellen. Diese Frage: „Habe ich einen freien Willen oder nicht oder läuft das Leben automatisch ab?“, weil man dann erst wirklich Mensch wird und kein Automat ist.

Schon die Griechen suchten Antworten

Die Frage ist nun: „Wie kommt man zu befriedigenden Antworten?“ Die Frage nach dem freien Willen ist ja schon 2000 Jahre alt. Die Griechen haben schon angefangen sich zu fragen: „Bin ich frei oder bin ich nicht frei?“ Aber die Griechen damals glaubten noch, dass es irgendwie ein Gott sei, der das menschliche Denken und Handeln, wie an Fäden von Marionetten bespielten. Die Griechen fragten sich: „Kann ich diese Fäden irgendwie durchschneiden und so zu einem freien Willen gelangen?" Heutzutage ist es ja gerade umgekehrt.

Was verstehen wir unter „freiem Willen“?

Die heutigen Wissenschaftler, die glauben, dass unsere Gedanken, unser Wille durch physische und chemische Prozesse gesteuert werden. Also früher waren es die Götter, die durch Marionettenfäden Faden unseren Willen gelenkt haben und die heutigen Wissenschaftler glauben, dass materielle Prozesse unseren Willen lenken. Darüber muss man sich bewusst werden. Auch: „Was glaube ich selbst?“ „Glaube ich, dass es irgendwie einen Gott gibt und ich muss ihm gehorchen?“ oder „glaube ich, dass es nur materielle Prozesse gibt und ich muss irgendwie automatisch diese materiellen Prozesse ablaufen lassen oder so?“ Das ist ein Unterschied. Oder habe ich dann doch einen freien Willen? Und wie muss ich das dann verstehen? Kann ich das dann auch selber durchschauen? Kann ich es sehen? Kann ich Gott erkennen oder so auf der eine Seite? oder kann ich sehen, wie physische und chemische Prozesse Gedanken oder den Willen erzeugen können? Das ist ja die große Frage.

Was verstehen wir unter Freiheit?

In diesem einführenden Kapitel geht es darum, dass wir uns ein bisschen Gedanken machen, was Freiheit überhaupt ist und was man eigentlich erforschen soll, wenn man zu befriedigenden Antworten kommen will. Ich habe schon erwähnt, dass die Frage nach der Freiheit unseres Willens schon 2000 Jahre alt ist. Aber was wird unter Freiheit verstanden? Die modernen Philosophen, aber auch die alltäglichen Menschen – also, wenn man auf der Straße läuft und ich würde irgendjemanden fragen: „Was verstehst du unter Freiheit?“ Dann werden die Menschen antworten: „Ja, Freiheit ist, dass ich tun kann, was ich will“ oder „dass ich wählen kann, was ich will“, oder „dass ich nicht so viel Hypothek auf meinen Rücken habe und dass ich nicht so viel Geld verdienen brauche, um das alles abzulösen“. Also, wenn es keine Hindernisse gibt, um das zu tun, wozu ich Lust habe.

Was wird philosophisch unter dem Begriff Freiheit verstanden?

Philosophisch wird Freiheit manchmal auch so verstanden: Wahlfreiheit, dass man wählen kann zwischen verschiedenen Sachen. Aber man hat ja immer einen Grund, warum man etwas wählt. Wenn ich zum Beispiel zu einem Bäcker gehe und es gibt viele verschiedene Brötchen, dann gucke ich „Ja, was gibt's?“ Und ich werde nicht unwillkürlich ein Brötchen wählen. Nein, ich werde ein Brötchen wählen, weil es lecker ausschaut oder weil ich weiß, dass es ein biologisches Brötchen ist oder weil ich gerne ein süßes Brötchen haben möchte etc.. Also es gibt immer einen Grund, warum ich etwas wähle. Also es gibt Motive: auf der einen Seite wähle ich etwas, aber ich wähle immer etwas auf Grund von etwas. Ich habe Motive und Motive sind immer Gedanken.

Spinoza und die Freiheit

Steiner zitiert in seinem ersten Kapitel den holländischen Philosophen Spinoza. Und dieses Zitat lautet ungefähr so: „Stelle dir mal ein Stein vor, der Stein „bewegt“ sich. Und dieser Stein ist sich seiner Bewegung bewusst. Aber er ist sich nicht über die Ursache seiner Bewegung bewusst, nämlich weil ein anderer Stein ihn angestoßen hat oder weil er auf einem Berg gelegen hat und herunterfällt. Dann hat der Stein das Gefühl, „ich bewege mich in Freiheit“, weil er sich nicht bewusst ist von der Ursache, warum er sich bewegt. So, sagt Spinoza, ist es auch bei unserem Willen. Menschen sind sich bewusst, dass sie handeln, aber sie sind sich nicht über die Ursachen ihres Handelns bewusst. Und der Denkfehler in diesem Gedanken ist, dass der Mensch sich wohl bewusst sein kann, warum er tut, was er tut.

Das Motiv und der freie Wille

Er hat Motive, er kann sich die Motive bewusst machen. Es kann auch sein, dass er sich seiner Motive nicht bewusst ist, also dass er das, was er tut, macht ohne ein Bewusstsein zu haben von seinen Motiven.

Dann ist eigentlich klar, dass er nicht frei handelt. Dann ist es irgendetwas im Organismus oder eine Autorität bringt ihn dazu zu tun, was er dann tut. Aber wenn er sich seiner Motive bewusst ist, dann kann es sein, dass er in Freiheit handelt. Aber dann kommt es darauf an: „Wie kommen die Motive in ihm zustande?" Also das ist die große Frage. Wenn ich also mich selbst frage: „Bin ich frei oder nicht? Habe ich einen freien Willen oder nicht? Tue ich jetzt, was ich selber will?“, muss ich mich fragen: „Wie kommen die Motive aufgrund deren ich etwas tue in mir zustande?“ Und das werden wir erforschen!

Das Motiv als Gedanke und Gefühl

Aber es sind nicht nur Gedanken, sondern wir haben ja auch noch Gefühle. Ich will jetzt auch noch ein bisschen reden über Gefühle.

Ein Beispiel

Es ist Sonntag 12:00 Uhr, ein Freund kommt mich besuchen mit der Frage: „Hast du Lust, heute mit mir spazieren zu gehen? Also unmittelbar, wenn er diese Frage stellt, kommt in mir diese Vorstellung, dass wir zusammen spazieren gehen in den Kopf. Aber zu dieser Vorstellung kommt auch ein Gefühl hoch, ein Gefühl von Lust oder Unlust. Ich bin mit der Bibel erzogen worden und früher als Kind, musste ich mit meinen Eltern nach der Kirche spazieren gehen. Das hatte ich nicht immer gemocht. Wenn ich mir das nicht in dem Moment bewusst mache, wenn jemand am Sonntagmittag fragt, hast du Lust zum Spazieren gehen, dann kommt eigentlich immer unbewusst dieses Gefühl: Ah, muss ich wieder Sonntagmittag nach der Kirche spazieren gehen, ich habe überhaupt keine Lust. Also zu dieser Vorstellung kommt bei mir persönlich - das ist in meiner charakterologischen Anlage da - das Gefühl von Unlust und dann könnte ich nein sagen. Also, ob man eine Vorstellung, einen Gedanken als Motiv seinem Handeln zugrunde legt, hängt auch davon ab, ob ein Gefühl von Lust oder Unlust sich damit verbindet. Aber auf eine Weise ist man dann doch frei. Da mein Freund, der zu mir kommt am Sonntagmittag, der hat gesagt: „Ja, und wenn wir dann spazieren gehen durch den Wald, dann können wir reden über philosophische Fragen, und wenn wir fertig sind, dann setzen wir uns irgendwo hin und dann trinken wir ein Bier und solche Sachen. Also er schildert eine Vorstellung, wodurch Lust bei mir hochkommt. Und dann kann ich trotzdem noch „Ja“ sagen. Also da muss man sich klar darüber werden, wann beschließt man: „Ja, ich mache das.“ Das ist einerseits, weil man sich eine Vorstellung davon macht und diese der Handlung zugrunde legt, aber andererseits, weil sich ein Gefühl damit verknüpft. Und je mehr ein Gefühl der Liebe zum Handeln oder ein Gefühl von Lust zum Handeln hochkommt, desto öfter entschließe ich mich diese Vorstellungen zu verwirklichen.

Wie kommt eine Vorstellung zustande?

Die Frage bleibt aber immer noch: „Wie kommt eine Vorstellung zustande?“ Wenn die Vorstellung und wenn die Gedanken in mir zustande kommen, wie Hunger in meinem Körper zustande kommt, dann bin ich ja immer noch nicht frei. Wenn die aber auf eine andere Weise, z.B. wenn ein Gott die Gedanken in mich legt oder wenn physische und chemische Prozesse in mir diese Vorstellungen erzeugen, dann bin ich auch nicht frei. Also, wenn wir uns die Frage stellen: „Bin ich es, der will, oder ist es etwas anderes in mir, der will?“, da muss ich erforschen: "Wie kommen die Motive in mir zustande?“ Das werden wir dann in den nächsten Modulen erforschen und einen weiteren Schritt machen. Dieses Modul will ich jetzt abschließen mit einer Aufgabe.

Aufgabe / Übung

Die Aufgabe ist, dass man sich klar macht: „Was sind die Motive deines Handelns?" Also ich bitte euch drei bis viermal im Tage eine Pause zu machen um sich zu fragen: „Warum mache ich, was ich tue? Was sind meine Motive? Habe ich mir überhaupt die Motive bewusst gemacht oder tue ich einfach etwas? Werde ich getrieben durch etwas? Also mache ich das bewusst? Warum tue ich, was ich tue?“

Ein Beispiel

Ich mache jetzt hier einen Film. Ich mache jetzt die Philosophie der Freiheit zugänglich für Menschen. Warum tue ich das? Es könnte sein, weil ich früher auf der Uni ganz festgefahren war und jetzt zeigen will, dass es noch andere Möglichkeiten gibt. Also, ich würde dann irgendwie meinen ehemaligen Lehrern und Professoren eine Alternative zeigen. Das könnte ein Motiv oder eine Triebfeder sein oder es gäbe viele Triebfedern oder Motive. Vielleicht will ich endlich noch mal die Anerkennung meines Vaters. Mein Vater hat ja immer gesagt: „Du mit deinen philosophischen Fragen, was für ein Unsinn! Du sollst einfach tun.“ Vielleicht mache ich es darum. Ich glaube, dass ich tue, was ich jetzt tue, weil ich möglichst vielen Menschen den Raum schaffen will, die Situation kreieren will, die Umstände kreieren will, dass Menschen sich darüber bewusst werden, was es eigentlich bedeutet, Mensch zu sein. Dass sie überhaupt sich selbst als Mensch ergreifen können und weiter entwickeln können. Es kann sein, dass ich noch Triebfedern habe, die ich mir nicht bewusst mache, aber ein großes Motiv für das, was ich jetzt hier mache, ist doch die Liebe zum Menschen. Mich selbst als Mensch, aber auch meine Mitmenschen.

Also so bitte ich euch jetzt auch, sich mal klar zu machen so zwei bis drei Mal im Tag. „Ja, warum tue ich eigentlich, was ich tue?“ Es kann sein, dass man auf einem Fahrrad fährt und fragt „Ja, warum fahre ich jetzt von A nach B?“ oder „warum koche ich jetzt diese Mahlzeit?" oder „Warum rasiere ich mich jetzt?“ Also solche Sachen kann man sich auch fragen Warum mache ich das eigentlich?

Die Philosophie der Freiheit ist konfrontierend!

Also wenn man Philosophie der Freiheit studiert, wenn man wirklich reingeht, das ist sehr konfrontierend! Und wenn man sich zum Beispiel darüber bewusst wird, dass das die Motive für das Handeln eigentlich nicht so edel sind oder dass man egoistische Triebfedern hat oder noch andere Triebfedern. Das macht nichts! Wenn man wirklich sich selbst als Mensch ergreifen will und das eigene Seelenleben - wie sagen wir - das veredeln will, das Leben in die eigenen Hände nehmen will, dann muss man zunächst sich selbst, so wie man jetzt ist, völlig akzeptieren und lieben. Dass man auch die eigenen Schatten, die man lieber nicht sieht, dass man die ins Auge fasst. Und dass man das akzeptiert. Nur wenn man die eigenen Schatten vollkommen sehen kann und auch mit ins Bewusstsein nehmen kann lieben kann, ist es auch möglich, dass man sich selbst weiterentwickelt und veredelt. Also wenn ich frage nach Motiven deines Handelns, mach sie dir bewusst, das sind einfach Steinchen in der weiteren Entwicklung.

Abschluss

Gut, ich möchte gern abschließen. Ich wünsche euch einen schönen Tag.Vorlage:Videokurs mit Jac Hielema alle Folgen 1-19

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Literaturangaben