Initiations-Erkenntnis (GA 227) - Fünfter Vortrag, Penmaenmawr, 23. August 1923

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FÜNFTER VORTRAG

Penmaenmawr, 23. August 1923

Des Menschen Beziehungen zu den drei Welten

S. 128

Abs. 1

Der Traum, von dem wir einiges gesprochen haben, und der, wie ich schon sagte, mit Recht nicht als etwas allzu Wichtiges in das gewöhnliche Erdenleben hereingesetzt werden soll, ist aber von unermeßlicher Wichtigkeit, wenn man die Beziehungen des Menschen zur übersinnlichen Welt kennenlernen will. Und er führt uns ja eigentlich zunächst an dasjenige Gebiet des Erlebens heran, in dem der Mensch die übersinnliche Welt so berührt, daß da aufhören die äußeren Naturgesetze. So daß die Traumbilderwelt in der Tat dasteht wie ein Schleier, der die geistige Welt verhüllt. Man kann sagen: Hier ist der Mensch, hier der Schleier des Traumes. Dahinter ist die geistige Welt. Aber es ist nun der große Unterschied, ob man, wie es beim träumenden Bewußtsein geschieht, unbewußt in die geistige Welt hineingeht, oder ob man durch Imagination und Inspiration bewußt in diese geistige Welt hineingeht. Und geht man bewußt durch Imagination und Inspiration in diese geistige Welt hinein, dann nimmt sich alles anders aus als in der physisch-natürlichen Welt. Dann erweist sich vor allen Dingen hinter dem Schleier des Traumes, hinter dem also, was die Griechen das Chaos genannt haben, die sittlich-moralische Welt als eine ebenso wirkliche, wie hier in der Sinnenwelt die natürliche Welt, die Welt, die beherrscht ist von den Naturgesetzen. Aber das Chaotische des Traumes, das Durcheinanderwirbeln des Traumes, das macht uns ja schon aufmerksam darauf, daß es mit dieser Welt, die da hinter dem Chaosschleier liegt, seine ganz besondere Bewandtnis habe.

Abs. 2

Von dieser Welt kann eigentlich erst gesprochen werden, wenn man in der Betrachtung so weit gekommen ist, wie wir jetzt hier in diesen Vorträgen gekommen sind. Dasjenige, was der Mensch für das gewöhnliche Bewußtsein von der äußeren Welt sieht, das ist ja

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nur die äußere Offenbarung. Das ist eigentlich eine große Illusion. Denn hinter alledem steckt erst die geistige Wirklichkeit, die darinnen tätig ist. Und im Grunde genommen taucht der Mensch, indem er träumt, in diese geistige Wirklichkeit ein, aber noch nicht voll vorbereitet dazu, so daß ihm dasjenige, was ihm in der geistigen Welt entgegenkommt, durcheinanderwirbelt, daß es ihm ungeordnet erscheint. Und wir haben zunächst vorzugsweise die Aufgabe, zu erkennen, warum der Mensch mit dem Traume in eine gegenüber der natürlichen Welt so ungeordnete, so chaotische Welt hineinkommt.

Abs. 3

Ich werde also gerade heute, um in der Betrachtung über den Traum weiterschreiten zu können, genötigt sein, Ihnen über dasjenige etwas zu berichten, was Imagination und Inspiration in der geistigen Welt schauen können, wahrnehmen können.

Abs. 4

Da zeigt sich vor allen Dingen: Sobald man mit vollem Bewußtsein durch Imagination und Inspiration in diese geistige Welt eintritt, erscheint sie sofort als eine Dreiheit. Und so können wir von der Welt überhaupt erst sprechen und von unserem Thema: Entwickelung der Welt und des Menschen, wenn wir es bis zu dieser Stelle der Betrachtung gebracht haben, an der wir jetzt stehen. Denn da erst kann ich davon sprechen, daß der Mensch vor der äußeren Welt, vor der also sinnlich sich offenbarenden, in Wirklichkeit geistigen Welt als vor einer Dreiheit steht, eigentlich vor drei Welten steht. In dem Augenblicke, wo man den Schleier durchdrungen hat, der das Chaos ist, steht man nicht vor einer Welt, steht man vor drei Welten. Und diese drei Welten haben ihre ganz bestimmten Beziehungen, ihre ganz bestimmten Verhältnisse zum Menschen.

Abs. 5

Machen wir uns zunächst dasjenige, was hier vorliegt, durch eine Art schematischer Zeichnung klar: Wenn wir also hinauskommen durch den Schleier des Chaos hindurch – ich werde später zeigen, wie man dieses Hinauskommen auch beschreiben kann als ein Überschreiten der Schwelle in die geistige Welt hinein –, wenn man da hinauskommt, schaut man drei Welten. Diese drei Welten sind erstens diejenige, die man eben erst verlassen hat, die sich

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etwas verwandelt zeigt, die aber dennoch auch für das geistige Dasein da ist. Sie erscheint einem, wenn man den Schleier des Chaos durchstoßen hat, wie in einer Erinnerung. Man ist hinübergetreten in die geistige Welt, und so, wie man sich hier an etwas erinnert, so erinnert man sich an dasjenige in der geistigen Welt, was überhaupt physisch-sinnliche Welt ist. Es ist das also die erste Welt. Die zweite Welt, die einem entgegentritt, ist diejenige Welt, die ich in meinem Buche «Theosophie» die Seelenwelt genannt habe, die Welt der Seelen. Und die dritte Welt, die höchste der Welten, die einem da entgegentreten, das ist die eigentliche geistige Welt. Die dritte Welt ist also die Welt des Geistes.

Abs. 6

Ich werde die Sache zunächst nur schematisch erklären, aber durch die Beziehungen, in denen diese drei Welten zum Menschen stehen, wird Ihnen manches über diese drei Welten zum Bewußtsein kommen. Ich will also zu diesen drei Welten, die Ihnen, gewissermaßen in drei Etagen aufsteigend, als die unterste, die mittlere, die höchste Welt erscheinen –, ich will den Menschen zu diesen drei Welten in Beziehung setzen: [zur ersten Welt] den Kopf; [zur zweiten] die Brustorganisation, alles das, was Rhythmus umfaßt, Atmungsorganisation, Blutzirkulationssystem; und zur dritten das Stoffwechsel-Gliedmaßensystem, alles dasjenige, was den Stoffwechsel umfaßt: daß der Mensch sich ernährt, daß der Mensch verdaut, das Verdaute im Körper verbreitet, dadurch die Bewegungen erzeugt. Dadurch hat man es hier mit dem Stoffwechsel-Gliedmaßensystem zu tun.

Tafel 2

S. 131

Abs. 7

Ich zeichne absichtlich hier [für die Brust] einen geschlossenen Kreis, für den Kopf einen offenen Kreis, und auch für das Gliedmaßensystem einen nicht geschlossenen Kreis. Ich mache das absichtlich, weil der Kopf des Menschen für die sinnliche Anschauung nach oben erst recht geschlossen erscheint. Ich müßte also, wenn ich für die sinnliche Anschauung zeichnete, den Kopf oben geschlossen zeichnen. Das ist er aber nicht, der Menschenkopf, für die geistige Anschauung. Für die geistige Anschauung ist der Menschenkopf nach oben offen. Denn dasjenige, was gar nicht dem Geisterland angehört vom Menschen, das ist die Knochenmasse. Die Knochenmasse ist ganz physischer Natur. Die gehört gar nicht dem Geisterland an. Wenn Sie geistig ein menschliches Haupt betrachten, hier die dicke Schädeldecke (weiß), so ist diese überhaupt für die geistige Betrachtung nicht da. Nur dasjenige, was darüber ist als Haut, das erscheint der geistigen Betrachtung noch etwas (rot). Da sind dann die Haare darauf.

Tafel 2

Abs. 8

Aber für die geistige Betrachtung tritt etwas anderes auf. Sehen Sie, da ist dasjenige, was ich hier weiß gezeichnet habe, nicht vorhanden, dagegen lauter «Geisthaare», das heißt Strahlen, die da in den Menschen eindringen, die nur etwas gehindert werden, abgehalten werden durch die physische Haut (gelbe Strahlen). Aber da, wo Knochen ist im Menschen, da kann der äußere Geist am leichtesten eindringen. Und er dringt strahlenförmig ein. So daß Sie, wenn Sie den Menschen zunächst mit physischem Auge betrachten, die physische Menschengestalt vor sich haben; da sehen Sie also oben am Kopf, wenn der Mensch noch nicht einen Kahlkopf

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bekommen hat, seine Haare (rot). Dann aber sehen Sie da, wo die Knochenwölbung oben ist, geistig nichts vom physischen Menschen, dagegen ganz strahlig, sonnig strahlig ziehen da die geistigen Welten in ihn ein (blau). So daß ich also dasjenige, was da ineinander sich schiebt bei der Menschenbetrachtung, eben so zeichnen müßte:

Tafel 2

Abs. 9

Da ist der Mensch als physisches Wesen (Zeichnung links); und da ist der Mensch als geistiges Wesen [von sich aus] nichts – aber viele einziehende Strahlen (Zeichnung rechts).

Abs. 10

So daß ich aus diesem Grunde den Kopf hier oben nicht als einen geschlossenen Kreis, sondern ungeschlossen gezeichnet habe, weil in der Tat in das Menschenhaupt das Geistige fortwährend eindringen kann dadurch, daß hier ein peripherisches Knochengewölbe ist.

Abs. 11

Nichts am Menschen ist unzweckmäßig. Der Mensch hat, ich möchte sagen, aus der vollen Bedachtheit der Weltregierung heraus, diesen oben abgeschlossenen Kopf. Denn da dringt durch dasjenige, was den Geist am leichtesten in den Menschen einläßt, durch die äußere Knochenmasse, das Geistige in das Innere. Wenn man in der Lage ist, den Menschen geistig zu betrachten, so kommt man darauf, das größte Erstaunen darüber zu haben, wie leer eigentlich der Menschenkopf durch das eigene Innere des Menschen ist. Dem Kopf gibt nämlich das eigene Innere des Menschen am allerwenigsten. Der Mensch hat eigentlich in bezug auf das Geistige von sich aus eine ganz leere hohle Kugel da oben sitzen. Und alles Geistige muß in den Kopf hineinkommen von außen.

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Das ist nicht so mit den anderen Gliedern des menschlichen Organismus. Die sind, wie wir gleich nachher hören werden, von sich aus geistig. Nun unterscheiden wir danach also auch im Menschen drei Glieder: den Kopf, das rhythmische System, das Stoffwechsel-Gliedmaßensystem. Diese drei Glieder der menschlichen Natur stehen nun in einer ganz bestimmten Beziehung zu den drei Welten.

Abs. 12

Von dieser Beziehung des Menschen, von dem, was im menschlichen Haupte oder dem Nerven-Sinnessystem, von dem menschlichen Brustsystem oder dem Atmungs-Zirkulationssystem, oder dem dritten System, dem Bewegungs-Stoffwechselsystem, was vom Menschen zu diesen drei Welten in Beziehung steht, das werde ich dann weiter besprechen.

Wenn wir von dieser Charakteristik der Dreigeteiltheit des Menschen und der Dreigeteiltheit der Welt nun zu den Beziehungen zwischen beiden übergehen, dann ist es gut, wenn man in jeder der drei Welten das Substantielle und die Aktivität unterscheidet. Ich werde also sowohl bei der geistigen Welt, wie bei der Seelenwelt, wie bei der stofflichen, sinnlich physischen Welt das Substantielle und die Tätigkeit, die Aktivität unterscheiden. In Wirklichkeit sind Substanz und Aktivität eines; aber sie wirken nach der Welt hin in verschiedener Weise. Sie können sich das an der Substantialität Ihres eigenen menschlichen Wesens klarmachen.

Abs. 13

Sie haben in Ihrem Arm Ihre Substanz. Wenn diese Substanz nicht in Ordnung ist, dann werden Sie irgendeinen Schmerz im Arme empfinden. Da zeigt sich, da offenbart sich dasjenige, was in der Substanz nicht in Ordnung ist, nach innen. Wenn die Tätigkeit des Armes nicht in Ordnung ist, so geben Sie vielleicht dem Mitmenschen einen Schlag. Das tut dem andern weh. Da ist die Tätigkeit nicht in Ordnung. Dennoch aber, dieses Substantielle und die Tätigkeit sind in Ihrem Arme eins; aber sie äußern sich, sie offenbaren sich in verschiedener Weise nach außen.

Abs. 14

So müssen wir in jeder der drei Welten ein Substantielles und eine Aktivität unterscheiden. Ich will dieses so unterscheiden, daß

S. 134

ich das Substantielle überall als das Rote, die Tätigkeit überall als das Gelbe bezeichne. So daß wir also haben in der spirituellen Welt Aktivität (gelb), Substanz (rot); in der Seelenwelt Aktivität (gelb), Substanz (rot); in der physisch-sinnlichen Welt Aktivität (gelb), Substanz (rot).

Tafel 2

Wenn wir nun den menschlichen Kopf betrachten, so ist dieser menschliche Kopf seiner Substanz nach ganz aus der physischen Welt heraus gebildet. Die Substanz des Kopfes ist zunächst während der menschlichen Embryonalbildung aus der Substanz, die von den Eltern herrührt, genommen; und die weitere Ausbildung des Kopfes erfolgt auch dadurch, daß dem ganzen menschlichen Kopf und Sinnes- und Nervensystem die Substanz dieser irdisch-stofflichen Welt zugrunde liegt. So daß ich sagen muß: Der Kopf ist aus der Substanz der physisch-sinnlichen Welt gebildet. Dagegen ist alle Tätigkeit, welche diese Formen des menschlichen Kopfes plastisch ausbildet, all dasjenige, was dem menschlichen Kopfe aus der Substanz heraus durch Aktivität Form gibt, das ist ganz und gar aus der geistigen Welt heraus gebildet. So daß der Kopf in bezug auf die Aktivität ganz und gar aus der geistigen Welt heraus gebildet ist. Deshalb muß der Kopf auch nach oben offen

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sein – in geistiger Beziehung –, damit die geistige Tätigkeit hereinkommen kann.

Abs.

So daß Sie also in jedem Augenblicke Ihres Lebens sich sagen können: In meinem Haupte habe ich etwas, was der Substanz, dem Stoffe nach, ganz aus der Erde genommen ist, was aber so zusammengesetzt ist, so plastisch gebildet ist, daß niemals irdische Kräfte dieses menschliche Haupt bilden können. Die Formen dieses Menschenhauptes sind ganz und gar aus der geistigen Welt heraus gebildet, sind sozusagen Himmelsschöpfung. Es ist gerade sehr tiefgehend für den geistigen Betrachter, dieses menschliche Haupt in bezug auf die Welt zu betrachten.

Abs.

Der Mensch richtet, wenn er geistig betrachtet, seinen Blick auf irgendeine Pflanze. Er sagt sich: Die Pflanze hat eine bestimmte Form. Ihre Substanz hat sie aus der Erde genommen. Aber die Form ist aus der ätherischen Welt, also noch aus der Raumeswelt.

Abs.

Betrachtet der Mensch ein Tier, so sagt er sich: Dieses Tier hat die Substanz seines Kopfes ganz und gar aus der Raumeswelt. Aber in seine Tätigkeit fiel schon etwas Geistiges herein. Das höchste Geistige, dasjenige, was man eigentlich himmlisch nennen kann, spielt aber erst in den Bau des menschlichen Kopfes herein. Dieser menschliche Kopf könnte niemals durch irgendwelche irdischen Kräfte entstehen, obwohl seine Substanz aus den Erdenstoffen genommen ist. So baut im menschlichen Haupte, das selber eine Art kleiner Kosmos ist, aus Erdenstoffen die Geisteswelt ein Gebilde auf.

Abs.

Gerade das Umgekehrte ist der Fall bei dem Stoffwechsel-Gliedmaßenmenschen, bei demjenigen Menschen, der also die Organe für die äußere Bewegung enthält, Beine, Arme, dasjenige, was sich von Beinen und Armen nach innen fortsetzt, die Verdauungsorgane.

Abs.

Ich lasse in der Mitte aus zunächst die rhythmische Organisation, Atmungs- und Blutzirkulations-Organisation, und ich nehme jetzt dasjenige, was sich aus all dem zusammensetzt, was verdaut, was ernährt, und demjenigen, was aus der Verdauung, der Ernährung, also aus der inneren Verbrennung des Menschen hervorgeht als Bewegungen des Menschen.

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Das ist nun seiner Substanz nach gar nicht aus der Erde aufgebaut. So unwahrscheinlich Ihnen das zunächst klingt, so tragen Sie gerade in Ihrem Stoffwechsel-Gliedmaßenmenschen etwas in sich, was seiner Substanz nach gar nicht aus der Erde aufgebaut ist, sondern das seiner Substanz nach ganz und gar besteht aus der Substanz der dritten Welt, aus der Substanz, die in der geistigen, in der spirituellen Welt vorhanden ist. Sie werden sagen: Aber ich sehe doch die Beine, sie sind doch physisch-sinnlich sichtbar. Wenn sie aus geistiger Substanz bestünden, so wären sie doch nicht sinnlich-physisch sichtbar! – Es ist ein ganz berechtigter Einwand, aber da kommt folgendes in Betracht. Abs.

Ihre wahren Beine sind nämlich durchaus geistig, Ihre wahren Arme auch durchaus geistig, und der Stoff wird nur vom Kopf hineingeschickt. Der Kopf ist dasjenige Organ, das nun die Geistarme und Geisthände, Geistbeine und Geistfüße ausfüllt mit dem Stoffe. Der dringt nur ein in das Geistige der Gliedmaßen und der Verdauungsorgane. So daß dasjenige, was eigentlich ganz und gar aus der geistigen Welt heraus ist in der Substanz, durchsetzt wird, durchtränkt wird mit physischem Stoff, aber vom Kopfe aus. Deshalb ist es so, daß man zunächst mit physischer Wissenschaft so schwer begreifen kann, daß der Mensch aus Kopf-, Brust- und Gliedmaßen-, Verdauungsorganen besteht. Da stellen sich die Leute vor: Der Kopf ist oben, und der Mensch hat eigentlich nur da den Kopf, wo ihn der Enthauptete nicht mehr hat. Das ist aber nicht der Fall, sondern der Kopf des Menschen ist stofflich überall. Der Mensch ist auch in der großen Zehe Kopf, weil der Kopf da die Substanz hineinschickt. Aber ursprünglich, primär, ist nur Kopfsubstanz irdisch. Der Kopf gibt dann die Erdenstofflichkeit an die übrigen Substanzen ab; während die eigene Substanz der Stoffwechsel-Gliedmaßenorgane aus der geistigen Welt genommen ist.

Abs.

Bringt man es durch eine starke negative Autosuggestion dahin, sich den Kopf von einem Menschen wegzusuggerieren, so daß man imstande ist, nicht nur in Gedanken, sondern durch eine starke negative Autosuggestion den Menschen kopflos erscheinen zu lassen, dann verschwindet auch die übrige Organisation, und mit dem

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Kopf ist das weg, was der ganze Mensch ist als sinnlich anschaubares Wesen. Man muß dann das übrige seelisch-geistig anschauen, wenn es überhaupt noch für einen da sein soll, weil wir in Wirklichkeit herumgehen, bestimmt von den höheren Welten aus, mit Geistbeinen, mit Geistarmen, und nur der Kopf gewissermaßen das durchtränkt, ausfüllt mit physischen Stoffen.

Abs.

Dagegen sind die Kräfte, die Aktivität für alles das, was Stoffwechsel-Gliedmaßenmensch ist, von der physischen Welt her genommen. So daß, wenn Sie das eine Bein vorsetzen, oder den Arm bewegen mit Hebekräften nach mechanischer Ordnung, diese mechanische Ordnung, ja auch die chemischen Vorgänge, die in den Armen und in den Beinen vor sich gehen, wenn man sich bewegt, oder die chemischen Vorgänge, die in den Verdauungsorganen vor sich gehen, daß die irdischer Aktivität sind. So daß Sie also in Ihren Gliedmaßen an sich tragen unsichtbare Substanz, aber solche Kräfte, die dem Erdendasein entnommen sind. Wir sind also aufgebaut als Mensch in bezug auf unser Haupt für dasjenige, was dieses Haupt an Substanz enthält, von der Erde aus; wir sind durchsetzt von Kräften in bezug auf unser Haupt vom Himmel aus. Wir sind in bezug auf unsere Gliedmaßen aufgebaut ganz und gar aus einer Substanz, die vom Himmel herunter ist. Aber die Kräfte, die in dieser Himmelssubstanz während unseres Erdenlebens von der Geburt bis zum Tode spielen, das sind die Kräfte der Erde, Gravitation, das sind die anderen physischen Kräfte der Erde, das sind die chemischen Kräfte der Erde.

Abs.

Sie sehen also, das Entgegengesetzte ist bei Kopf und Gliedmaßen der Fall. Der Kopf besteht aus Erdenstoff und wird seinen plastischen Formen nach aus der Himmelsaktivität gebildet. Die Gliedmaßen des Menschen und damit zusammen die Verdauungsorganisation sind ganz und gar aus Himmelssubstanz gebildet. Man würde sie nicht sehen, wenn sie nicht vom Kopf durchtränkt würden mit irdischer Substanz. Aber indem der Mensch geht, indem der Mensch greift, indem der Mensch verdaut, bedient sich die Himmelssubstanz der irdischen Kräfte, um dieses Leben auf Erden von der Geburt bis zum Tode zu führen.

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In dieser komplizierteren Weise steht der Mensch in Relation, in Beziehung zu den drei Welten. Es hat also die geistige Welt ihrer Aktivität nach Anteil an seinem Kopfe, ihrer Substanz nach Anteil an dem dritten Organisationssystem des Menschen, an dem Stoffwechsel-Gliedmaßensystem. Es hat die unterste, die am meisten sinnliche Welt durch ihre Aktivität Anteil an dem Stoffwechsel und den Gliedmaßenbewegungen. Durch ihre Substanz hat sie Anteil am Kopfe; dagegen ist das Substantielle des dritten menschlichen Systemes ganz und gar ein Geistiges.

Abs.

Im mittleren System, das die Atmung und die Blutzirkulation umfaßt, in dem gehen eben durcheinander geistige Aktivität, stoffliche Substantialität. Aber die geistige Aktivität, die durch unsere Atmungsbewegungen, durch unsere Herzbewegungen strömt, die ist wieder etwas begleitet von Substantialität. Und ebenso ist die Substantialität des irdischen Wesens, insofern sie durch den Sauerstoff in die Atmung einströmt, etwas begleitet von irdischer Tätigkeit. Sie sehen also, in dem mittleren Menschen, in dem zweiten System des Menschen, da strömt alles zusammen. Da strömt himmlische Substantialität und Aktivität ein, da strömt irdische Aktivität und Substantialität ein. Dadurch wird der Mensch empfänglich, nun auch hier entgegenzunehmen die Aktivität der mittleren Welt und die Substantialität der mittleren Welt.

Abs.

Es kommt also im mittleren Menschen viel durcheinander. Deshalb müssen wir im mittleren Menschen dieses wunderbar vollkommene rhythmische System haben, den Herzrhythmus, den Lungenrhythmus im Atmen, weil alles dasjenige, was da an Aktivität und Substantialität durcheinanderkommt, im Rhythmus sich ausgleichen, sich harmonisieren, sich melodisieren will und es auch kann, weil der Mensch so veranlagt ist. Während also Aktivität und Substantialität aus ganz verschiedenen Quellen im Kopfsystem, im Gliedmaßensystem kommen, strömt im mittleren System aus allen drei Welten, und noch dazu in verschiedenartiger Weise ein, hier die Aktivität von Substantialität begleitet, hier die Substantialität von Aktivität begleitet, hier reine Aktivität, hier reine Substantialität (siehe Zeichnung S. 134);

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das strömt im mittleren Menschen ein. Und wenn Sie eines Menschen Pulsschlag beobachten als Arzt, so fühlen Sie eigentlich im Pulsschlag den Ausgleich zwischen Himmelsseele und irdischer Aktivität und Substantialität. Und wenn Sie die Atemzüge beobachten, so fühlen Sie wiederum dieses Streben des Menschen in seinem Innern nach der Ausgleichung dieser verschiedenen Agenzien, die aus der mittleren Welt in Beziehung zu ihm stehen. Sehen Sie, das ist die Beziehung des Menschen zu den drei Welten. Sie werden sagen: Das ist eine sehr komplizierte Sache. Und in der Tat, wenn man einen Vortragszyklus bis zu diesem Momente führt, dann erscheint er in der Regel leicht verständlich; wenn man ankommt an diesem Punkte, wo man nun die Beziehung des Menschen zur Welt ins Auge fassen muß, da sagen sich oftmals die Zuhörer: Da wird die Geschichte schwer verständlich. Da geht es nicht mehr recht mit. Aber sehen Sie, ein vorurteilsfreies, wirklich subtiles Denken kommt schon mit. Und es gibt für dieses Denken des gesunden Menschenverstandes ja eigentlich einen Trost. Das ist der, daß man beim wirklichen Durchstoßen des Chaosschleiers, wie ich vorhin sagte, und beim Eintreten in diese Welt, die eine dreifache ist, die in einer ungeheuer komplizierten Art ihre Tätigkeit und ihre Substanz in die physische Welt hereinschickt, wo in der Tat die Dinge so verwirrend sind, daß man, indem man durch den Schleier hindurch aus der physisch-sinnlichen Welt in sie eintritt, in vollem Sinne des Wortes gewarnt wird, gewarnt wird, indem einem etwa – ich sage das scheinbar im Bilde, aber dieses Bild entspricht tatsächlich einer wirklichen Erfahrung – beim Eintritt in die geistige Welt gesagt wird: Willst du nicht alles zurücklassen, was du in der physischen Welt als deine gewöhnliche naturalistische Logik betrachtet hast, was du da als den Zusammenhang der Dinge betrachtet hast, willst du nicht dieses ganze physische Kleid zurücklassen, so tritt lieber nicht ein in die geistige Welt, denn da wirst du dich ganz anderer Ideenverbindungen, ganz anderer Ordnungen, einer ganz anderen Logik bedienen müssen. Und wenn du noch etwas hineintragen willst von deiner physischen Logik in diese geistige

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Welt, so wirst du darinnen unweigerlich in Verwirrung kommen. – Und man muß unter denjenigen Dingen, die zur Vorbereitung gehören für Meditation und Konzentration, die ich schon erwähnt habe, auch das haben, daß man diese Warnung voll beobachtet, wirklich nicht die sinnliche Logik hineintragen will in die Logik der geistigen Welt. Ich möchte sagen, das ist die bedeutsame Warnung, die diejenige Macht – wir werden sie noch genauer kennenlernen in den folgenden Vorträgen –, die man den Hüter der Schwelle nennen kann, einem zunächst zuteil werden läßt, wenn man den Vorhang durchschreiten will. Aber auch wenn man wiederum zurückkehren will in die physisch-sinnliche Welt, dann erhält man von diesem Hüter eine mächtige, deutliche Warnung. Man muß ja wieder zurückkehren, wenn man Erdenmensch ist, sonst würde man niemals aus den Ereignissen der geistigen Welt herauskommen. Man würde seinen physischen Erdenleib allmählich tot zurücklassen. Man muß immer wieder zurückkommen. Man muß in der physischen Welt essen und trinken nach der naturalistischen Logik. Man muß sich sogar den anderen Gewohnheiten des Tages fügen nach naturalistischer Logik. Man muß also wieder eintreten in eine Welt, wo wirklich die Dinge so vor sich gehen, daß ganz naturalistisch-materialistische Logik drinnen ist, daß zum Beispiel zum Frühstück, zum Mittag und zum Abend immer geklingelt wird. Man muß also immer wiederum in diese naturalistische Welt zurückkehren. Dazu ist notwendig, daß man wiederum, wenn man eingedrungen ist in die geistige Welt und zurückkehrt in die physisch-sinnliche, damit man nun nicht als Mensch in eine unmögliche Lage kommt, die zweite Warnung des Hüters der Schwelle berücksichtigt, der an dem Orte steht, wo der Schleier des Chaos physisch-sinnliche Welt und geistig-himmlische Welt trennt. Und die besteht darinnen, daß er einem sagt: Vergiß in keinem Moment deines physischen Erdenlebens, daß du in der geistigen Welt drinnen warst. Dann allein wirst du dich auch wiederum in der physischen Erdenwelt für diejenigen Zeiten, in denen du dich drinnen aufhalten mußt, mit Sicherheit bewegen können.

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So erhält man gegenüber dieser Welt, mit der der Mensch in der Art, wie ich es Ihnen schematisch dargestellt habe, durch seine drei Glieder in Beziehung steht, beim Eintritt die Warnung, alles abzulegen, was naturalistische Logik ist, zurückzulassen dieses sinnliche Gewand an der Schwelle, und hinüberzutreten mit der Voraussetzung, eine wirklich geistige Logik sich anzueignen, ein geistiges Denken, geistige Ideenzusammenhänge. Und wenn man wieder zurückgeht, erhält man die ebenso strenge, ja viel strengere Warnung, nun nicht zu vergessen, in keinem Augenblicke, dasjenige, was man da erlebt hat in der geistigen Welt; das heißt, sich nicht wiederum bloß durch das gewöhnliche Bewußtsein den sinnlichen Trieben und so weiter zu überlassen, sondern in allem sich bewußt zu sein, daß man das Geistige hereinzutragen hat in diese physische Welt. Sie sehen, die zwei Warnungen sind sehr voneinander verschieden. Beim Eintritt in die geistige Welt spricht der Hüter der Schwelle: Vergiß für die Momente deines geistigen Erkennens die physisch-sinnliche Welt. Für den Austritt aus der geistigen in die physisch-sinnliche Welt spricht der Hüter der Schwelle: Vergiß niemals, erinnere dich stets auch wiederum in der physisch-irdischen Welt deiner Erfahrungen in der geistig-himmlischen Welt. In bezug auf dasjenige, was ich zuletzt gesagt habe, ist wiederum ein beträchtlicher Unterschied zwischen den Menschen einer älteren Epoche der Menschheitsentwickelung und den gegenwärtigen Menschen. Bei jenen Menschen, von denen ich geschildert habe, daß sie in einer gewissen Weise zu den alten Mysterienlehrern, sei es als inspirierte Schüler, sei es als allgemeine Menschheit, kamen, bei denen war es durchaus so, daß sie schon durch ihre psychisch-spirituellen Instinkte den Übergang vom Schlafen ins Wachen oder vom Wachen ins Schlafen nicht ohne das Berücksichtigen des Hüters der Schwelle machten. Wie traumhaft stieg bei den Menschen vor drei bis viertausend Jahren herauf aus der Seele das Bild des Hüters der Schwelle, wenn sie in den Schlaf eintraten. Sie gingen an ihm vorüber. Und wiederum erschien dieses Bild, wenn sie aus dem Schlaf

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in das gewöhnliche Leben zurückkehrten. Sie hatten nicht eine so deutliche Warnung beim Eintritt in die geistige Welt und beim Austritte aus der geistigen Welt, wie ich es von demjenigen, der durch Inspiration und Imagination in diese geistige Welt eingezogen ist, gesagt habe; aber sie hatten ebenso etwa, wie ihre übrigen instinktiven Wahrnehmungen der geistigen Welt waren, ein traumhaftes Erleben des Vorübergehens vor dem Hüter der Schwelle beim Einschlafen und Aufwachen. Darin besteht eben gerade die Fortentwickelung in der Menschheit, wie wir in den Vorträgen, die ich noch zu halten habe, sehen werden, die allein den Menschen zur Freiheit führen konnte, ihm aber auch nehmen mußte sein psychisch-spirituelles Anschauen: daß der Mensch verloren hat jenes schlafende, träumende Wachsein, jenen Zwischenzustand zwischen Schlafen und Wachen, durch den er sowohl beim Einschlafen wie beim Aufwachen den majestätischen Hüter der Schwelle wenigstens traumhaft schauen konnte. Heute geht der Mensch vorüber an diesem Hüter der Schwelle beim Einschlafen und Aufwachen. Er ignoriert ihn; er berücksichtigt ihn nicht. Und dadurch kommt er, dieser Mensch, in eine ganz ungeordnete Traumwelt hinein. Sehen Sie nur einmal nach mit voller Unbefangenheit, wie anderes die Menschen älterer Zeitepochen über ihre Träume zu sagen wußten, als das in der heutigen Zeitepoche der Fall ist. Der Mensch erlebt, weil er den Hüter jeden Abend und jeden Morgen und bei jedem Nachmittagsschläfchen zweimal ignoriert, die Ungeordnetheit, das Chaotische seiner Traumeswelt. Das zeigt sich durchaus in der einzelnen Gestaltung der Träume. Bedenken Sie nur, wenn wir die Schwelle überschreiten – und das tun wir bei jedem Einschlafen –, dann steht einmal an dieser Schwelle der majestätische Hüter der Schwelle. Er darf nicht ignoriert werden, ohne daß dasjenige, was einem entgegentritt in der geistigen Welt, in Unordnung kommt. Und wie es in Unordnung kommt, das sieht man am besten an der Metamorphose, die es durchmacht, wenn eben das geordnete Denken der physisch-naturalistischen Welt übergeht in die Gebilde des Traumes. Man kann sich das an einzelnen Träumen klarmachen.

S. 143

In der physisch-naturalistischen Welt benimmt man sich ja so, wie man es eben aus den Zusammenhängen innerhalb der physisch-sinnlichen Welt lernt. Nehmen wir einen einzelnen Fall: man gehe spazieren. Warum geht man spazieren? Nun, nicht wahr, heute gehen ja zu gewissen Spaziergängen die Menschen in den Städten namentlich deshalb, weil sie da dies oder jenes erleben. Sie treffen auf den Spaziergängen ihre Bekannten. Sie können ihre Kleidung sehen lassen, wenn sie gerade danach geartet sind, vor anderen, unbekannten Menschen, oder auch vor den bekannten Menschen. Das alles sind die Erlebnisse, die auf einem Spaziergange erlebt werden. Diese Erlebnisse, die werden dadurch erlebt, daß wir mit unserem Menschenwesen denken, vorstellen können, dadurch, daß wir in der Lage sind, mit unserem Kopf, ausschließlich mit unserer Kopforganisation zu sagen: ich denke. In dieser Kraft des «ich denke» liegt eben die Möglichkeit, so etwas zu erleben an der Außenwelt, wie ich es soeben geschildert habe. Man begegnet anderen Menschen; das wird für andere ein Erleben. Man zeigt seine Kleider oder meinetwillen auch sein schönes Gesicht. Es kommt auf dasjenige an, was man da gerade erlebt. Aber man hat bei diesem Sehen der anderen Menschen, bei diesem Zeigen dessen, was an einem ist, gegenüber den anderen Menschen auch Gefühle. Es gefällt einem das eine, oder es gefällt einem das andere nicht. Man entwickelt Sympathien oder Antipathien dabei. Es gefällt einem, wenn einem die anderen Menschen auf den Spaziergängen etwas sagen, was einem gerade paßt. Es gefällt einem nicht, man begleitet es mit Antipathie, wenn sie einem etwas sagen, was einem nicht paßt. So ist also dasjenige, was man da erlebt bei den Spaziergängen, durchaus mit Anschauungen verbunden, was durch den Kopf bewirkt wird durch das «ich denke», es ist verbunden durch dasjenige, was der rhythmische Mensch entwickelt: ich fühle, also mit dem Gefühl der Sympathie und Antipathie. Dadurch, daß wir gleichzeitig in einem zweiten Gliede unseres Wesens sagen können: ich fühle –, dadurch begleiten wir dasjenige, was wir im Anschauen auf einem Spaziergange erleben.

S. 144

Aber auch das Dritte im Menschen ist beteiligt an diesem Spaziergange, wenn wir wach den Spaziergang machen. Nicht wahr, man muß da schon auf gewisse Intimitäten des menschlichen Erlebens kommen. Man hat nun wiederum das Gefühl, daß es in der modernen Zivilisation nicht sein kann, daß man unbekleidet sich den Menschen zeigt, unbekleidet auf einen Spaziergang geht. Dieses Gefühl hat man. Die Unbekleidetheit ist einem antipathisch, die Bekleidetheit sympathisch. Das aber geht in die Willensimpulse über. Man zieht sich an. Man zieht sich sogar in einer gewissen Weise an. Das beschäftigt den Willen, das dritte Glied der menschlichen Organisation. Dieses, daß wir uns anziehen, das hängt also wiederum von dem Dritten im Menschen ab, von dem, daß wir sagen können: ich will. In der Willensimpulsivität liegt das Anziehen.

       I think            Ich denke
       I feel            Ich fühle
       I will            Ich will

Indem wir sagen können: Ich will –, treten wir angezogen den Spaziergang an, mit dem Erfolge des «Ich will». Das alles ordnet sich für die physische Welt, in der wir wachend sind, eben durch die Logik in der physischen Welt an. Es ist uns entweder anerzogen, oder wir fügen uns den Lebensverhältnissen, die äußerlich in der Logik in der physischen Welt gegeben sind. Und wenn wir das nicht tun, so ist etwas in uns nicht in Ordnung. Wenn wir unbekleidet auf einen Spaziergang gehen, so ist etwas nicht in Ordnung in uns. Die Ordnung in der physischen Welt, dasjenige, was in der physischen Welt Logik ist, formt das zusammen. Es fällt uns gar nicht ein, auf einem Spaziergang die anderen Menschen in einem unbekleideten Zustande sehen zu wollen. Da kommt Zusammenhang in unsere Seelenerlebnisse, aber nicht durch uns, sondern durch den Zusammenhang der Welt. Das ergibt sich uns, daß nun alle dreie: ich denke, ich fühle, ich will – in Zusammenhang stehen. Das macht die Welt. Wir werden durch die Außenwelt veranlaßt, diesen Zusammenhang von Denken, Fühlen und Wollen zu bilden.

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Wenn wir nun mit Ignorierung des Hüters der Schwelle über die Schwelle treten, so stehen wir drei Welten gegenüber und kennen uns zunächst nicht aus, weil wir dasjenige zum Teil hinübertragen in die andere, geistige Welt, an das wir hier gewöhnt sind; zum Teil aber macht die geistige Welt ihre Ordnung geltend. Und nun passiert folgendes: Denken Sie sich, Sie liegen schlafend im Bette. Sie sind zunächst mit Ihrem Gefühl, mit dem mittleren Teil des Menschen, an diesem schlafenden Zustand beteiligt. Die Decke löst sich von Ihnen los, ein Stück ihres Körpers friert. Es kommt Ihnen dadurch zum Traumbewußtsein, daß Sie an dieser Stelle unbekleidet sind. Und das dehnt sich aus, weil Sie sich nun nicht auskennen in der geistigen Welt, weil Sie das nicht bloß auf einen Teil beziehen, sondern auf die ganze Welt beziehen, das dehnt sich aus zu dem Gefühl: ich bin unbekleidet. Vielleicht ist Ihnen nur die Decke von einem Teil des Körpers abgefallen, aber Sie frieren da ein bißchen, und Sie fühlen: ich bin unbekleidet. Nun aber, soeben waren Sie noch beschäftigt in Ihren Träumen damit, daß Sie dem Willensimpulse als wachender Mensch sich hingeben: Wenn ich unbekleidet bin, ziehe ich mich an. Jetzt aber fühlen Sie durch den Schlaf: ich kann mich nicht anziehen, ich bin behindert – weil Sie Ihre Glieder nicht bewegen können. Das kommt ins Traumbewußtsein herein. Sehen Sie, diese zwei Dinge: ich fühle mich unbekleidet, ich kann mich nicht anziehen –, das bewirkt in Ihnen, weil jetzt die physische Welt fehlt, um die zwei Dinge zusammenzubringen, weil das eine der Welt II, das andere der Welt I angehört, daß Sie es in einer falschen Weise zusammenbringen. Und nun bringen Sie noch, indem Sie in derselben Nacht erlebt haben, daß Sie auf einen Spaziergang gegangen waren, dieses dazu; das kommt nun wieder in Ihren Traumzusammenhang herein. Das tritt für sich auf. Drei Bedingungen treten getrennt für sich auf: ich bin auf einem Spaziergang; ich bin unbekleidet, das ist mir schrecklich antipathisch; und: ich kann mich nicht anziehen. Nun denken Sie sich: diese drei Dinge, die Sie im gewöhnlichen materialistisch-physischen Leben durch die Logik des Lebens

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zusammenbringen, die zerfallen Ihnen, indem Sie an dem Hüter der Schwelle, ihn ignorierend, vorbeigehen, in der ersten Welt: das Spazierengehen, in der zweiten Welt: das Unbekleidetsein, in der dritten Welt erleben Sie, daß Sie sich nicht anziehen können, daß das ganz unmöglich ist. Und nun fühlen Sie sich in dieser Situation dreigeteilt, unter fremden Leuten, überall ausgesetzt den Blicken unbekleidet, ohnmächtig sich anzukleiden. Das machen Sie im Traume durch. Das, was sich Ihnen im gewöhnlichen Leben durch die naturhafte Logik zusammenbindet, das trennt Ihnen der Traum, und Sie verbinden es chaotisch nach der Gewohnheit, die Sie hineingetragen haben über die Schwelle, Sie verbinden das, als ob es auch in der geistigen Welt so wäre, wenn man unbekleidet ist und so weiter. Sie tragen, indem Sie diesen Hüter der Schwelle ignorieren, die Gewohnheiten, die der physischen Welt entsprechen, in die geistige Welt hinein, Sie verbinden in chaotischer Weise die drei Welten nach den Gesetzen der physischen Welt, und Sie fühlen sich in dieser Situation. Das ist das Wesentliche unzähliger Träume, daß in dem Augenblicke, wo man die Schwelle überschreitet und die Warnungen des Hüters nicht beachtet, dasjenige, was man hier in der Welt des Physisch-Naturalistischen als eine Einheit im Harmonischen, als eine harmonische Einheit empfindet, daß einem das auseinandertritt und man drei Welten gegenübersteht. Dieses aber muß man durch die getreuliche Beobachtung der Warnungen des Hüters der Schwelle zusammenbringen können; diese drei Welten muß man zusammenbringen können. Und der Traum des Menschen der Gegenwart, nicht so sehr des Menschen einer älteren Zeitepoche – das können Sie insbesondere bei den Träumen des Alten Testamentes sehen, daß das nicht so der Fall war –, aber der Traum des modernen Menschen, der stellt den Menschen vor drei Welten, die er als moderner Mensch verbinden will nach den Gesetzen des physisch-naturalistischen Daseins. Dadurch entstehen die ungeordneten Zusammenhänge in diesen drei Welten, in denen der Mensch jetzt ist.

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So sehen Sie: Schon der Traum zeigt uns diese ernste Tatsache, daß in dem Augenblicke, wo wir die Schwelle zur geistigen Welt überschreiten, wir zunächst drei Welten gegenüberstehen, und daß man in der richtigen Weise in diese drei Welten eintreten, aus diesen drei Welten wieder austreten muß. Der Traum ist dasjenige, woran der moderne Mensch ungeheuer viel für die Charakteristik der hiesigen, physisch-sinnlichen Welt, wie der anderen, geistig-seelischen Welt lernen kann. Wir wollen über diese Angelegenheit morgen weitersprechen.